Wirklich wichtig (Markus 8,31-38)

Wir verkündigen nicht Krieg.
Wir verkündigen nicht weltlichen Frieden.
Wir verkündigen nicht Katastrophen
auch nicht Wohlergehen.
Wir verkündigen Dich, Gott, in Jesus Christus.
Du, Gott für uns. Gott mit uns. Wir in Dir, Gott.
Du, Gott, unsere Sehnsucht und Hoffnung.
Du, Gott, unsere Tatkraft und Zukunft .

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Der für den heutigen Sonntag vorgeschlagene Predigttext steht im Markusevangelium im 8. Kapitel:

Jesus fing an zu lehren: Der Menschensohn muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen. Und er redete das Wort frei und offen. Petrus nahm ihn beiseite und fing an, ihm zu wehren. Jesus aber wandte sich um, sah seine Jünger an und bedrohte Petrus und sprach: Geh hinter mich, du Satan! Denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist. Und er rief zu sich das Volk samt seinen Jüngern und sprach zu ihnen: Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben behalten will, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird’s behalten. Denn was hilft es dem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen und Schaden zu nehmen an seiner Seele? Denn was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse? Wer sich aber meiner und meiner Worte schämt unter diesem ehebrecherischen und sündigen Geschlecht, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er kommen wird in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln.

Soweit der Predigttext.

Eins ist wichtig. Nur eins:
Sich zu Jesus Christus und seiner frohen Botschaft zu bekennen vor den Menschen.
Sich zu Jesus Christus zu bekennen, der verfolgt und hingerichtet werden wird, verachtet von den Menschen.
Sich zur frohen Botschaft bekennen, die von Menschen verächtlich und lächerlich gemacht wird, geleugnet und missachtet wird.
Das aber ist wichtig. Nur das.

Wenn wir ehrlich sind: Uns ist alles andere wichtiger als das: Sorgen um uns und unsere Lieben beschäftigen uns, verschiedenste sexuelle Prägungen und Formen des Zusammenlebens werden ins Zentrum des Kollektivs gestellt, dazu Klima, Krankheit, Krieg. Wir können es noch vielfach ergänzen: Alles ist wichtiger als Jesus Christus – und sei es das neue Gassi-Gehen-Gesetz mit den Hunden. Die Zeitungen sind voll davon. Unsere Gemeinden reden von nichts anderem mehr. Sie füllen unsere Köpfe bis zum Zerplatzen. Auch machen Angst und Sorgen sich breit, um sich selbst, die Gesellschaft, die Menschen in der Welt: Was wird werden? Wie wird es weiter gehen? Was ist, wenn Leiden das normal erträgliche Maß übersteigt? Und da hat dann kein Raum mehr in unseren Gedanken das, was Jesus Christus uns sagt: Bekennt euch vor den Menschen zu mir.

Wer will das denn heute auch noch hören?
Niemand?
Ich bin mir da nicht so sicher.
Wenn wir nur auf unsere Mitmenschen hören, sie beachten, nicht so, wie sie scheinen, wie sie sich darstellen, sondern wie sie sind: wie groß ist die Einsamkeit, die Lebensleere. Wie viele haben ihre Hoffnungen verloren; wie viele werden von der Politik und von Interessengruppen, Mehrheiten wie Minderheiten gedemütigt, herumgetrieben. Wie viel Menschen leben einfach so vor sich hin, weil das Leben dann leichter zu ertragen ist. Wie viele fühlen sich angesichts all der prahlerischen Stärke ganz klein, sie verstummen, weil um sie her alles laut ist. Manche begehren auf, wollen sich das nicht gefallen lassen, werden dann aber sofort gedeckelt, verleumdet – und resignieren. Menschen werden hierhin und dorthin getrieben, wie beim Blindekuhspiel – sie werden gedreht, damit sie nicht mehr wissen, wo sie sind und wer sie sind.  Menschen brauchen Jesus. Menschen wollen Jesus Christus. Aber wir Menschen sind verwirrt, durcheinander. Wir wollen dies und das, wollen das, was wir nicht wollen, wollen nicht, was wir wollen. Und so heißt es: Ich brauche Jesus Christus – und gleichzeitig rufen wir: Bleib mir bloß weg mit ihm. Wir wenden uns ab, wollen selbst alles machen, uns aus der Einsamkeit am eigenen Können herausziehen, wollen selbst für unsere Schuld und Sünde gerade stehen, wollen selbst mit anderen klarkommen, wir versuchen dadurch, dass wir andere für unser Leben verantwortlich machen, uns für unser eigenes Versagen zu rechtfertigen – und merken doch: Es geht nicht. Es geht wirklich nicht. Wir hetzen hinter allen möglichen seichten Dingen hinterher, die uns ein wenig Frieden versprechen – doch kaum verhallt das Wort, verweht ein schöner Duft, die wunderbare Melodie – und wir sind wieder friedlos, allein, einsam. Unter uns Menschen gibt es so furchtbar viel Leiden. Und wenn wir Menschen selbst nicht leiden, dann leiden wir daran, dass es Leiden gibt.

Menschen sind gefüllt mit irgendwelchen Luftblasen, sie wollen etwas bekommen für ihr Leben, das wirklich wichtig ist. Sie wollen, wie es so schön heißt, Menschen, die authentisch sind, die leben, was sie glauben. Die glauben, was sie sagen. Die Wahrheit sagen. Sie wollen Christen, wahre Christen, die ihren Glauben fröhlich leben.

Freilich: Nicht alle brauchen das. Jesus Christus hatte und hat viele Feinde. Feinde, die Menschen von Jesus Christus fernhalten wollen, die massiven Lärm machen, damit Jesu Botschaft nicht die einsamen Herzen, die kranken Seelen, die in sich verkrümmten Körper erreicht. Feinde, die mit allen möglichen Mitteln Menschen von Christus abhalten. Und weil wir selbst als Christen alles lieber mögen als Jesus Christus und seine frohe Botschaft, flüchten wir uns in alle möglichen Themen hinein. Wie Schafe, die keinen Hirten haben, wie Jesus sagte. Manche sind aber auch Feinde, ja, auch unter den Nachfolgern Jesu – die Petrusse, die Menschen vom Weg Gottes abhalten wollen: Dürfen wir ihnen wie Jesus zurufen: Weicht von ihnen, Satane!? Denn sind wir es nicht selbst, denen wir das zurufen müssten?

Und so können wir uns nur hinstellen wie Petrus sich wohl gefühlt haben mag: Niedergeschlagen, traurig, verwirrt, wütend, irgendwie außer uns selbst, weil wir Jesus nicht verstehen. Wenn wir dieses Wort Jesu annehmen, für uns selbst annehmen: Weg mit dir, Satan, geh hinter mir her! Dann leiden wir. Wir leiden furchtbar. Wir Petrusse.

Jesus Christus nimmt nicht das Leiden. Und so ist unser Text gefüllt mit Worten, die davon sprechen, dass Nachfolge Leiden mit sich bringt. Es ist vom Kreuz tragen die Rede, vom verlieren des Lebens, vom Leiden, von Tötung, vom Tod. Aber das Leiden in der Nachfolge Jesu ist ein anderes Leiden. Wir haben in Jesus Christus einen wunderbaren Herrn, einen Hirten, der vorangeht, den wir lieben; einen Bruder, dem wir am Herzen liegen, einen Freund, der uns auch zurechtweist. Und darum ist es ein anderes Leiden.

Es ist nicht das leere Leiden, das ohne Zukunft ist, sondern es führt tiefer in Gottes Arme hinein.
Es ist nicht das Leiden, das zur Verzweiflung führt, sondern zur Herrlichkeit.
Es ist nicht das Leiden, das lähmt, sondern zum Leben führt.
Es gibt ein Leiden zum Tod.
Es gibt aber auch ein Leiden zum Leben, zur Herrlichkeit.
Es gibt ein Leiden, in dem der Mensch sich verliert.
Es gibt aber auch ein Leiden, in dem der Mensch nur Jesus Christus gewinnen kann.
Ein Leiden mit und für Jesus Christus führt zum Gewinn, zum Leben, zur Herrlichkeit – kurz: führt zu Jesus Christus, unseren Herrn.
Wir fürchten Leiden, welcher Art auch immer,
wir flüchten Leiden, welcher Art auch immer.
Das Leiden für und mit Christus darf nicht schön geredet werden.
Es ist und bleibt ein Leiden.
Aber es ist ein Leiden, in dem er uns nahe ist, in dem er gegenwärtig ist, in dem er vorangeht und uns wie ein guter Hirte im Blick hat.

In Anlehnung an den Apostel Paulus möchte ich es so formulieren:

Wir, die wir zu Jesus Christus gehören, sind Kinder des Lebens.
Wir sind niedergeschlagen –
aber Jesus richtet uns wieder auf.
Wir sind wie gelähmt –
aber Jesus erhebt uns und geht mit uns in die Zukunft.
Wir sind wütend –
aber wir übergeben Christus die Kraft unserer Wut zum Guten.
Wir sind erschrocken –
aber geborgen in Jesus kann kein Schrecken uns besiegen.
Wir zweifeln an uns selbst –
aber wir lernen, uns anzunehmen, weil Christus in unseren Herzen wohnt.
Wir haben keine Lösungen für viele Probleme –
aber wir versuchen es wieder und wieder, denn Jesus ist unsere Kraft.
Wir haben keine Antworten auf unsere Fragen –
aber wir werden nicht müde zu fragen und Antworten in Christus zu suchen.
Wir sind hilflos –
aber wir gehen hilfreich miteinander um, weil Jesus auch uns liebt.
Wir werden herausgefordert –
wir nehmen die Herausforderungen an, weil wir hinter Christus hergehen und er geht mit.
Wir geben nicht auf – denn wir wissen, warum:
Wir sind Kinder des Lebens, Kinder Gottes.

Und das ist die frohe Botschaft Jesu: Nicht, dass er das Leiden nimmt. Die frohe Botschaft, die uns weiterzugeben aufgetragen wurde lautet: Jesus Christus ist mit uns – hinter ihm gehen wir her und mit ihm durch unser Leiden hindurch ins Leben, in die Herrlichkeit Gottes.

Eins ist wichtig. Nur eins: Jesus Christus und sein Evangelium. Das aber ist wichtig. Nur das. Zum Glück.