♫ ʘ Ostern: Tremendum et fascinosum – erschreckend und faszinierend

Dieser Predigt wird der Ostertext aus dem Markusevangelium zugrunde gelegt:

Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben. Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging. Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür? Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß. Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich. Er aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten. Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingeht nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemand etwas; denn sie fürchteten sich.

Soweit der Predigttext.

Die Frauen im Markusevangelium sagen nichts weiter. Erstarrt sind sie vor Schrecken. Das Gesehene, das Gehörte geht über das Verstehen. Wenn sie das weiter sagen, werden sie für verrückt erklärt – nein, das kann doch gar nicht wahr sein, was wir soeben gesehen und gehört haben! Tremendum – das große Zittern, erschrockenes Verstummen, wenn Gott in die Welt der Menschen einbricht.

In dem Film „Auferstanden“ (Regie: Kevin Reynolds, 2016, Sony Pictures) wird die Auferstehung im wahrsten Sinne des Wortes bombastisch geschildert. Gleißendes Licht, eine riesige Lichtengel-Sonne sprengt den mächtigen Grabesstein weg. Ja, eine ähnliche Schilderung finden wir im Matthäusevangelium auch – durch die heidnischen Soldaten. Tremendum. Soldaten hingeworfen, geblendet, verwirrt, irr.

Aber neben dem Tremendum das Faszinosum, das Entzücken – ganz andere Erfahrungen durchleuchten die Evangelien, wenn Gott die Welt von uns Menschen berührt.

Es ist etwas zartes, Transparentes um die Auferstehung. Wie durch einen Schleier erkennen wir – erkennen doch nicht? Oder – erkennen wir?

Die Emmausjünger sind unterwegs von Jerusalem weg nach Emmaus. Sie sind traurig, erschüttert, Jesus war hingerichtet worden. Er hat nicht die große Revolution gebracht wie erhofft, er hat nicht das Erzittern vor Gottes Schrecken in die Welt gebracht. Alle Hoffnungen sind zerstört. Da nähert sich ihnen Jesus – Jesus unerkannt. Er redet lange mit ihnen. Sie erkennen ihn nicht, immer noch nicht. Und dann, beim Brot brechen – beim Segensspruch – als er ihnen das Brot reicht – dann erkennen sie ihn. Und als sie ihn erkennen – ist er verschwunden. Und sie erkennen: Unser Herz hat gebrannt, als er neben uns herlief – und wir haben es nicht wahrgenommen!

Jesus blieb nicht. Er ist verschwunden. Er ist nur noch in ihrem brennendem Herzen da, einem begeisterten, brennendem Herzen. In dieser Begeisterung in diesem Feuerlicht rennen sie zurück nach Jerusalem. Jesus ist nicht mehr bei ihnen – aber die Erinnerung, sein Wort, das ist bei ihnen, und sie sagen: Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!

Und dann ist er auf einmal unter den Jüngern – ein Erschrecken, Tremendum! – doch das wandelt sich in ein Faszinosum, in eine Freude: Sie hören ihn – dann entschwindet er wieder ihren Blicken. Er ist nur noch in den Worten anwesend, das die Herzen begeisterte.

Jesus begegnet vielen Menschen – aber jedem nach seiner Weise.

Maria Magdalena war am Grab und weinte, weil ihr Jesus genommen worden war, mit ihm all ihre Hoffnung. Da kam jemand auf sie zu. Sie erkannte den Jemand nicht durch den Tränenschleier hindurch. Und dann die wundersame und wunderbare Begegnung: Jesus spricht sie mit Namen an, so, wie nur er sie immer mit dem Namen angesprochen hat: Maria! Und sie erkennt, sie erkennt ihren Jesus – und dann, als sie ihn um den Hals fallen wollte, als sie ihn ehrend vor die Füße fallen wollte, sagt er ihr: Berühre mich nicht. Umarme mich nicht, halte mich nicht fest! Und er schickt sie sogar fort: Geh hin … und dann, dann ist er wieder weg. Im jubelnden begeisterten, brennendem Herzen ist er noch da. In seinem Wort, das nachklingt: Maria! – ist er noch da. Aber greifbar ist er nicht. Maria läuft und ruft den Jüngern zu: Ich habe den Herrn gesehen!

Und dann – auch eine zarte Begegnung kann äußerst schmerzhaft sein. Er begegnet den Jüngern und auch dem Petrus. Erst erkennen sie ihn nicht. Und als Petrus ihn erkennt, irgendwie erkennt, nimmt der Auferstandene den Petrus beiseite und fragt ihn dreimal: Liebst du mich? So oft, wie Petrus ihn verraten hatte. Dreimal fragte er: Liebst du mich? Petrus wird in seine verräterische Vergangenheit zurückgeführt. Ohne diese Erinnerung, ohne diese Zurückführung in seine schlimmen Taten, kann keine Heilung geschehen. Und als er zum dritten Mal ganz verzweifelt sagt: Du weißt, dass ich dich lieb habe! Schickt Jesus ihn weg: Geh, weide meine Schafe, das heißt: Geh, verkündige der Welt – Petrus geht und wie der Text sagt, er geht in den Tod der Märtyrer, in den gewaltsam herbeigeführten Tod derer, die wegen ihrer Liebe zu Jesus Christus von Menschen umgebracht werden..

Unglaublich! Unglaubwürdig! Ich will Jesus zu fassen bekommen! Er soll da sein, sichtbar, er soll mit mir reden, sich mir zeigen, ich will ihn mit meinen Sinnen wahrnehmen, damit auch mein Verstand versteht! Ja, Thomas, so denken auch wir. Und dann? Dann begegnet Jesus Christus dem Thomas. Auch hier nicht mit golddurchleuchteten himmlischer erschreckender Herrlichkeit und 1000 Engeln – er sagt: Lege deine Finger in meine Wunden. An den Wunden soll Thomas ihn erkennen. An den Wunden, die er für ihn, für mich und uns ertragen hat, Thomas. Durch die Wunden Jesu kommen dem Thomas die Erinnerungen – und in den Wunden Jesu erkennt er, von Jesus ergriffen, im Herz brennend: Mein Herr und mein Gott! Ohne seine Wunden, ohne sein Leiden am Kreuz, ohne sein Sterben können wir Thomasse ihn nicht erkennen. Wir werden zurück gewiesen, zurück zum Kreuz – und da erkennen wir, wie der Soldat, der ihn hingerichtet hat: Er ist wahrhaftig Gottes Sohn.

Und dann – auch dann – er schickt sie weg. Er selbst ist nicht mehr da, er ist nur noch in seinen gehörten Worten da, die sich ins Herz eingebrannt haben. Er ist nur doch da in seinem Geist, seinem Atem. Aber diese Worte, dieser Geist treibt an, er treibt Menschen bis heute an, jubelnd weiterzusagen: Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!

In diesem gehörten und verkündeten Wort ist er anwesend. Und er zeigt sich im Glauben. Er zeigt sich uns. Aber wir können ihn nicht festhalten. Er erscheint uns in einem zarten, faszinierendem Glaubenslicht, das Herz entbrennt in Schrecken vielleicht, in Staunen vielleicht, in Liebe vielleicht, in einem Ausruf des Glaubens vielleicht – und aus dieser Begegnung im Glauben leben wir und rufen aus: Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden.

Nicht der Glaube an die Auferstehung Jesu Christi geht voran – der Auferstandene begegnet Menschen, dann folgt der Glaube. Sicher nicht automatisch; es bleibt: in Freiheit. Wir sind ihm auch begegnet, er begegnete auf der uns eigenen Weise.

Wie den Frauen – doch sind wir im rätselnden Schrecken stecken geblieben,

wie den Emmausjüngern – doch haben wir dann vielleicht nur Kopf schüttelnd gemurmelt: Ein interessanter Mensch;

wie der Maria Magdalena – doch haben wir im Tränenschleier der Trauer dann vielleicht nur geseufzt: was für ein sonderbares Erlebnis, woher wusste der meinen Namen?

Wie dem Petrus – doch haben wir uns vielleicht gesagt: Meine Schuldgefühle spielen Spielchen mit mir.

Wie dem Thomas – doch haben wir vielleicht ausgerufen: einfach nur irre!

Ja, wir sind ihm wirklich schon längst begegnet. Nachdem das alles passiert war, sagt der Apostel Paulus: Das mit der Auferstehung ist eine verrückte Sache. So verrückt, dass kluge Menschen darüber spotten, so verrückt, dass Menschen, die in ihrer Religion und Weltanschauung stecken, sich darüber lustig machen.

Das geht so lange, bis sie dem Auferstandenen selbst begegnen. Selbst. Begegnen in dem Wort der Predigt, in dem Lied: Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!

Alles nur ein Traum? Die Wirkung ist immens. Dieser Ruf hallt durch die letzten 2000 Jahre hindurch. Er erinnert uns an die zartesten, erstaunlichsten, faszinierendsten Begegnungen, die es wohl je gegeben und mit hilflosen Worten versucht hat wiederzugeben. Nicht alle Glaubenden haben diese Begegnung gehabt. Die nicht fassbaren, die unfassbaren Begegnungen. Aber das Wort derer, die ihm begegnet sind, vibriert in ihren Herzen weiter, es entbrennt in Herzen.

Ich glaube, wenn ich gestorben bin, wird es eine erstaunte Begegnung. Eine Begegnung, wie sie die Emmausjünger und Maria Magdalena hatten. Jesus Christus wird in dieser Begegnung meinen Namen nennen, ich werde ihn in der Begegnung erkennen: und wie Thomas sagen: Mein Herr und mein Gott! Er selbst wird es sein, der in mir diesen Ruf hervorruft. Die Begegnung mit ihm wird mich, sie wird uns auferwecken. Jeden Menschen nach seiner ihm ganz besonderen Art und Weise – vielleicht tadelnd wie bei Petrus: Liebst du mich? Ja, ja, ich liebe dich!

Jesus Christus begegnen bedeutet auf jeden Fall: auferstehen. Auferstehen ins Leben. Schon jetzt.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

„Der Gekreuzigte ist der Auferstandene
der Auferstandene ist der Gekreuzigte.“

Jubelnd verhaltene Freude.
Tränenspuren glänzen noch auf der Wange.

Herrlich ergreifendes Leben,
tief unten schluchzt das Trauma des Todes.

Das Friedenswort Schalom – befriedet und beruhigt,
doch noch sticht der Schmerz Seele und Gedärm.

Aufstrahlt der Lebendige, aufstrahlt der Geliebte –
erschütterte, enttäuschte Hoffnung vibriert noch nach.

Jesus, der Christ ist da, wieder da, für ewig da.

Schalom. Ich saug es auf wie dürres Land.
Schalom, Jesus, Schalom.

In diesem Frieden, den Jesus Christus uns schenkt, beten wir, wie er es uns gelehrt hat:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

Geht mit dem Segen des Herrn:

Auferstehung bedeutet:
Wir können der Zukunft ins Gesicht schauen.
Ohne Angst, mit Freude.
Ihr Gesicht heißt:
Jesus Christus.
Halleluja!

Es segne Dich und behüte Dich, Gott Vater, Gott Sohn, Gott Heiliger Geist. Heute, morgen und allezeit. Amen