Es ist gut (Genesis 1)

(Vorläufig!)

Der für den heutigen Sonntag vorgeschlagene Predigttext steht im 1. Buch Mose, dem ersten Kapitel.

Mit dem Text haben wir ein tröstendes Mutmachlied vor uns – die Schöpfung wird transparent. Sie lässt durchscheinen: es ist im Grunde alles gut – auch wenn alles Spürbare, Sichtbare, Hörbare dagegen spricht.

In welche Situation hinein wird der Text geschrieben – und aus welcher Situation heraus?

Alles liegt in Schutt und Asche. Jerusalem wurde geschleift, die Menschen ermordet, wer nicht ermordet worden war, wurde in die Sklaverei entführt. Menschen starben an den Wunden, an Erschöpfung, am Durst. Von jetzt auf gleich hörte die Selbständigkeit auf, das Planen, das Hoffen mit Blick auf die Zukunft – von jetzt auf gleich: vorbei. Vorbei, weil die Politik versagte, vorbei, weil ein böser Aggressor das Land wollte, expandieren wollte, vorbei, weil die Herrscher des fremden Landes Sklaven brauchten. Und jüdische Sklaven waren begehrt, konnten sie doch fast alle lesen und schreiben.

Aus dieser Situation heraus und in diese Situation hinein schrieb ein wunderbarer Mensch die erste Schöpfungsgeschichte die wir im Alten Testament finden. Ich lese ein paar Verse daraus vor:

Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.
Die Erde war wüst und leer,
Finsternis lag auf der Tiefe;
der Geist Gottes schwebte über dem Wasser.

Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.
Und Gott sah, dass das Licht gut war.
Da schied Gott das Licht von der Finsternis 

und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht.
Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.

Und es folgen weitere Päckchen – wiederholend, wie Refrains:
Und Gott sprach
Es geschah so
Da ward aus Abend und Morgen ein neuer Tag
Und Gott sah, dass es gut war.

Und jedes dieser Päckchen hat Überraschungen. So erschuf Gott das Universum und die Erde, Zeit und Materie, Raum und Leben. Es ist alles wunderschön: der Himmel mit seiner Sonne, dem Mond – den Sternen, die Erde, das Wasser, die Lüfte mit ihren Pflanzen und Tieren. Alles war nicht nur gut, alles ist wunderschön und gut. Was das heißt, ahnen wir noch ein wenig, wenn wir die Schönheit der Schöpfung ansehen, die Sterne, die Tiere, die Pflanzen, das Wasser, die Erde – und all die Vielfalt. Und was für eine wunderschöne Vielfalt!

Und zuletzt erschuf Gott den Menschen. Den Menschen erschuf er als Gottes Ebenbild und hebt ihn damit heraus aus all den Geschöpfen.

Den Herrschern, die das jüdische Volk versklavten, die die Menschen verachten, wird entgegengehalten: Ihr verachtet die Menschen – aber sie sind Ebenbild Gottes, Frau und Mann! Ihr missbraucht die Schöpfung, ihr zertretet das, was Gott geschaffen hat – ja, er hat uns Menschen alles übergeben – aber eben nicht, damit wir alles zerstören, sondern es hegen und pflegen an Stelle Gottes. Wir sind wie Hirten, die achten sollen auf das, was Gott uns geschenkt, ja, übergeben hat. Für das wir Verantwortung tragen! Der Text hält den Menschenverächtern einen Spiegel vor: Ihr tut nicht das, was Gott will. Ihr handelt unmenschlich – gegen Gott!

Der Text:

Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über die ganze Erde und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht. Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau. 28 Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht. Und Gott sprach: Sehet da, ich habe euch gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen, auf der ganzen Erde, und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen, zu eurer Speise. Aber allen Tieren auf Erden und allen Vögeln unter dem Himmel und allem Gewürm, das auf Erden lebt, habe ich alles grüne Kraut zur Nahrung gegeben. Und es geschah so. Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. Da ward aus Abend und Morgen der sechste Tag.

Soweit die Verse.

Wir sprechen heute von der Menschenwürde, der Würde, die jeder Mensch gleichermaßen hat. In diesem Text haben wir den Ursprung dafür: Immer wieder wurde durch die Kirchengeschichte hindurch gesagt: jeder Mensch ist Ebenbild Gottes – nicht nur, wie es üblich war – die Herrscher. Jeder Mensch, ob Mann, ob Frau! Ob schwarz, ob weiß, ob groß, ob klein, jung oder alt, jeder Mensch ist Ebenbild Gottes! Wie lange es dauert, bis sich Gottes Wille mit dem Menschen durchsetzt! Menschen hörten diesen wunderbaren Worten nicht zu. Sie haben ihre eigenen Maßstäbe errichtet – gegen Gottes Willen. Und wir erkennen so langsam, dass die Natur, die Schöpfung nicht unsere Feindin ist, die wir besiegen, unterwerfen, knechten, ausbeuten müssen, sondern alles ist geschaffen von Gott. Und Gott sah, dass es gut war.

Aber dann, so lehrt uns die zweite Schöpfungsgeschichte: Der Mensch möchte sein wie Gott. Er benutzt seinen freien Willen, den ihm Gott von Anfang an mitgegeben hat, dazu, sich von Gott zu lösen. Stolz und eigenmächtig kommt er sich vor, wenn er Gottes Willen übertritt, mächtig geht er mit Stolz geschwellter Brust durch die Welt und hinterlässt eine Spur der Verwüstung. Immer und immer.

Die wunderbaren Dichter dieser Schöpfungsgeschichten wollen Mut machen: Obgleich alles so schlimm und traurig aussieht: die Grundlage der Schöpfung ist gut. Auch wenn der Mensch sich gegen Gott auflehnt, im Grunde ist er Ebenbild Gottes. Auch wenn die gefallene Schöpfung ihre hässliche Fratze zeigt, ihre dämonischen Dunkelheiten, sie ist noch schön. Sie beinhaltet so viel Schönheit. Jede Pflanze, jedes Tier ist ein Wunder der Schöpfung Gottes. Die Schöpfungsgeschichte lehrt: Schau hin – Gott schuf jede Pflanze, jedes Tier nach seiner Art! Und die Menschen staunten – und so entwickelte sich die Wissenschaft. Wie hat der wunderbare Gott das alles so wunderbar gemacht!? Es war nicht nur wunderbar – es ist wunderbar! Mathematiker begannen die Gleichmäßigkeiten zu errechnen, Astronomen und Chemiker, Physiker und Biologen, alle erforschten an den Wundern Gottes.

Die Schöpfung ist wie ein Transparentpapier: Wir können noch vieles von dem ursprünglichen Willen Gottes sehen – aber es ist nur verzerrt wahrnehmbar. Wir müssen erst wieder lernen hinzuschauen, damit wir nicht vom Grauen, das Menschen einander zufügen, beherrscht werden.  Damit wir nicht von den Grausamkeiten bis in die Tiefe unserer Seele erschüttert werden. Ja, ja, erschüttern lassen schon – aber nicht lähmen. In die Finsternisse der Menschheit kam Gott, damit er Menschen findet, die an seiner Stelle, als seine Ebenbilder, sein Licht hineinbringen. Und das geht nun einmal nicht, wenn wir selbst verfinstern in Ängsten, in Trauer, im Erschrecken, im Zorn und im Hass, im Kriegsgeschrei.

Wie der Autor des Schöpfungsliedes sich nicht von den grausamen Realitäten unterkriegen lässt, sondern auf Gottes gute Schöpfung hinweist, so auch wir. Er lässt sich nicht lähmen von den Grausamkeiten, er stellt diesen einen wunderschönen Text entgegen. Er lässt sich nicht zum Schweigen bringen von grausamen Erfahrungen, er stellt ihnen Gottes wunderbares Handeln entgegen. Er wendet den Blick ab von allem Bösen, Schlimmem, vom Morden und Erniedrigen und wendet die Augen und Ohren hin, damit wir Gottes Handeln sehen, Gottes sprechen hören:  

Und Gott sprach – Es geschah so – Da ward aus Abend und Morgen ein neuer Tag – Und Gott sah, dass es gut war.