♫ Geist der Kraft, Liebe, Besonnenheit (2. Timotheus 1,6-11)

Der für den heutigen Sonntag vorgeschlagene Predigttext steht im 2. Brief des Paulus an Timotheus im 1. Kapitel. Dieser zweite Brief an Timotheus wurde wohl von einem Schüler des Apostels Paulus im Namen des Paulus an Timotheus geschrieben. Ich werde im Folgenden nicht von diesem Schüler sprechen, sondern vom Apostel. Aus dem 2. Brief an Timotheus wurde der heutige Predigttext entnommen. (Ü: Hoffnung für alle)

Der Geist, den Gott uns gegeben hat, macht uns nicht zaghaft, sondern er erfüllt uns mit Kraft, Liebe und Besonnenheit. Schäm dich also nicht, dich in aller Öffentlichkeit zu unserem Herrn Jesus Christus zu bekennen. Halte weiter zu mir, obwohl ich jetzt für ihn im Gefängnis bin. Sei auch du bereit, für die rettende Botschaft zu leiden. Gott wird dir die Kraft dazu geben. Er hat uns gerettet und uns dazu berufen, ganz zu ihm zu gehören. Nicht etwa, weil wir das verdient hätten, sondern aus Gnade und freiem Entschluss. Denn schon vor allen Zeiten war es Gottes Plan, uns in seinem Sohn Jesus Christus seine erbarmende Liebe zu schenken. Das ist jetzt Wirklichkeit geworden, denn unser Retter Jesus Christus ist gekommen. Und so lautet die rettende Botschaft: Er hat dem Tod die Macht genommen und das unvergängliche Leben ans Licht gebracht.

Soweit der Predigttext.

Was für ein wunderbarer Text! Gottes Geist – also Gott selbst – ist in uns! Dieser Geist Gottes ist kein Angstmachergeist, er ist der Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.

Dieser Text spricht hinein in eine Zeit, in der Ängste die Menschen beherrschen – vor allem aber auch, in der mit Ängsten seit Menschen Gedenken Politik getrieben wird. Je marktschreierisch auf Gefahren hingewiesen wird, je stärker Ängste vor dem Sterben und dem Tod geschürt werden, desto mehr lassen die Menschen mit sich machen, desto weniger denken sie selber, desto gehorsamer werden sie denen gegenüber, die Angst machen und so tun, als seien sie die Retter. Christen sollen sich keine Angst machen lassen, sie müssen sich keine Angst machen lassen, weil sie den Tod nicht fürchten. Wenn sie sterben, begegnen sie Jesus Christus – das zu wissen kann jede Angst nehmen.

Timotheus wird dieser Satz auch wichtig gewesen sein. Wenn wir von den Briefen auf diejenigen schließen können, an die sie gerichtet wurden, dürfte Timotheus leiden. Er leidet daran, dass die Christen – und auch er – verfolgt werden, dass sogar der geliebte Apostel Paulus im Gefängnis sitzt. Er scheint darunter zu leiden, dass Christen verfolgt werden – bis dahin, dass sie getötet werden! Damit verbunden sind Zweifel: Hat Gott in Jesus Christus gehandelt? Hat er den Apostel, hat er mich, Timotheus, eigentlich wirklich berufen? Warum lässt er uns dann leiden? Ich habe Angst davor, Jesus zu verkünden, wer weiß, was sie dann Brutales mit mir machen? Und diesen Fragen wird machtvoll entgegengesetzt:

Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.

Was für ein Wort! Dieses Wort sollte uns Christen durch alles begleiten, was wir an Leiden befürchten. Weltweit leiden viele, viele Christen unter Verfolgung, Bedrängnissen – so musste in Indien ein Pfarrer verstummen, weil die Behörden seinen Sohn als Geisel genommen haben; Benachteiligungen – so bekommen in Pakistan Christen fast nur Toiletten- und andere Reinigungsarbeiten, im Iran wurden Christen allein wegen ihres Glaubens zu mehrjähriger Haft verurteilt, in Ägypten wurde die Tochter eines christlichen Paares entführt, von den Entführern zwangsverheiratet. In Äthiopien wurden Christen von Islamisten ermordet. Diese Situationen sind nicht neu. Das sind solche Situationen wie es die Christen zur Zeit des Apostels Paulus erleiden mussten und seither immer wieder überall auf der Welt erleiden müssen. Und das macht Angst. Das wirft zweifelnde Fragen auf. Andererseits bekommen Christen in der Verfolgung Kraft, sie bekommen trotz Ängsten Mut. Sie lieben und werden besonnen. Und man fragt sich aus der Ferne: Warum geben sie nicht nach? Warum geben sie nicht auf? Eben darum, weil sie den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit bekommen haben.

Wir müssen in unserem Land solches nicht erleiden. Aber auch uns wird der Satz zu einer besonderen Kraft. Auch wir haben mancherlei zu leiden. Ein Mann sagte mir einmal: Ich hatte große Angst vor dem Leiden; aber dann, als ich mitten im Leiden und der Angst stand, habe ich die Kraft Gottes gespürt. Dann wusste ich: Ich halte durch, ich schaffe das! Manchmal schmerzverzerrt und des Leidens müde, aber ich überwinde.

Ich habe ein Video gesehen, in dem der Sänger Lou Bega – bekannt von dem riesen Hit vor ein paar Jahren: Mambo No 5 – berichtet, wie er auf einmal reich wurde. Das Leben war Party. Autos, Frauen, reisen… – doch auf einmal spürte er eine große Leere in sich. Er lernte Jenieva kennen. Auch sie versuchte alles, um in ihrem Leben glücklich zu sein, hüpfte von Weltanschauung zu Weltanschauung, von Religion und was sich dafür hielt zu Religion. Zuletzt war sie in Mexiko in einer Gruppe, die sich auf alte Maya-Riten besann. Und sie nahm Drogen – und auf einmal merkte sie, dass sie nicht mehr herauskommt. Ihr Gehirn bleibt in sich selbst gefangen. Sie hatte furchtbare Angst. Dann erzählte sie unter Tränen des Glücks, dass sie an ihre Großmutter dachte. Diese hatte ihr gesagt. Wenn du in großer Not bist, rufe Jesus um Hilfe. Und in dieser großen Not, der Todesangst rief sie: Jesus hilf! Und sie wurde befreit. Sie kam wieder zu sich, empfand einen unheimlich großen Frieden, ab diesem Augenblick war sie innerlich und körperlich geheilt. Auch der Sänger, ihr Ehemann, fand in Jesus Christus seinen Frieden.

Sie haben den Geist Gottes, den Geist der Kraft, den Geist der Liebe, den Geist der Besonnenheit erfahren. Vielleicht kennen Sie das auch, vielleicht nicht ganz so dramatisch, aber: mitten in der Angst – die Ruhe, mitten in dem inneren Aufruhr – den Frieden, mitten in den Schmerzen – mitten in den Schmerzen wurde auf einmal etwas wichtiger: die Hilfe, aber eine andere Art Hilfe, als sie es sich so erdacht hatten, eine bessere Hilfe, eine, die umfassender ist.

Als Trauerredner bin ich im gesamten Rhein-Main-Gebiet herumgekommen. Die Angehörigen einer Verstorbenen berichteten von ihrer schweren Erkrankung. Jahrelang. Was hatte diese Frau für einen schweren, schweren Leidensweg. Unvorstellbar. Man mag sowas gar nicht hören, weil es einen so erschüttert und traurig macht.  Und sie suchte bei allen möglichen Menschen Hilfe. Sie griff nach jedem Strohhalm, den man ihr bot. Sie hat eine Unmenge an Geld ausgegeben, weil man ihr Hoffnung machte, wo keine war. Sie fand dann ihren Frieden durch Nonnen, die ihr von Jesus erzählten. Sie weckten in ihr nicht falsche Hoffnungen auf Heilung. Sie halfen ihr im Glauben Kraft zu finden. Sie halfen ihr, auf Jesus Christus zu sehen, in ihm Geborgenheit zu finden – hier und jetzt, aber auch in Ewigkeit. Ich habe das Gebet, das sie begleitet hat – das mir die Angehörigen mitgegeben haben – noch immer als Kopie bei mir. In diesem heißt es:

Lieber Herr Jesus,
nimm nun meine Hände in die deinen.
Auch wenn ich in dieser Stunde wenig von deiner Macht spüre,
darf ich dennoch wissen, dass ich geborgen bin.
Ich will nun mit deiner Hilfe nicht länger ängstlich sorgen,
da ich weiß, dass du für mich sorgst und mein Leben in deiner Hand ist.
Ich weiß nicht, wie du mich führst, aber ich weiß, dass du mich führst.
Ich kann niemals tiefer fallen, als in deine Hände.
Erfülle mich mit deinem Frieden.
Lass meine Gedanken zur Ruhe kommen.
Du machst es gut.
Auch bei mir.
Ich vertraue dir und danke dir, dass ich geborgen sein darf.

Sie wurde nicht geheilt am Körper. Aber ihre Seele war geheilt, sie fand den Frieden in den Schmerzen. Sie fand Liebe zu Jesus Christus, sie bekam Kraft in dem Leiden. Der Irrsinn des Leidens wich der Ruhe, der Besonnenheit durch den Geist Gottes.

Jesus, hilf mir! Er hat ihr geholfen – sie ist zu ihm zwar unter Schmerzen, aber in Ruhe hinübergegangen in die Welt der Herrlichkeit Gottes.

Das ist es auch, was der Apostel schreibt: In all den Ängsten, dem Leiden: Schau auf Jesus Christus, er gibt Kraft, er gibt Liebe, er gibt Besonnenheit – er nimmt dich am Ende auf, denn:

Er hat durch das Evangelium dem Tode die Macht genommen

und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht.

Wir alle haben diesen Gottesgeist in uns. Den Geist der Kraft, der Liebe, der Besonnenheit. Haben wir ihn schon in uns erkannt? Geben wir ihm Raum in uns, damit er in uns herrschen kann? Haben wir ihn irgendwo in unserer Seelenecke unter dem Gerümpel des Alltags begraben?

Jesus, hilf! Hilf uns, Dich in Deinem Geist in uns zu erkennen.
Jesus, hilf! Hilf uns, Dir, Deinem Geist in uns Raum zu geben.
Jesus, hilf! Hilf, damit Deine Kraft, Deine Liebe, Deine Besonnenheit uns erfülle,
dass die Angst vor möglicher dunkler Zukunft in uns keinen Raum finde,
dass, wenn manches über unsere Kräfte zu gehen scheint, wir zu Dir fliehen,
zu deiner Kraft, Deiner Liebe, Deiner Besonnenheit. 
Jesus, hilf!

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.