Kolosser 2: Gott? Bloß nicht!

Der für den heutigen Sonntag vorgeschlagene Predigttext steht im Brief des Paulus an die Kolosser im 2. Kapitel:

Seht zu, dass euch niemand einfange durch Philosophie und leeren Trug,
gegründet auf die Lehre der Menschen und auf die Mächte der Welt
und nicht auf Christus.
Denn in Christus wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig,
und an dieser Fülle habt ihr Teil in ihm,
der das Haupt ist aller Mächte und Gewalten. …

Mit Christus seid ihr begraben worden durch die Taufe;
Mit Christus seid ihr auferstanden durch den Glauben,
aus der Kraft Gottes, der ihn auferweckt hat von den Toten.
Und Gott hat euch mit Christus lebendig gemacht,
die ihr tot wart in den Sünden …
Gott hat uns vergeben alle Sünden.
Gott hat den Schuldbrief getilgt,
der mit seinen Forderungen gegen uns war,
und hat ihn weggetan und an das Kreuz geheftet.
Gott hat die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet
und sie öffentlich zur Schau gestellt.
Gott hat einen Triumph aus ihnen gemacht in Christus.

Soweit unser Predigttext.

Wir Menschen denken uns viel aus. Wir versuchen alles zu erklären, das Leben – unser Leben, das Sterben – unser Sterben. Warum gibt es überhaupt Welt, warum ein Planet Erde mit Wasser, mit Grün und Lebewesen. Philosophen und Nicht-Philosophen versuchen sich ein Bild zu machen, seit Jahrtausenden. Wir denken uns die Welt schön – wir denken sie uns schlecht. Wir Menschen können gar nicht anders: Wir wollen uns und unsere Welt erklären. Vielleicht sind wir manchmal müde geworden, haben keine Lust mehr darüber nachzudenken. Aber auch dann haben wir unser Weltbild. Wir meinen: Es bleibt ja doch alles wie es ist. Oder wir konzentrieren uns auf die kleinen Dinge des Lebens: auf unser Auskommen und Einkommen. Das Große, so meinen wir, geht uns nichts an.

Und in dieses Überlegen über die Welt knallen diese Worte. Vielleicht haben Sie das Neue, das Unbeschreibliche der Worte nicht verstanden, weil wir es heute anders aussprechen würden. Aber diese Worte sind laut, sind neu, sind ein Hymnus, ein Preislied auf Gott, sind Welterklärung! Gott hat in Jesus Christus gehandelt. Nichts ist mehr wie immer. Die Welt steht auf dem Kopf! Nicht das Böse herrscht mehr, nicht kleine und große Mächte und Gewalten, sondern: Jesus Christus!

Wenn die römischen Herrscher ein Volk besiegt haben, dann haben sie die Herrscher gefangen genommen, haben deren Streitkräfte und Tiere, deren Reichtümer nach Rom gebracht. Dort wurden sie in einem Triumphzug der Bevölkerung vor Augen gestellt: Seht, solche Herrscher haben wir wieder besiegt, unterworfen. Diese Reichtümer haben wir für unsere Stadt erworben!

Und das wird auch hier von Jesus Christus gesagt. Er hat die Mächte und Gewalten besiegt, er hat einen Triumphzug gemacht, er zeigt allen, die zu ihm gehören, welche Macht er über Mächte und Gewalten er hat. Und der Reichtum seines Sieges kommt uns zugute. Und was uns zugute kommt, das besingt der Schreiber in einem Text, der wie ein Hymnus, ein Lied das großartige Tun Gottes besingt. Gott hat auf der ganzen Linie gesiegt. Er hat die Sünde und den Tod besiegt. Er hat die Güter des Sieges uns zukommen lassen: Wir sind befreit von der Sünde, wir sind frei vom Tod, weil Gott uns in Christus Freiheit und Leben schenkt. Der Glaube, den Christus bewirkt, ist eine große Befreiung. Und das gilt nicht allein für mein kleines Leben, es gilt für die ganze Welt. Was Gott tut, das hat auch mit dem großen und Ganzen zu tun, eben mit Welt! Und so ist Jesus Christus zum Haupt der Welt, als Herr der Welt erkannt worden.

Ist dem so? Wir sehen nur Tod um uns herum und Krankheiten, die zum Tod führen. Wir sehen Vergänglichkeit um uns herum – doch das Leben, das Jesus Christus schenkt, das sehen wir nicht. Und so ist es auch kaum verwunderlich, wenn ein Kritiker des christlichen Glaubens schreibt:

„Dass der kosmische Gott, wenn es einen gäbe, jemals von Jesus Christus … einem unbedeutenden religiösen Lehrer, der im alten Palästina vor fast 2000 Jahren gelebt hat, besondere Kenntnis genommen haben soll, ist eine Auffassung, die nur von einem Menschen vertreten werden kann, der entweder ein sehr geringes Wissen hat oder dessen Verstand sehr beschränkt ist. Dass dieser Lehrer auch noch im buchstäblichen Sinne der einzige Sohn des Schöpfers des Universums sein könnte, ist Unsinn und zu kindisch, als dass es überhaupt erwähnt werden dürfte.“

Harry Elmar Barnes (rechts stehender berühmter Historiker), der das gesagt hat, ist nicht der Einzige, der es sagte und sagt. Das sagen im Grunde alle, die Gott in Jesus Christus nicht kennen. Das kann man einfach sagen wie Herr Barnes – und auch sehr kompliziert. Mir schrieb einmal ein mir unbekannter Herr K. in einer e-Mail: „Ein philosophischer Lehrsatz besagt, dass man zu den Annahmen, die man für sein Weltbild benötigt, eine zusätzliche Annahme – in diesem Fall `Gott´ – nur dann hinzufügen soll, wenn sie die schon postulierte Annahmen vereinfacht. Warum postulieren Sie also einen Gott?“ Das klingt philosophisch kompliziert, heißt aber nur: „Der Mensch braucht keinen Gott, warum sagen Sie, es gibt einen Gott?“ Braucht der Mensch wirklich keinen Gott? Der Mensch will keinen Gott. In einer Diskussionsrunde sagte eine Frau: „Nein, jeder Mensch will Gott. Ich zum Beispiel. Ich lehne doch einen Gott nicht ab!“ Natürlich will jeder Mensch irgendeinen Gott, einen Gott, der wie ein Hausdackel ist. Ich bestimme, was Gott will, was er tut, was er denkt – kurz mein Lieblingsgott ist mit mir identisch. Aber wehe, Gott, der echte Gott, sagt etwas, tut etwas, das ich nicht will, fordert etwas, was ich nicht für richtig halte. Dann wird „Gott“ in die Besenkammer gestellt. Der Mensch will keinen Gott, der herrscht und selbständig handelt. Auch in der gegenwärtigen Diskussion über die Evolutionstheorie, die jedem Menschen, der ein wenig wissenschaftlich interessiert ist, auch im Fernseher begegnet, heißt es: Wir wollen Gott nicht denken! Bloß keinen Gott einführen in die Naturwissenschaft! Bloß keinen Gott einführen in die Philosophie! Selbst einige Theologen intendieren: Bloß keinen Gott einführen in die Theologie! Menschen wollen keinen Gott, damit sie frei sind, alles zu denken und zu tun was sie wollen. Und wenn es noch so falsch ist. Hauptsache: Gott ist außen vor und ich habe mir was Schönes ausgedacht. Etwas ausgedacht, das die Welt ohne Gott denken lässt. Und was geschieht dann? Der Mensch benötigt aber Religion, er benötigt Spiritualität, er möchte etwas Geheimnisvolles, Göttliches – aber er möchte all das ohne Gott. Und viele der modernen religiösen Bewegungen, sind eben das: selbst gemachte Religionen – Religionen ohne Gott.

Ich habe mal an der Aufzeichnung einer Fernsehdiskussion über Engel teilgenommen. Sie wurde nicht gesendet, sondern abgebrochen. Warum? Meine Gesprächspartner waren eine Hexe, die gute Engel zu Rate zieht, und ein Heiler, der mit den Kräften guter Engel zu heilen versucht. Sie sprachen wunderschön über ihre Erfahrungen mit Engeln. Da sagte ich ihnen, dass der Engelglaube unserer Kultur aus der Bibel kommt. Und Engel gibt es zweierlei: Engel, die von Gott gesandt werden. Das sind Engel, die nicht unabhängig handeln, sondern nur im Auftrag Gottes. Und dann gibt es Engel, die von Gott abgefallen sind. Diese Engel tun das, was Gott nicht will. Sind ihre „Engel“ Engel von Gott? Da sagte die Engelhexe, dass ihre Engel keinen Gott benötigen. Ich fragte, sind sie dann wirklich gut? Und dann brach die Moderatorin das Gespräch abrupt ab: Über Gott wird hier nicht diskutiert. Sie wollten also schon im Fernseher über Engel reden – nur über Engel, die nicht von Gott sind.

Menschen wollen alles Religiöse auch des Christentums übernehmen – nur was sie nicht wollen, das ist Gott. Der Mensch braucht Gott, den Vater Jesu Christi – aber er will ihn nicht und bekämpft ihn. Und das ist es, was in unserem Predigttext „Sünde“ genannt wird. Unser Widerstand gegen Gott, gegen seine Forderungen und gegen sein Tun. Wir wollen uns nicht an Gott ausrichten. Wir wollen nicht so leben, wie es Gott gefallen würde – was würden dann die Menschen sagen? Vielfach lacht man über Christen, ihr Glaube ist lächerlich, kindisch, sie haben keinen Ort mehr in unserer Welt. Wir wollen nicht ausgelacht werden, wir wollen nicht für kindisch gehalten werden. Dann rufen wir: Wir gehören doch zu euch, ihr lieben Leute! Seht, wir tun in der Kirche doch alles, nur damit ihr uns mögt! Wir zeigen euch: Wir gehören zu euch!

Unser Predigtext zeigt uns etwas anderes: Es geht nicht darum, dass Christen den anderen sagen: Wir gehören doch zu euch – denn alle Menschen, auch diejenigen, die Gott ablehnen, gehören schon längst Gott! Sie wollen zwar von Gott nichts wissen, sie wollen lieber irgendwelchen Mächten und Gewalten gehören – aber das hilft ihnen nicht. Sie gehören schon längst zu Jesus Christus. Er hat ihre Chefs schon längst am Kreuz besiegt und im Triumphzug durch die Welten geführt! Sie denken noch, sie könnten hier auf der Erde irgendetwas gravierendes Tun, aber es sind nur Scheintaten. Natürlich können sie viele Menschen verletzen und in die Irre führen. Natürlich sehen wir all das Elend, das nicht sein müsste, wenn wir Gott gehorchten. Und vielen machen sie Angst mit ihrem unsinnigen Tun, sie erschrecken sie mit all ihrem Hochmut. Doch es ist längst vorbei, sie sind nur ein Schatten ihrer selbst. Und dieses Wissen darum, dass es mit den gegen Gott gerichteten Mächten und Gewalten vorbei ist, macht viele zornig. Mit was für Aggressionen und Falschaussagen werden Glaubende niedergemacht. Haben Sie noch die Worte vom Herrn Barnes im Kopf? Er sagte, christlicher Glaube sei kindisch, dumm, nicht erwähnenswert! Aber es ist zu spät für die Kritiker. Gott hat in Jesus Christus schon längst gehandelt. Er hat die Mächte und Gewalten besiegt, er hat die Sünde und den Tod besiegt. Und wir sehen hinter all den Kämpfen das Licht Jesu Christi aufleuchten, darum kann die Finsternis uns nicht dauerhaft ängstigen. Er hat den Menschen befreit – und so ist der Glauben die große Freiheitsbewegung geworden. Und seit der damaligen Zeit haben sich unzählige Menschen von dieser Freiheitsbewegung überzeugen lassen, herzurufen lassen.

Von dieser Freiheitsbewegung die Gott für uns Menschen bewirkt hat, singt unser Autor. Was ist denn für mich so Großes geschehen? Kein Leben kann ohne Schuld gelebt werden. Was tun wir nicht alles anderen Menschen an – und knabbern dann unser Leben lang an der Schuld herum. Was tun andere nicht uns alles an. Auch das kann uns unser Leben lang fesseln. Und all das, was wie eine Fessel um uns geschnürt ist, uns hindert, uns quält – ist durch Jesus Christus weggetan! Welche Ängste stehen wir aus, angesichts des Todes, angesichts der vielen Zukunftsgespenster, die uns von allen Seiten ihr grausiges „Auch du“ zujammern, zukreischen, zuflüstern – sie sind schon längst besiegt. Wenn wir zu Jesus Christus gehören brauchen sie uns nicht mehr zu ängstigen. Im Alltag kann uns vieles Angst zuflüstern. Doch wir können sagen: „Ihr Mächte, die ihr mir Angst machen wollt, ihr seid schon längst besiegt. Ich gehöre nicht euch, ich gehöre zu Jesus Christus.“

Wie bergen wir uns in Jesus Christus? Wenn wir uns an jedem Morgen und am Abend, immer wenn uns etwas bedrängt, uns in seinen schützenden Mantel bergen. Wie? Im Gesangbuch stehen sehr schöne Gebete. Lernen Sie eines oder zwei oder drei davon auswendig, bis sie mit eigenen Worten aussprechen können: „Ja, Herr Jesus Christus, ich bin dein, ich gehöre zu dir, was auch immer mich bedrängt!“ Und dann schämen wir uns nicht mehr dafür, Christen zu sein, wir sind stolz darauf, dass wir zu Jesus Christus gehören dürfen. Und mögen andere spotten und lachen. Viele Argumente dagegen aussprechen: Wir wissen, die Mächte, denen sie dienen, sind durch Jesus Christus längst besiegt.

Amen.