1. Mose 50 + Paul Gerhard: Vertrauen in schlimmer Zeit

Der für den heutigen Sonntag vorgeschlagene Predigttext steht im 1. Buch Mose im 50. Kapitel. Dort heißt es:

Die Brüder Josefs aber fürchteten sich, als ihr Vater gestorben war, und sprachen:
Josef könnte uns gram sein und uns alle Bosheit vergelten, die wir an ihm getan haben.
Darum ließen sie ihm sagen:
Dein Vater befahl vor seinem Tode und sprach:
So sollt ihr zu Josef sagen:
Vergib doch deinen Brüdern die Missetat und ihre Sünde,
dass sie so übel an dir getan haben.
Nun vergib doch diese Missetat uns, den Dienern des Gottes deines Vaters!
Aber Josef weinte, als sie solches zu ihm sagten.
Und seine Brüder gingen hin und fielen vor ihm nieder und sprachen:
Siehe, wir sind deine Knechte.
Josef aber sprach zu ihnen:
Fürchtet euch nicht! Stehe ich denn an Gottes Statt?
Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen,
aber Gott gedachte es gut zu machen,
um zu tun, was jetzt am Tage ist,
nämlich am Leben zu erhalten ein großes Volk.
So fürchtet euch nicht: ich will euch und eure Kinder versorgen.
Und er tröstete sie und redete freundlich mit ihnen.

Soweit der Predigttext.

Was war geschehen? Joseph hatte elf Brüder. Josef wurde von seinem Vater Jakob bevorzugt, er bekam sogar wunderschöne Anziehsachen. Das rief den Neid der Brüder hervor. Nicht nur das: Josef hatte auch eigenartige Träume. Träume, die davon sprachen, dass seine Brüder ihn als Herrscher anerkennen werden: Sie fallen vor ihm nieder und ehren ihn. Das war alles sehr ärgerlich, vor allem, weil er einer der jüngsten war. Und dann fassten sie einen Plan. Als Josef allein in der Wüste war, überfielen sie ihn, warfen ihn in einen Brunnen und verkauften ihn als Sklaven an einen Händler. Dieser brachte Josef nach Ägypten. Dort ging es ihm nicht gut, weil er gezwungen werden sollte, Dinge zu tun, die vor Gottes Augen nicht gut waren. Er weigerte sich und wurde ins Gefängnis geworfen. Dort hörte er davon, dass der Pharao einen Traum gehabt habe und suche nun jemanden, der diesen Traum deuten könne. Letztlich konnte nur Josef den Traum deuten – aber nicht, weil er ein so guter Traumdeuter war, sondern weil Gott dem Josef den Traum des Pharao erklärt hatte. In diesem Traum ging es darum, dass in der ganzen Gegend nach sieben sehr guten Erntejahren eine lange Hungerzeit anbrechen werde. Weil Josef diesen Traum deuten konnte, machte der Pharao Josef zum Landwirtschaftsminister. Josef sammelte und hortete in den guten Erntejahren soviel Nahrung wie nur möglich. Dann kamen die schlechten Ernten, doch im Land gab es genug zu essen. Die Nachricht, dass es in Ägypten viel zu essen gebe, sprach sich bis zu Josefs Brüdern in Israel herum. Und sie kamen, um etwas zu Essen zu kaufen zu Josef. Josef erkannte sie, ließ sie aber nicht verhaften, sondern vergab ihnen ihr schlimmes Tun. Nun ist sein Vater gestorben und die Brüder befürchteten, dass sich Josef nun an ihnen rächen werde. Doch er tat es nicht – und es folgte der berühmte Satz:.

Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen,
aber Gott gedachte es gut zu machen.

Es ist für mich kaum vorstellbar, dass Josef schon in den schlimmsten Situationen so gedacht hat. Konnte er das denken, als er von seinen Brüdern gefesselt worden war? Konnte er so denken, als er in einen Brunnen geworfen wurde – oder dachte er, er müsse dort elendiglich an Hunger zugrunde gehen? Dachte er so, als er an die fremden Männer verkauft wurde und dann wieder verkauft wurde? Josef hatte ein sehr schlimmes Schicksal – so dass ich mir kaum denken kann, dass dieser Satz

Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen,
aber Gott gedachte es gut zu machen,

schon immer so von seinen Lippen gegangen ist. Er musste sich hindurchringen. Er musste sein ganzes Leben immer wieder auf Gott ausrichten. Er musste auf Gott allein schauen, und nicht auf die schlimmen Lebenslagen, damit er von diesem Schlimmen nicht überwältigt wird. Wer auf das Schlimme, auf Krankheit, Not, Misshandlung, Widerwärtigkeiten, Tod schaut, der wird von diesen Dingen beherrscht. Darum muss Josef wohl in all diesen Situationen gelernt haben, auf Gott zu sehen, damit er dieses Wort aussprechen lernt.

Wir singen aus einem Lied von Paul Gerhard 361,1:

Befiehl du deine Wege
Und was dein Herze kränkt,
Der allertreusten Pflege
Des, der den Himmel lenkt!
Der Wolken, Luft und Winden,
Gibt Wege, Lauf und Bahn,
Der wird auch Wege finden,
Da dein Fuß gehen kann.

Paul Gerhard lebte 1607-1676 und war Pfarrer. Er hatte ein schweres Leben. Zum Teil war er nicht ganz schuldlos, so sagen Außenstehende. Er war ein theologischer Sturkopf, der selbst seinem politischen Herrscher Widerstand geleistet hat. Er wollte sich an die herrschende Mehrheit nicht anpassen und musste darum so manche Kränkung, Beschimpfung über sich ergehen lassen. Ebenso Ausgrenzungen – wir würden sagen: Mobbing. Was es leider schon damals in der Kirche gab. Er lebte in der Zeit des dreißigjährigen Krieges, in dem Horden von wildgewordenen Soldaten das Land plünderten, Brände legten, Menschen quälten und töteten – so ist sein Amtsvorgänger in der Kirche erschossen worden. Nicht allein das hat sein Herz beschwert, sondern vier seiner Kinder starben innerhalb eines Jahres und später auch seine Frau. Ein Sohn starb nicht.

Hat Paul Gerhard von vorneherein ein solches Lied komponieren können? Nein, auch er musste sich durch diese Erlebnisse, inneren und äußeren Kämpfe hindurchringen, dass er solche Lieder schreiben konnte. Er musste sein ganzes Leben immer wieder auf Gott ausrichten. Er musste auf Gott allein schauen, und nicht auf die schlimmen Lebenslagen, damit er von diesem Schlimmen nicht überwältigt wird. Wer auf das Schlimme, auf Krankheit, Not, Misshandlung, Widerwärtigkeiten, Tod schaut, der wird von diesen Dingen beherrscht. Darum muss er wie Josef wohl in all diesen Situationen gelernt haben, auf Gott zu sehen, damit er dieses Wort aussprechen lernt.

Wir singen aus dem begonnen Lied 361 die Verse 2-4.

2: Dem Herren mußt du trauen,
Wenn dir’s soll wohlergehn;
Auf sein Werk must du schauen,
Wenn dein Werk soll bestehn.
Mit Sorgen und mit Grämen
Und mit selbsteigner Pein
Läßt Gott sich gar nichts nehmen,
Es muß erbeten sein.

4: Weg’ hast du allerwegen,
An Mitteln fehlt dir’s nicht;
Dein Tun ist lauter Segen,
Dein Gang ist lauter Licht,
Dein Werk kann niemand hindern,
Dein’ Arbeit darf nicht ruhn,
Wenn du, was deinen Kindern
Ersprießlich ist, willst tun.

Wie können Menschen wie Josef und Paul Gerhard so voller Vertrauen leben? Von Josef wissen wir es nicht genau. Wir wissen nur, dass er sich in seinem Leben von Gott geführt wusste. Doch Paul Gerhards Lieder stecken voller Tipps. Allein schon der zweite Vers rät, auf Gott zu vertrauen, er rät, auf das Werk Gottes schauen, er rät zu beten. Auch die anderen Verse lehren uns diesen Weg zu Gott trotz schwerer Not. Doch wie geht das? Dazu hören wir aus anderen Liedern von Paul Gerhard weitere Tipps:

Wir singen: 446,1-4 (Wach auf mein Herz)

Er muss sein Herz wecken, um zu singen. Das Herz ist träge, wie die Melodie zeigt. Es ist von all dem Lebensballast gefüllt. Es mag müde und träge vor sich hindümpeln. Aber Paul Gerhard ermuntert sein Herz: Wach auf und singe! Da mag das Herz sagen: Warum soll ich singen? Ich kann nicht. Merkst du denn nicht, was ich alles erlebt habe, merkst du denn nicht, was mich alles quält! Singe!, sagt eine Stimme. Wach auf, mein Herz, und singe! Aber es lässt sich nicht überzeugen. Dann beginnt die Stimme zu argumentieren und sagt dem Herzen, dass Gott doch gestern Abend mit ihm gesprochen habe:

Mein Kind, nun liege,
trotz dem, der dich betrüge;
schlaf wohl, lass dir nicht grauen,
du sollst die Sonne schauen. –

Und das, was Gott gesagt hat, ist eingetroffen. All das, was mit einer getragenenen Melodie beginnt, bleibt bei der getragenen Melodie mündet aber durch den immer munterer werdenden Text ein in die zuversichtliche Bitte (446,9):

Mich segne, mich behüte,
mein Herz sei deine Hütte,
dein Wort sei meine Speise,
bis ich gen Himmel reise.

Das müde Herz wird zu einer Wohnung Gottes. Wovon es lebt ist das Wort Gottes – alle Zeit.

Und noch ein Lied zeigt uns, wie Paul Gerhard dazu kommt, trotz Widerwärtigkeiten des Lebens bei Gott zu bleiben. Auch hier hören wir eine Aufforderung an sein Herz:

Wir singen 503,1-3 (Geh aus, mein Herz und suche Freud)

1. Geh’ aus mein Herz und suche Freud
In dieser schönen Sommerzeit
An deines Gottes Gaben
Schau an der schönen Gärtenzier
Und siehe wie sie mir und dir
|: Sich ausgeschmücket haben 😐

2. Die Bäume stehen voller Laub
Das Erdreich decket seinen Staub
Mit einem grünen Kleide
Narzissen und die Tulipan
Die ziehen sich viel schöner an
Als Salomonis Seide :|.

Paul Gerhard fordert sein Herz auf, in die Welt zu gehen und das Schöne dieser Welt anzusehen, das Gott dem Herzen bereitet hat. Er freut sich an dieser Welt. Doch diese Welt hat viel Negatives, sie ist nicht nur Jauchzen und Freude – aber dieses Schöne der Welt wird zu einem Gleichnis für das Kommende, das Gott seinen Menschen geben möchte.

Wir singen 503,8-10.

8. Ich selber kann und mag nicht ruhn
Des großen Gottes großes Tun
Erweckt mir alle Sinnen
Ich singe mit, wenn alles singt
Und lasse was dem Höchsten klingt
|: Aus meinem Herzen rinnen :|.

9. Ach denk ich bist Du hier so schön
Und läßt Du’s uns so lieblich gehen
Auf dieser armen Erde
Was will doch wohl nach dieser Welt
Dort in dem reichen Himmelszelt
|: Und güldnen Schlosse werden? 😐

10. Welch hohe Lust, welch heller Schein
Wird wohl in Christi Garten sein!
Wie wird es da wohl klingen?
Da so viel tausend Seraphim
Mit unverdroßnem Mund und Stimm
|: Ihr Halleluja singen :|.

Aber er lebt noch nicht bei Gott, sondern noch in dieser Welt. Und diese Welt hat ihre unangenehmen Seiten, ihre Finsternisse, ihre Kämpfe, ihre Trauer. Aber das Wissen um Gottes Welt macht nicht blind, sondern weist den Menschen, der zu Gott gehört in diese Welt. Dass er den Menschen im Namen Gottes Helfe, wie Paul Gerhard sagt, diene.

Und so singen wir zum Abschluss die Verse 12-15.

12. Doch gleichwohl will ich weil ich noch
Hier trage dieses Leibes Joch
Auch gar nicht stille schweigen.
Mein Herze soll sich fort und fort
An diesem und an allem Ort
|: Zu Deinem Lobe neigen :|.

14. Mach in mir Deinem Geiste Raum,
Daß ich Dir werd ein guter Baum,
Und laß mich Wurzeln treiben;
Verleihe, daß zu Deinem Ruhm,
Ich Deines Gartens schöne Blum
|: Und Pflanze möge bleiben :|.


15. Erwähle mich zum Paradeis,
Und laß mich bis zur letzten Reis
An Leib und Seele grünen;
So will ich Dir und Deiner Ehr
Allein und sonstern Keinem mehr
|: Hier und dort ewig dienen. 😐

Was wir hier an Josef und Paul Gerhard gesehen haben, dass können wir bei vielen Menschen in der Geschichte erkennen. Wie viel Liedertexte sind Zeugen dieses Kampfes des Menschen mit Gott. Sie sind auch Zeugen dafür, dass Gott den Menschen geholfen hat, sie beruhigt hat. So können sie voll Vertrauen sein, auch wenn Menschen und wie wir sagen, das Schicksal, es schlimm mit ihnen meinen. Waren es besondere Menschen? Nein, Menschen wie wir. Und wir können von ihnen lernen, weil Gott bei uns ist, wie er bei ihnen war.

Amen.