Gebadet im Wasser der Heilung (2. Könige 5)

Der für den heutigen Sonntag vorgeschlagene Predigttext steht im 2. Buch der Könige im 5. Kapitel.

Elisa heilt den aramäischen Feldhauptmann Naaman

Das ist eine Geschichte! Naaman, der Offizier des Königs, muss ein bemerkenswerter Mensch gewesen sein, einer, der zu seinen Untergebenen, zu seinen Sklaven und Sklavinnen gerecht war. Sie sind es, die ihn dazu bringen, dass er geheilt wird. Welcher Sklave würde sich um einen üblen Herrn kümmern? Bemerkenswert ist auch, dass sich in dieser Zeit ein Offizier von seinen Untergebenen dazu überreden lässt, etwas in seinen Augen Lächerliches zu tun? Andere hätten diese Quälgeister längst umbringen lassen. Nicht aber Naaman. Zwar kämpft in ihm seine Autorität mit der Demut. So wird er zornig, weil ihm nicht so geschieht, wie er es sich gedacht hatte, aber er gibt nach. Gerade dann, wenn man die Menschheitsgeschichte kennt, dann ist das menschliche Verhalten des Naaman auffällig.

In der Predigt möchte ich aber eine andere bemerkenswerte Aussage hervorheben.

Nachdem Naaman geheilt worden war sagte er zu Elisa:

Dein Knecht will nicht mehr anderen Göttern opfern und Brandopfer darbringen, sondern allein dem Herrn.

Auch das ist, wenn wir die Menschheitsgeschichte ansehen, bemerkenswert – und zwar bis heute: Wenn ein Mensch diesen Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde, den Bewahrer, erkannt hat, dann mag er vieles von dem, was er vorher getan hat, nicht mehr tun. Nicht nur das, er sieht die Welt mit anderen Augen an. Schon immer hat Naaman seinen Götzen und Göttern geopfert. Es war so Tradition in seinem Land. Schon immer hat er mit seiner Familie und dem Herrscher den Göttern dieses Landes geopfert – aber nun, nachdem er den einzigen, den lebendigen Gott in seiner Macht erfahren hat, in dem Wasser der Heilung gebadet hat, öffnen sich seine Augen: Mensch, das alles sind ja gar keine Götter! Das sind keine mächtigen Wesen! Das sind nur Bilder, Götzen, Angstmacher, Phantasien! Allein Gott gebührt die Ehre. Aber er kommt in einen großen Zwiespalt: Wenn er jetzt diesen so genannten Göttern die Ehre verweigert – was geschieht dann mit ihm? Er wird ausgestoßen von der Familie, er wird vom Herrscher schlimmstenfalls ermordet – aber was soll er tun? Er will allein Gott dienen – und muss nun auch den machtlosen Götzen opfern? Was für ein Schauspiel! Aber er muss es tun.

Und so bittet er Elisa zum Abschied:

Nur darin wolle der Herr deinem Knecht gnädig sein: wenn mein König in den Tempel Rimmons geht, um dort anzubeten, und er sich auf meinen Arm lehnt und ich auch anbete im Tempel Rimmons, dann möge der Herr deinem Knecht vergeben.

Und Elisa, der Mann Gottes, gibt dazu keinen Kommentar ab, sondern entlässt ihn mit dem Segensgruß:

Zieh hin in Frieden!

Einige Jahrhundert später verlangen heidnische Herrscher von Juden: Opfert unseren Göttern – und ihr werdet am Leben gelassen, ihr werdet Gutes im Leben genießen! Viele Juden geben den Verlockungen nicht nach und sterben den Märtyrertod. So erging es auch den frühen Christen: Römische Herrscher verlangten, dass ihrem göttlichen Herrscherbild geopfert würde – als Zeichen der Loyalität – und viele, viele Christinnen und Christen wurden nach schlimmer Folter umgebracht, weil sie nicht nachgegeben haben. Sie wurden einfach so umgebracht, auf den Straßen, in ihren Häusern, vor staatlichen Gerichten, als Schauspiel in den Arenen. Warum bleiben Christen auch heute überall auf der Welt standhaft? Warum opfern sie nicht schnell und genießen dafür ein ruhiges Leben? Warum fallen sie nicht vor den Herrschern auf die Knie und beten sie an, wenn sie es nun mal verlangen? Warum wenden sie sich nicht wieder den alten Religionen zu, die doch auch ihre Besonderheiten haben? Warum beten sie nicht den Zeitgeist als den größten aller Götter an? Warum nicht? Wer den Gott, den Schöpfer und Herrscher des Himmels und der Erde, kennen gelernt hat, der kann vieles nicht mehr, was er vorher konnte. Und so ist das auch im Alltagsleben:

  • Wer Gott kennen gelernt hat, hört, dass dieser Gott nicht möchte, dass man stiehlt – der kann nicht mehr klauen.
  • Wer Gott kennen gelernt hat, hört, dass dieser Gott falsches Zeugnis und Heuchelei hasst – der kann nicht mehr übel über andere reden, er kann nicht mehr heucheln.
  • Wer Gott kennen gelernt hat, erfährt, dass er Ehebruch ablehnt – der kann nicht mehr die Ehe brechen und aus egoistischen Gründen Herzen brechen.
  • Wer Gott kennen gelernt hat, weiß, dass dieser Gott sich um Arme, um Benachteiligte kümmert – der kann nicht mehr sein Geld horten, sagen: Jeder muss selbst sehen, wo er bleibt.
  • Wer Gott kennen gelernt hat, weiß, dass er ihm alle Schuld vergeben hat – der kann anderen die Schuld nicht mehr nachtragen.

Wer diesen Gott kennen gelernt hat, der kann das alles nicht mehr? Er möchte das alles nicht mehr! Es geht ihnen wie dem Naaman: Man weiß um das Übel und den Blödsinn bestimmter Verhaltensweisen, weiß, dass dieser Gott das ahndet, aber dennoch: So sind wir Menschen. Wie schnell fallen wir zurück in das alte Leben! Wie schnell ist ein Wort gegen andere Menschen aus dem Mund geschlüpft. Wie schnell überheben wir uns über andere, wie schnell gehen wir über die Gefühle anderer hinweg… Wie schnell! Und wir verlangen wie Naaman Absolution, wir wollen von Gott die Erlaubnis zu unserem Fehlverhalten und sagen mit Naaman: Mann Gottes, sag, dass es nicht so schlimm ist, wenn wir gegen Gottes Willen handeln! Sag, dass wir nicht tun müssen, was Gott verlangt, nur ein bisschen das nicht tun müssen. Wir sind auch ganz wie Naaman, der seine Mitmenschlichkeit in die Waagschale wirft: Ich muss doch den alten König stützen, damit er die Götter anbeten kann, allein kann er ja nicht mehr stehen!

Aber kein Mann Gottes kann sagen: Es ist nicht so schlimm, gegen Gottes Willen zu handeln. Doch jeder Mann Gottes wird sagen: Zieh hin in Frieden! Warum sagt Elisa das? Er übergibt damit den Naaman der Macht, dem Frieden, der Gnade Gottes. Naaman kann nicht mehr zurück. Nie mehr. Wer im Wasser der Heilung dieses Gottes gebadet hat, der kann nicht mehr anders. Wer diesen Gott geschmeckt hat, dem schmeckt nichts anderes mehr. Dieser Gott ist Gott – und dieser Gott fordert von den Seinen Alles! Und wer sich diesem Gott im Leben und im Tod anvertraut, der lernt, im Frieden Gottes zu leben – auch wenn es besonders stürmisch wird, gerade im schlimmsten Sturm. Elisa wünscht dem Naaman den Frieden Gottes, obwohl er weiß: dem Naaman wird es hart ergehen. Seine Familie wird ihm in den Ohren liegen – Opfere den Göttern, denk an deine Familie! Sein Herrscher wird ihm in den Ohren liegen – Opfere den Göttern, denke an den Landesfrieden! Und Naaman muss sagen: Ich habe den wahren Gott gefunden – ich kann den Götzen nicht mehr die Ehre geben. Ich kann nicht. Keiner seiner alten Freunde wird ihn mehr verteidigen – er wird seinen harten Weg gehen müssen, allein, vielleicht noch mit seiner hebräischen Sklavin! Was für eine Erniedrigung für den Offizier des Königs! Aber es wird ein Weg des Friedens sein, weil dieser Gott ihn im Leben und Sterben nicht allein lässt. Wer diesen Gott geschmeckt hat, der wird auch das Leiden mit anderen Augen ansehen: Er lebt in diesem Frieden Gottes.

  • Wer im Frieden Gottes lebt, den mögen Krankheiten bestürmen und auch fast bezwingen – Gott sagt: Ich bin bei dir. Du magst von mir nichts mehr hören, nicht mehr an mich denken! Hab keine Angst, ich bin dennoch bei dir.
  • Wer im Frieden Gottes lebt, den Mögen die finstersten Zeiten bestürmen und mit wegreißen – Gott sagt: Mit mir ist es auch in deiner finstersten Zeit hell, öffne die Augen und du wirst mich sehen!
  • Wer im Frieden Gottes lebt, den mag die Zukunft wie Irrwege und der Weg voller Hindernisse sein – Gott sagt: Hallo, meine Liebe, hallo, mein Lieber! Ich bin bei dir und gehe mit dir. Du bist nicht allein.
  • Wer im Frieden Gottes lebt, den mögen andere Religionen wunderbar einfach, schön, plausibel, mystisch und spirituell erscheinen – Gott sagt: Mit mir geht es um Wahrheit und um Liebe, ich bin bei dir.
  • Wer im Frieden Gottes lebt, der mag einsam sein – aber Gott sagt ihm: Ich bin bei dir, und gebe dir Menschen in der Gemeinde an deine Seite. Du magst sie früher verachtet haben – aber sie sind meine Brüder und Schwestern!

Wer diesen Gott einmal erfahren hat, seinen Frieden und seine Liebe, dem werden die dunkelsten Zeiten nicht mehr so schwer werden. Wirklich nicht? Oh doch! Dem werden die dunkelsten Zeiten noch dunkler werden, weil wir diesen Gott als Last in unserem Leben mitschleppen! Wie Naaman: Wie glücklich war er, bevor er diesen Gott kennen gelernt hat! Er war zwar krank, aber er war angesehen, hatte Macht, hatte Autorität, Familie, Freunde, Diener – er hatte alles, was er brauchte – und seit er diesen Gott kennen gelernt hat, hat er nichts mehr. Er hat nur noch diesen Gott. Und mit diesem Gott kamen die Schwierigkeiten. Und so mögen wir manchmal denken: Wenn wir doch unseren Weg allein gehen könnten, ohne diesen Gott! Wenn wir nur nicht an ihn denken müssten! Wir könnten nach Herzenslust lästern! Wir könnten zu unserem Vorteil leben! Wir könnten andere Menschen andere Menschen sein lassen und hätten unsere Ruhe! Wir könnten unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen – und in den Widerwärtigkeiten unseres Lebens müssten wir nicht mehr fragen: Gott, warum? Gott, wie kannst du das zulassen? Ohne Gott wäre alles viel, viel einfacher. Überall. Nicht nur in unserem privaten Leben – auch in der Gesellschaft: Der Stärkste überlebt – was sollte er sich um den Schwächsten kümmern? Warum sollten Menschen, die nichts zum Bruttosozialprodukt beitragen, geachtet werden, genauso wie die, die es fördern? Weg mit ihnen! Weg mit Behinderten in den Mutterleibern! Weg mit Asozialen aus den Städten! Weg mit Alten aus den Krankenkassen! Weg mit denen, die nicht so denken wie ich! Weg! Weg! Weg! Weg mit Gott, dem alten Klotz am Bein! Wie schön wäre die Welt, wenn alles, was mich und der Mehrheit stört, weg wäre! Wie schön wäre es, wenn ich bestimmen könnte, was gut für die Welt ist!

Mit Gott geht es so nicht. Gott sagt dazu: Nein! – Nein! Sagt er zu all diesen Wünschen, auch wenn sie so deutlich zum großen Teil nicht ausgesprochen werden, noch nicht.

Wie gut würde es der Gesellschaft und uns gehen, wenn wir diesen Gott nicht hätten! So mag Naaman in seinem schweren Leben, das ihm mit Gott folgte, gedacht haben, so mögen wir manchmal denken, wenn uns das Leben mit seinen Dunkelheiten und Ausweglosigkeiten zu überwältigen sucht. Doch wer Gott kennen gelernt hat, wer in seiner Nähe, seiner Liebe, seinem Heil gebadet hat, der kann und mag im Grunde nicht mehr von diesem Gott weggehen. Denn allein in ihm findet er den wahren Frieden – trotz Unruhe. Allein in ihm findet er Geborgenheit und Ruhe – trotz Rastlosigkeit, er findet Trost und Gemeinschaft – trotz Einsamkeit. Wie geht das? Warum ist dem so? Weil unser Gott, der Vater Jesu Christi, der einzige Gott, der lebendige Gott ist, der uns liebt und uns mit seiner Liebe umfängt. Dieser Gott ist dem Naaman und uns allen unser Ein und Alles. Wenn er ins Leben tritt, können wir nicht mehr zurück. Er allein bestimmt es. Und darum gilt:

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen. Ja, der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.