Römer 8,1-11: Gottes Geist in uns

Der für den heutigen Pfingstsonntag vorgeschlagene Predigttext steht im Römerbrief im 8. Kapitel:

So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind.
Denn das Gesetz des Geistes, der lebendig macht in Christus Jesus,
hat dich freigemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes.

Wenn aber Christus in euch ist,
so ist der Leib zwar tot um der Sünde willen,
der Geist aber ist Leben um der Gerechtigkeit willen.
Wenn nun der Geist dessen,
der Jesus von den Toten auferweckt hat,
in euch wohnt,
so wird er,
der Christus von den Toten auferweckt hat,
auch eure sterblichen Leiber lebendig machen durch seinen Geist,
der in euch wohnt.

Soweit der Predigttext.

Der Geist Gottes wohnt in uns. Wir haben einen Mieter in unserem Haus, und dieser Mieter hat es in sich. Holen wir uns erst einmal Erkundigungen über unseren Mieter ein.

Schon in den ersten Zeilen der Bibel bekommen wir Informationen über den neuen Mieter, den Geist Gottes. Er schwebte über den Wassern – und die Welt wurde erschaffen. Die Bibel nennt den Geist „Ruach“ oder „Pneuma“. Das bedeutet: Wind, Atem, Geist, Duft. Nun wissen wir, wer unser Mieter ist: Der Heilige Geist ist der Atem, der Hauch Gottes. Und da, wo Gottes Atem, Gottes Hauch wirkt, da wird es lebendig. Die Welt wurde durch Gottes Atem und Kraft erschaffen, der Mensch bekam den Atem Gottes – und begann zu leben, und so hat alles Lebendige sein Leben aus dem Geist Gottes, hat alles seine Kraft aus Gottes Atem. Und wenn Gott seinen Atem wegzieht? Dann stirbt alles.

Aber Gottes schöpferischer Atem bewirkt noch etwas: Es bewirkt die Gesetzmäßigkeit, er wirkt die guten Gesetze. Alles läuft nach einem bestimmten Muster ab. Die Kraft Gottes hält die Planeten und Sterne in ihren Bahnen, der Geist Gottes gibt Gesetze, damit die Menschen in Gottes Ordnung leben und miteinander auskommen können.

Der Geist Gottes ist in der gesamten Schöpfung am Wirken. So finden wir ihn auch in anderen Religionen, in anderen Weltanschauungen, wir finden ihn im allgemeinen Zusammenleben der Menschen – überall sind noch Spuren des Gottesgeistes da, denn sonst hätten wir Menschen uns und die Erde schon längst zerstört. Überall wo es Dankbarkeit, Freude am Schönen, Freude an den guten Ordnungen gibt, Liebe, Freiheit und Gerechtigkeit, da ist der Geist Gottes am Wirken. Der Geist Gottes ist etwas wirklich etwas wunderbares.  

Doch sprechen Christen auch vom „Heiligen Geist“ – von einem besonderen Geist. Das bedeutet, dass nicht nur Spuren vom Geist Gottes vorhanden sind, sondern dass Gott selbst aufgenommen wird und wirksam wird. Und diesen Heiligen Geist – Gott selbst – haben wir als Mieter in uns wohnen. Doch bevor wir uns freuen – wir haben uns zu früh gefreut, denn es gibt noch weitere Mieter in unserem Haus. Diese Mieter sind ganz fiese Typen. Sie haben uns, den Vermieter, ganz in der Hand. Sie machen mit uns, was sie wollen. Und da weiß jeder von uns ein Klagelied zu singen. Was tun wir nicht alles, das uns hinterher Leid tut? Wie viel versteckte Bosheit steckt in uns, die wir sogar nicht mehr merken? Wie viel Leid bringen wir über andere, weil wir denken, wir seien im Recht oder hätten das Recht dazu – dabei guckt uns das Böse aus allen Knopflöchern! Wie gerissen diese Mieter sind, zeigt sich an vielen von uns: Haben sie nicht auch schon beobachtet, dass Menschen etwas gegen die Gott haben, weil er Verhaltensmaßstäbe vorgibt? Welcher Frauenheld mag schon vorgehalten kriegen, dass sein Verhalten gegen Gottes Willen ist? Welcher Geizigkragen mag schon zu hören bekommen, dass Gott möchte, dass wir teilen? Ein Mensch, der durch einen Embryo seine Lebensplanung durcheinander geworfen sieht – mag der gerne hören, dass es sich mit den gezeugten Zellverbindungen von Anfang an um einen Menschen handelt? Wer von uns mag schon zugeben, dass sein Leben in vielen Dingen von diesen schlimmen Mietern bestimmt ist? Nein, man sucht sich seinesgleichen und kämpft gegen Gottes Regeln an, bis man selbst daran glaubt, dass der eigene böse Wille richtig ist. Ein Mensch mit finsterem Herzen und Sinn kann Reinheit, kann Schönheit, kann Gutes, Ruhe und Frieden, Lebendigkeit, kann Heiliges, Göttliches nicht vertragen. Und so leben wir, wie Paulus sagt, unter dem Gesetz der Sünde und des Todes.

Weil der Mensch so hoffnungslos arm dran ist, schenkte Gott uns einen guten Mieter, den Heiligen Geist. Der Geist Gottes ist wirklich eine wunderbare Kraft. Und diese wunderbare Kraft, dieser Mieter möchte unsere Chaoswohnung in seine Hand bekommen. Schritt für Schritt möchte er reinemachen. Hier gibt es keinen Mieterschutz für die bösen Mieter, die uns immer wieder ins Chaos treiben. Schritt für Schritt werden sie hinausgeworfen aus unserem Haus. Das einzige Problem sind wir selbst. Oh, wie sehr mögen wir doch auch den ein oder anderen bösen Mieter. Wir hängen an ihm. Und da lassen wir den Geist Gottes nicht hin. Und dann wirft er ihn auch nicht raus. Doch irgendwann merken wir: Sollten wir den guten Mieter doch nicht auch in diese Schmuddelecke lassen? Und wenn wir das zulassen, dann räumt er auch dort auf. Aber manchmal sind die bösen Mieter endlich raus geworfen – wir gehen aus dem Zimmer, und dann kommen sie wieder durchs Fenster rein! Und alles Chaos beginnt wieder von neuem. Diese Mieter sind hartnäckig böse. Doch wir brauchen nicht aufgeben: Wenn der Geist Gottes in uns aufräumt, auch dann kann es sein, dass alles seine Zeit braucht. Und wenn die bösen Mieter zum hundertsten Mal wieder eingebrochen sind: Seien wir nicht traurig, denn wenn der Heilige Geist aufräumt, dann kann uns alles, auch dieser Einbruch nur Gott näher bringen: Mit dem Heiligen Geist gegen diese Mietermächte gekämpft, führt er uns trotz Rückschlägen immer nur Gott näher.  

Der gute Mieter hat noch etwas, das er uns schenken kann: Leben. Ewiges Leben. Und weil Gott uns diesen Geist, den Geist des Lebens, in Jesus Christus gegeben hat, darum werden wir auch nach unserem Sterben nicht dem Tod verfallen sein, sondern ganz im und durch den wunderhaften Atem Gottes leben. Das ist nicht nur Zukunft, sondern hat schon begonnen, weil wir den Geist Gottes jetzt schon haben. Weil wir vom Geist bestimmt sind, sind wir nicht mehr abhängig vom Gesetz der Sünde aber auch nicht mehr vom Gesetz des Todes. Mit diesem Mieter, mit dem Heiligen Geist, werden wir anders, wie Paulus schreibt: Die Frucht aber des Geistes, des Atems Gottes ist:

Liebe,
Freude,
Friede,
Langmut,
Freundlichkeit,
Güte,
Treue,
Sanftmut,
Keuschheit.

Wenn Sie Regenkleidung imprägnieren, wenn Sie mit scharfen chemischen Mitteln das Bad reinigen, dann möchten Sie am Liebsten die Luft anhalten. Sie merken, Sie atmen etwas ein, das Ihnen nicht gut tut. Sicher, Sie müssen atmen, damit sie am Leben bleiben, aber sie wissen gleichzeitig, dass Sie Übles vielleicht gar Zerstörerisches mit einatmen. So ist unser Leben auch in Beziehung auf den Atem Gottes. Wir leben aus dem Geist, dem Atem Gottes, aber wir atmen gleichzeitig soviel ein, von dem wir wissen, dass es uns auf längerer Sicht zerstört. So geht es allen Menschen, die sich nicht direkt der frischen Luft des Geistes Gottes aussetzen, sondern lieber in ihrem alten Mief leben. Das Zusammentreffen mit zänkischen und ständig nörgelnden Menschen ist zum Beispiel so was. Ständig atmen wir diese üble Stimmung ein – sie macht uns ganz krank. Oder wir leben vom Fernsehen, wir atmen ständig Fernsehen ein, oder wir leben von PC-Spielen und unser Leben atmet in diesen PC-Spielen, oder wir hören ständig Musik, unser Leben atmet mit dieser Musik – und auf Dauer fühlen wir uns müde, krank, schwach, ohne Spannung, nervös, haben keine Lust, uns zu entscheiden. Was wir täglich einatmen an Gefühlen, an Stimmungen, das bestimmt uns. Wenn wir nur Verderben ansehen, erniedrigte Menschen, Mord und Totschlag, aggressive Musik und anderes – dann werden wir wie das, was wir in unserem Leben einatmen. Und wenn wir nur Seichtes einatmen – glauben wir, wir können tiefgründig denken und leben? Wer Angst hat vor dem Nachdenken, der wird es bald nicht mehr können – und auch bald nichts von dem mehr verstehen, was in der Welt wirklich wichtig ist. Der neue Mieter, der Geist Gottes ist nichts Verstandloses, kein Ruhekissen. Er fordert uns heraus! Und wer ständig nörgelt, andere anmacht, jedes Haar in der Suppe entdeckt, glauben Sie, der kann noch die Schönheit der Welt, das Gute im Menschen, sehen, kann noch dankbar gütig, geduldig und freundlich sein? Wer nur darauf aus ist, dass andere ihn bewundern, ihm dienen, auf ihn zugehen, ihn umhegen – glauben Sie, der kann noch kräftig aus dem Geist Gottes leben, lieben, treu sein? Darum müssen wir aufpassen, welche Luft wir einatmen: den sündigen Mief oder den frischen Wind Gottes. Darum müssen wir aufpassen, dass wir die bösen Mieter nicht immer wieder ins Haus lassen, sondern Gottes guten Geist.  

Und wie atmen wir im frischen Wind Gottes – trotz aller Widerwärtigkeiten und trotz Ärgernissen? Hier hat Paulus besondere Tipps, und die gibt er uns im Text, der dem Predigttext folgt:

Tipp 1:

Wer den Geist Gottes hat ist Gottes Kind, denn er nennt Gott „Vater“. Wer in dieser Luft Gottes lebt, ihn als „Vater“ anruft, in seiner Kraft lebt, der kann den sündigen Mief nicht mehr leiden und atmet die frische, sanfte, helle Luft Gottes. Wie wunderbar hell wird die Wohnung des Herzens, wenn der Geist Gottes sie bestimmt! Denken Sie daran, wenn wir gleich das Vater-Unser beten.

Tipp 2:

Musst du durch andere in diesem Mief leben, dann seufze mit dem Atem Gottes und sehne dich nach der Herrlichkeit Gottes, atme Leben, statt Vergänglichkeit, schau auf Gottes Wirken in der Welt und an dir selbst. Indem wir uns an Jesus binden, seine Worte lesen, sie zu tun versuchen – all das wendet unseren Blick vom Tod weg – hin zum Leben! Auf Gott schauen, das kannst Du, indem du betest. Beten heißt nichts anderes, als sich und die Welt dem Geist Gottes öffnen, heißt: Verbindung herstellen mit der Kraftquelle.

Tipp 3:

Oft kann die Kraft Gottes, Gottes frischer Wind, nicht mehr zu uns durchdringen. Wir sind nämlich solche ungemütlichen Zeitgenossen, wir sind neidisch, gierig, misstrauisch und Miefköpfe, mürrisch und bissig, verkriechen uns in unserer dreckigen Herzenswohnung. Wenn wir das erkennen und ändern wollen, dann kann der Wind Gottes wieder durch die Wohnung wehen und saubermachen. Endlich saubermachen. Komm, Heiliger Geist.

Der Welt Gottes, dem frischen Wind Gottes in unserer Wohnung Raum lassen – darauf kommt es an, damit wir dann auch im Geist leben. Und wenn das geschieht, dann lebt auch die Gemeinde. Denn der Geist Gottes will uns alle durchpusten, alle gemeinsam.