Jesu Auftrag und Versprechen (Matthäus 28,16-20)

Matthäus lässt uns teilhaben an einem ganz besonderen, wunderbaren Ereignis. Wir werden Augen- und Ohrenzeugen eines einmaligen Ereignisses. Der auferstandene Jesus Christus, der sich den Seinen ein paar Wochen lang gezeigt hat, wird sie jetzt verlassen. Er gibt ihnen sein Vermächtnis. Er gibt ihnen ein Licht auf den Lebensweg mit, einen Wegweiser für die unbekannte Zukunft, Kraftnahrung für die Seele.

Der Predigttext steht im 28. Kapitel des Matthäusevangeliums:

Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten. Und Jesus trat herzu, redete mit ihnen und sprach: Mir ist gegeben alle Vollmacht im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Soweit der Predigttext.

Das wunderbare Ereignis findet auf einem Berg statt. Die Menschen, die Jesus liebten, hatten soeben den anstrengenden Aufstieg geschafft, und dann sahen sie ihn: Jesus Christus. Sie knien vor ihm nieder, sie erkennen seine Herrschaft an und er spricht mit ihnen.

Christen knien nur vor Gott. Menschen knien vor allen möglichen Herren und solchen, die dafür gehalten werden. Christen knien nur vor Gott. Manche werden auch gezwungen, vor Menschen, Meinungen, Weltanschauungen zu knien – über diese Glaubenden darf niemand einen verurteilenden Richtspruch sprechen. Aber Christen knien, wenn sie klaren Verstandes und ihrer selbst sicher sind, nur vor Gott, ihrem einzigen Herren. Und wenn sie vor Gott knien, dann hören sie seine Leuchtworte, die bis heute durch die Welt strahlen.

Jesu Jünger, die Seinen sind noch traumatisiert von den schlimmen Ereignissen der Vergangenheit, von der Folterung und der Kreuzigung Jesu. Und so sind sie nun wohl starr vor Schrecken, wenn er ihnen sagt, er wird sie verlassen.

Diese Mischung aus Starrheit, Angst, Traurigkeit durchbricht Jesus mit einem Auftrag: Geht! Bewegt euch! Bleibt nicht stehen! Klebt nicht an der Vergangenheit fest – geht in die Zukunft! Geht und redet von dem, was ihr gesehen und gehört habt! Er verlangt schier Unmögliches: Diese paar ungebildeten und machtlosen Menschen sollen zu allen Völkern weltweit gehen und ihnen Jesus Christus bringen. Sie sollen sie durch die Taufe Menschen aus allen Völkern in den heiligen Bereich Gottes holen, in die Liebesbewegung von Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiligem Geist. Dazu gehört, den Völkern die Lehre Jesu nahezubringen, die Gebote Jesu, das, was er ihnen im Leben und mit seinem Leben beigebracht hat, damit die Menschenwelt eine andere wird. Die Menschenwelt soll eine werden, in der sie weltweit miteinander als Kinder Gottes leben, in der sie füreinander da sind, in der sie einander achten, in der die gesamte Natur einbezogen wird als Gleichnis für den wunderbaren Schöpfer. Eine Gemeinschaft, in der Gott nahe ist, sein Wille geschieht.

Das ist das Ziel Jesu. Aber was haben im Laufe der 2000 Jahre Menschen, die sich Christen nannten, nicht alles gemacht, um gegen Jesus zu kämpfen, um seine Liebe ins Leere laufen zu lassen! Christen verirrten sich auf den Wegen der vielen, vielen „ismen“: des Antisemitismus, des Rassismus, des Nationalismus, des Kommunismus, des Kapitalismus, Imperalismus – und wie sie alle noch heißen. Sie haben so viel Politisches wichtiger werden lassen als die Lehre Jesu, und so haben sie mit daran teilgenommen, nicht die Gemeinschaft zu fördern, sondern die Zerrissenheit. In ihrem Wahn meinten sie Gutes zu tun, vielleicht sogar Gott gefällig zu sein, haben aber nur Mord und Totschlag, Zerrissenheit und Trennung, Angst und Leiden, in ihrem Hochmut Demütigungen über Menschen gebracht, die unbeschreiblich sind. Das, was verirrte und verwirrte Christen gemeinsam mit ihren ungläubigen Zeitgenossen angerichtet haben, fällt auf die nachfolgenden Generationen zurück. Die Lehre Jesu muss im Zentrum stehen. Im Zentrum müssen stehen, das Licht der Worte Jesu, seine Gebote, die er dem Versagen der Welt entgegenstellt. Aber viele der Seinen bis in die Gegenwart hinein haben Teil an dem großen Versagen, wurden und werden schuldig, weil sie sich an die Welt anpassen, statt an Jesus Christus. Sie haben das Licht der Botschaft Jesu durch eine rußende Kerze ausgetauscht, die sie nun für das moderne Licht halten. Was wir auch an Schlimmem hören, sei es in der Zeit der Kolonisation Südamerikas, den Versklavungen von Afrikanern, das, was zurzeit aus Kanada an schlimmen Nachrichten kommen: Um aus den Eingeborenen gute kanadische Christen zu machen, hat man – zumindest sieht es im Augenblick so aus – vielfach nicht in der Liebe Jesu gehandelt, sondern mit Kälte, Härte, Grausamkeit. Tod bringend, statt Leben, Unrecht statt Recht. Und ich befürchte, dass solche Nachrichten weltweit auf uns wie ein Tsunami zukommen werden. Aber bevor wir heute mit unseren Fingern auf die Vorfahren zeigen: drei zeigen zurück. Wo passen wir uns heute an – missachten die Gebote und die Lehre Jesu? Wo leiden heute Menschen darunter, obwohl wir meinen, wir tun ihnen Gutes, nehmen ihnen aber die Freiheit, bringen Ängste, Leiden, Not? Über uns werden die kommenden Generationen richten.

Wir haben nichts weiter zu tun – und das ist die Welt zum Guten hin verändernd: Menschen in den heiligen Bereich Gottes hereinzuholen und uns an Jesu Lehre zu halten. Das ist nichts Modisches, das geht nicht mit der Zeit, so meint man. Aber der Vorwurf ist unbegründet, denn der Geist Gottes macht uns zu Kindern Gottes, die in ihrer jeweiligen Zeit handeln können und auch wunderbar gehandelt haben. Wie viele wertvolle Menschen haben in all den schlimmen Zeiten das Licht Jesu weitergetragen, waren Wegweiser auf Lebenswegen, haben Menschen aufgerichtet, Einsamen Gemeinschaft geboten, Mut gemacht, das Leben in der Kraft Jesu zu bestehen, haben anderen Lebensraum und Luft zum Durchatmen gegeben. Jesus Christus hat die Vollmacht auf Erden – aber das heißt nicht, dass die seinen seine Marionetten sind. Sie sind für ihr christliches Leben verantwortlich. Und so liegt es an jeder und jedem von uns, in Verantwortung die Worte Jesu im Leben umzusetzen. Und es wäre so schön, wenn wir es als Teil der Liebesbewegung Jesu zur Welt tun würden.

Jesu Wort endet aber nicht mit einem Auftrag, sondern mit einem großen, großen Versprechen:

Ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt.

Wenn Jesus Christus bei uns ist, so denken manche, dann müsste es uns immer gut gehen. Aber das ist alter religiöser Aberglaube. Jesus Christus hat uns nie versprochen, dass es den Seinen immer gut gehen wird. Im Gegenteil. Er hat davon gesprochen, dass sie mit Verfolgung rechnen müssen, davon, dass jeder und jede das Kreuz auf sich nehmen müssen. Jesus Christus hat uns nicht die heile Welt versprochen. Er hat versprochen, bei uns zu sein in der Welt des Unheils. Und unsere Welt ist eine, in der das Unheil immer wieder hereinbrechen kann. Der Schriftsteller und Diplomat Paul Claudel sagte: Jesus hat uns kein Leben ohne Leiden versprochen, er hat das Leiden auch nicht erklärt, aber er füllt das Leiden von uns Menschen mit seiner Gegenwart.

Jesus Christus ist bei uns. Wir sind häufig so von anderem gefesselt, dass wir es gar nicht wahrnehmen, dass er bei uns ist. Er ist bei uns. Nur wir sind so verhärtet in uns selbst, dass wir seine Gegenwart nicht wahrnehmen.

Wenn wir einsam sind – sprechen wir den Namen Jesu aus – und wir kommen in das Licht der Gemeinschaft Jesu.

Wenn wir traurig sind – holen wir Jesus als unseren Trost, indem wir seinen Namen aussprechen!

Wenn wir nicht ein und aus wissen – denken wir an Jesus Christus und gehen ganz bewusst mit ihm in unsere Zukunft.

Wenn wir von was und von wem auch immer bedrängt werden – wappnen wir uns mit dem Namen Jesu und leben dann aus seiner Kraft und Geduld und im guten Widerstand.

Wenn wir mit uns selbst unzufrieden sind, weil wir nicht unseren eigenen Maßstäben genügen – rufen wir den Namen Jesu Christ, der uns Vergebung und Wegweisung ist.

Wenn wir fröhlich sind, wenn wir dankbar sind, wenn uns das Leben leicht wird – lassen wir das Licht Jesu, die Freude über Gott, die Schönheit unseres Glaubens, in uns strahlen, lachen, atmen, singen.

Wir können es. Denn Jesus Christus, unser Herr und Heiland spricht:

Ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt.

Geht hin im Frieden.

Amen