Römer 12: Sich hingeben

Der für den heutigen Sonntag vorgeschlagene Predigttext steht im Brief des Paulus an die Römer im 12. Kapitel. Der Apostel schreibt in fünf Strophen:

1. Strophe:

Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes,
dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer,
das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist.
Das sei euer vernünftiger Gottesdienst.

2. Strophe:

Und stellt euch nicht dieser Welt gleich,
sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes,
damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist,
nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.

3. Strophe:

Denn ich sage euch durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch,
dass niemand mehr von sich halte, als sich´s gebührt zu halten,
sondern dass er maßvoll von sich halte, ein jeder,
wie das Maß des Glaubens ausgeteilt hat.

4. Strophe:

Denn wie wir an einem Leib viele Körperteile haben,
aber nicht alle Körperteile dieselbe Aufgabe haben,
so sind wir viele ein Leib in Christus,
aber untereinander ist einer des anderen Körperteil.

5. Strophe:

Wir haben verschiedene Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist.
Ist jemand prophetische Rede gegeben, so über er sie dem Glauben gemäß.
Ist jemand ein Amt gegeben, so diene er.
Ist jemand Lehre gegeben, so lehre er.
Ist jemand Ermahnung gegeben, so ermahne er.
Gibt jemand, so gebe er mit lauterem Sinn.
Steht jemand der Gemeinde vor, so sei er sorgfältig.
Übt jemand Barmherzigkeit, so tue er´s gern.

Soweit der Predigttext.

In den ersten beiden Strophen kommt ein eigenartiges Menschenbild in den Blick. Die Glaubenden werden aufgefordert, ihre Leiber Gott als Opfer hinzugeben – aber nicht nur als Opfer, sondern dieses sei lebendig, heilig und Gott wohlgefällig. Wenn Paulus von „Opfer“ spricht, dann verwendet er Kultsprache. In der Zeit, in der Paulus seinen Brief geschrieben hat, waren Opfer etwas alltägliches. Wenn geschlachtet wurde, dann hauptsächlich am Tempel, als Opfer. Dieses Fleisch wurde dann zu den Mahlzeiten verzehrt. Es gab aber auch besondere Opfer. Und diese Opfertiere mussten ohne Makel sein. Sie mussten Tiere sein, die der Gottheit angemessen waren. Makellos. Wenn sie nicht makellos gewesen wären, hätte, so die Vorstellung, die Gottheit das Opfer nicht angenommen. Paulus spricht von Glaubenden auf den ersten Blick wie von Opfertieren. Wie kommt er dazu? Die Gemeinde kannte zu dieser Zeit schon einige hingerichtete Nachfolger Jesu. Jesus selbst wurde zum Opfer, und nach ihm wissen wir bis 50 nach Christus von Stephanus, vom Apostel Jakobus – und Paulus selbst hat möglicherweise in seiner vorchristlichen Zeit dazu beigetragen, dass Christen getötet worden sind. Märtyrer, Märtyrer sind heilig, Gott wohlgefällig. Und jeder Christ hatte zu vergegenwärtigen, dass er getötet werden könnte. Uns ist das weitgehend aus dem Blick geraten. Doch wieviel Christen wurden in dem vergangenen Jahr getötet? Menschen, die sich vom Islam oder vom Hinduismus Jesus Christus zugewandt haben, Menschen, die Bibeln verteilt haben, Menschen, die in Gemeinden Gottesdienst gefeiert haben; Menschen, die in unseren verblendeten Augen den Scheinfrieden gestört haben, indem sie anderen von Jesus Christus erzählten. Einige Namen kennen wir. Aber nur dann, wenn sie Pfarrer oder Missionare waren. Die unzähligen anderen Christen kennen wir nicht. Heilige sind sie. Märtyrer. Menschen in der Nachfolge Jesu Christi.

Aber Paulus spricht eigenartig. Ich weiß nicht, ob es ihnen aufgefallen ist: Paulus spricht davon, dass Glaubende ihre Leiber als lebendiges Opfer hingeben sollen. Das gibt es eigentlich gar nicht. Was bedeutet das? Das wird in der zweiten Strophe ausgesprochen: Lebendige Opfer sind die, die sich nicht der Welt gleichstellen, die, die Gottes Willen tun, weil sie ihm gehören. Was bedeutet das schon wieder?

Zur Weihnachtszeit finden wir in manchen Vorgärten – ich nenne sie mal so – Lichterblumen. Da wird ein Metallstab in die Erde gesteckt, es befinden sich Lämpchen am Ende der Drähte und diese werden mit einer Steckdose verbunden. Im Winter ist es früh dunkel. Es ist kalt. Und diese Lichterblumen strahlen in der Dunkelheit Licht und ein wenig Wärme aus. Sie sind in Kälte und Dunkelheit Boten des Lichts und der Wärme. Sie passen also gar nicht in diese finsterkalte Welt. Sie sind anders. Aber sie sind nicht anders aus sich selbst heraus, sondern weil sie mit einer Energiequelle verbunden sind. Das erklärt, was Paulus meint, wenn er sagt, dass Glaubende sich nicht der Welt gleichstellen sollen. Glaubende werden durch den Heiligen Geist mit der Energie Gottes verbunden, und so können sie Lichter sein in der finsterkalten Welt. Würden sie sich anpassen an die Vorgaben ihrer Mitmenschen, dann würden sie verlöschen. Da aber Gott ihre Energiequelle ist, leben sie in dieser Welt anders, sehr anders. Sie versuchen Gottes Licht in dieser Welt zu sein, indem sie das Gute tun, das Wohlgefällige, das Vollkommene. Doch was ist das Gute, Wohlgefällige, Vollkommene? Das erläutert Paulus in den folgenden Strophen und kurzen Verhaltensmaßstäben, die ich nun vorlese:

Die Liebe sei ohne Falsch.
Hasst das Böse, hängt dem Guten an.
Die brüderliche Liebe sei herzlich.
Einer komme dem andern in Respekt zuvor.
Seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt.
Seid brennend im Geist.
Dient dem Herrn.
Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet.
Nehmt euch der Nöte der Heiligen an.
Übt Gastfreundschaft.
Segnet, die euch verfolgen; segnet und verflucht nicht.
Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden.
Seid eines Sinnes untereinander.
Trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern haltet euch zu den geringen.
Haltet euch nicht selbst für klug.
Vergeltet niemand Böses mit Bösem.
Seid auf das Gute bedacht gegenüber jedermann.
Ist´s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.

Die Verhaltensaufforderungen gehen weiter. Aber es wird deutlich, worum es geht. Und tatsächlich: Wenn Glaubende tun, was Paulus fordert: Gottes Willen tun, das Gute, Wohlgefällige, Vollkommene, dann sind sie solche Lichter in der finsterkalten Welt. Solche Lichter stören andere. Andere, die die Finsternis, die Gewalt, den Spott, die Beschimpfung lieben, in ihnen verharren. Vor allem stört es sie, dass es sowas gibt: Menschen, die von Gott ihre Energie empfangen, leuchten, wärmen. Und sie tun alles, um diese Lichter zu zertreten. Leider ist es in unseren Bereichen so, dass nicht allein Außenstehende die Lichter stören, sondern in der Kirche selbst die Lichtaustreter wirken. Die Bibel wird missachtet, klug aber falsch gedeutet, anderen vorenthalten aus falscher Rücksichtnahme; das Gebet wird Formel und ernstes Gebet wird bagatellisiert, unser Christenleben besteht aus Klage, Anklage; wir passen uns der Welt an, indem wir Geld, Geld, Geld schreien und von Geld träumen; indem wir uns selbst der Nächste sind – ich brauche das alles nicht weiter ausführen. Wir wissen selbst, was uns und unsere Kirche bestimmt. Das alles darf nicht sein, wenn wir an Gottes Energiequelle angeschlossen sind. Gott ist unser Herr, nicht der Zeitgeist! Jesus Christus ist unser Leben, und nicht das Geld! Der Heilige Geist will unser Herz mit Freude unseren Mund mit Lob füllen – statt mit Klage, Anklage, Vorwürfen. Aber all das Negative, Traurige braucht Menschen, die den Paulusbrief lesen, nicht stören. Für sie gilt, wie für die Glaubenden, die in vielen Ländern an Leib und Leben bedroht sind nur eins:

Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes,
dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer,
das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist.
Das sei euer vernünftiger Gottesdienst.
Und stellt euch nicht dieser Welt gleich,
sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes,
damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist,
nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.