♫ Gartengeschichten: Matthäus 6,28-30

Als heutigen Predigttext im Zusammenhang der Reihe „Gartengeschichten“ habe ich Matthäus 6 ausgewählt.

Weshalb macht ihr euch so viele Sorgen um eure Kleidung? Seht euch an, wie die Lilien auf den Wiesen blühen! Sie mühen sich nicht ab und können weder spinnen noch weben. Ich sage euch, selbst König Salomo war in seiner ganzen Herrlichkeit nicht so prächtig gekleidet wie eine von ihnen. Wenn Gott sogar die Blumen so schön wachsen lässt, die heute auf der Wiese stehen, morgen aber schon verbrannt werden, wird er sich nicht erst recht um euch kümmern? Vertraut ihr Gott so wenig?

Lilien nimmt Jesus als Beispiel dafür, wie wunderschön Gott die Pflanzen erschaffen hat. Waren es wirklich Lilien? Alte Worte sind oft schwer zu übersetzen, weil man häufig nicht weiß, welche Blüte sich hinter dem jeweiligen Wort versteckt. Waren es andere wunderschöne Frühlingsblumen Galiläas, so der Mohn? Wir wissen es nicht. Was wir erfahren: Blumen sind wunderschön. Jesus leitet ihre Schönheit von Gott her, sie sind ein Gleichnis dafür, dass Gott auch den Menschen versorgt. Wir sehen sozusagen durch die Blume hindurch auf den Schöpfer, auf Gott.

Die großen Wissenschaftler unserer Kultur fanden die Welt nicht nur schön, sie staunten auch über die Gesetzmäßigkeiten, die Ordnung, die mathematische Genauigkeit. Sie wollten herausfinden, wie der Schöpfer mathematisch vorgegangen ist. Wissenschaft bedeutete, dem Schöpfer mathematisch, erforschend auf die Spur zu kommen. Aber die einfachen Menschen der Völker fanden die Spur Gottes in dem, was sie sahen. So haben manche Blumen und Tiere Namen bekommen, die mit Gott zu tun haben. Sie erinnern an Gott, der mitten im Alltag zu uns spricht.

Nehmen wir die Christrose: Eine Blume, die im Winter blüht. Was sagt sie uns? Ich heiße Christ-Rose denn auch im Winter, wenn alles tot scheint, blüht das Leben. Ich mache Hoffnung in dunklen und kalten Zeiten. Heute nennt man mich Schneerose oder mit wissenschaftlichem Namen Helleborus – weil man mich entchristlichen will. Aber damit macht man mich zu einer Blume unter Millionen Blumen. Ich darf nicht mehr Jesus Christus verkündigen.

Eine andere Blume möchte ich vorstellen: Das Vergissmeinnicht. Eine mittelalterliche Legende erklärt den Namen so: Als Gott alle Blumen geschaffen und die Engel sie angemalt hatten, war keine Farbe mehr da. Und das Vergissmeinnicht, das als letztes in der Reihe stand, blieb ganz blass und unscheinbar. Dann ging es traurig zu Gott und sagte: Gott, vergiss mein nicht! Und Gott befahl den Engeln: Nehmt als Farben das Blau vom Himmel und das Gelb von der Sonne. Und so bekam das Vergissmeinnicht seine Farbe.

Nehmen wir das vierblättrige Kleeblatt. Warum ist es ein Glücksfund, wenn man eines gefunden hat? Der heilige Sankt Patrick hat den Iren mit Hilfe eines Kleeblatts die Dreieinigkeit Gottes erklärt. Wie das Kleeblatt drei Fieder hat und doch ein Blatt ist, so sind Gott Vater, Gott Sohn, Gott Heiliger Geist wie die drei Fieder – drei und doch ein Blatt. Bis heute haben die Iren das Kleeblatt als Staatssymbol. Wenn ich nun als Christ ein vierblättriges Kleeblatt gefunden habe, dann freue ich mich, weil ich durch das Kleeblatt von Gott gelehrt bekomme: Ich gehöre zu Gott.

Und so gibt es viele Pflanzen, die uns im Alltag auf Gott hinweisen. Viele Pflanzen haben auch den Namen der Mutter von Jesus bekommen, die Marienblumen. Meistens handelt es sich um Blumen, die nach unten schauen, wie die Lilie, die Akelei, die Maiglöckchen – sie zeigen, dass Maria demütig war. Als Gott der jugendlichen Maria sagen ließ, dass sie Jesus, den Christus, gebären werde, sagte sie demütig: „Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast.“ Aber auch der 7-Punkt Marienkäfer hat den Namen von der Mutter Jesu, Maria. Warum? Er erinnert an die sieben Tugenden, an Liebe, Demut, Barmherzigkeit, Geduld, Friede, Sanftmut, Keuschheit der Maria, Tugenden an denen sich alle orientieren sollen. Oder sie erinnern an die sieben Worte Marias, die wir im Neuen Testament finden. All die Marien-Blumen sollen uns also daran erinnern, vor Gott demütig zu sein, um Gott dienen zu können. Auch die rote Rose wird mit Maria verbunden, ihre Liebe zu Jesus und ihr Leiden um Jesus und das Aufblühen der dornigen Zweige nach der Auferstehung Jesu. Somit zeigt die Rose auf dem Altar uns auch die Liebe Gottes zu uns und unsere Liebe zu Gott.

Nicht nur Blumen, die gesamte Natur verkündigt Gott. Sie kennen vielleicht das wunderbare Musikstück von Haydn aus seiner Schöpfung: Die Himmel erzählen die Ehre Gottes!

Darum sprechen wir Christen nicht von Natur, das ist ein philosophisch-wissenschaftlicher Begriff. Wir sprechen von der Schöpfung. Damit sagen wir Christen: Natur beinhaltet mehr als einfach Forschungsobjekt zu sein. Die Schöpfung weist uns auf Gott hin, lässt den Schöpfer durchscheinen, sie ist ein Gleichnis für Gottes Handeln. Wie Jesus sagt: Die Schönheit der Feld-Blumen, die Schönheit der Lilie und des Mohnes – sie sind nicht vergleichbar mit dem was, der Mensch erschafft, mit Mühe herstellt. Die Blume scheint einfach – und ist gerade in ihrer Einfachheit und Schlichtheit wunderschön.

(Haben Sie schon einmal überlegt, warum Frauen-Kleidung häufig florale Motive haben? Wir schmücken uns mit der Schönheit der Blumen.)

Jesus spricht aber noch etwas an: Das Leiden der Schöpfung. Wir leben nicht mehr im Paradies. Und so leiden nicht allein Menschen, die gesamte Schöpfung leidet. Der alttestamentliche Psalmensänger sieht vor 2500 Jahren, wie Hirsche dürsten und Wildesel nach Wasser schreien, alles ist dürr, alles ist zerstört. Der Apostel Paulus spricht davon, dass die gesamte Schöpfung seufzt und leidet, sich nach Erlösung durch Gott sehnt. Wenn wir einen wunderschönen Baum anschauen, in voller Blüte – wie viele Kämpfe finden auf ihm statt: Insekten kämpfen gegen Insekten, Pilze gegen den Baum, unterirdisch verdrängen die Wurzeln des Baumes Konkurrenten und Wühlmäuse und Engerlinge nagen die Wurzeln an. In der Schönheit liegt auch gleichzeitig das Vergehen verborgen. Wie Gras verwelkt, Blumen in ihrer Schönheit vergehen, das Gras zerstört wird – so geht alles Schöne auf das Vergehen zu. Wir leben nicht mehr im Paradies.

Aber gerade darum ist das Empfinden für die Schönheit so wichtig. Schönheit empfinden ist eine Gnade Gottes. Schönheit baut auf, Schönheit gibt Kraft, sie erhebt die Seele. Wir wissen um das Vergehen, wir wissen um die Bedrohung – und das stand in der Antike auch im Vordergrund: Natur ist bedrohlich, man fürchtet sich, sie ist voller Geister und den Menschen fremden Wesen. Der christliche Glaube lässt die Natur als Schöpfung Gottes erstehen. Sie ist gefallen, sie ist bedrohlich, Katastrophen unterschiedlichster Art verängstigen und töten. Aber trotz allem und allem zum Trotz ist sie Teil der wunderschönen Schöpfung des Gottes, der uns liebt und sie lässt noch in allem Verderben Gottes liebevolle Hand erkennen.

Und so versorgt Gott den Menschen. Die Blumen sind Apotheke Gottes, wie meine Tante sie immer genannt hat. Gott hat in den Pflanzen den Menschen etwas mitgegeben, das ihm hilft, das hilft zu heilen. Indem Menschen das Kraut zerstören, hilft es ihnen. Leben lebt immer vom anderen. Das ist der Kreislauf der Natur. Leben lebt vom Zerstören. Das kann uns natürlich traurig machen. Ist es auch, weil wir nicht in einem paradiesischen Zustand leben und immer sehnsüchtig nach diesem paradiesischen Zustand ausschauen. Aber das gerade ist es, was den Menschen frei macht, verantwortlich mit allem, was Gott ihm bietet, umzugehen. Wer die Schöpfung als ein Gleichnis für Gottes Handeln sieht, als Spur Gottes, der geht entsprechend behutsam mit ihr um. Er zerstört nicht aus purer Zerstörungslust, er achtet darauf, dass es nicht an ihm liegt, dass Tiere und Pflanzen aussterben, dass Seen, Meere, Berge aus purer Gleichgültigkeit vergiftet und zerstört werden. Die Schönheit der Schöpfung erkennen bedeutet sorgfältig mit ihr umzugehen.

Ich habe vorhin meine Tante genannt. Ich muss sie in anderer Hinsicht noch einmal nennen. Sie war eine von der Schöpfung begeisterte Bergsteigerin. Und während einer Bergwanderung sagte sie einmal an einer sehr schönen Sommerwiese: Gottes großer Garten hat viele, viele unterschiedliche Blumen und Kräuter. Das ging mir das Leben lang nach: Es gibt nicht nur eine Blume. Es gibt nicht nur eine Farbe. Nicht nur Blumen sind Pflanzen, auch Bäume in einer Unmenge an Formen. Gehen wir über zu den Insekten: Was für eine unendliche Vielfalt, allein schon an Wildbienen! Und jede summt und brummt auf ihre Weise. Was für eine große Vielfalt an Vögeln – und jede Art singt ihre ihr eigenen Weise! Wir wissen nicht, ob Jesus die Lilie im Blick hatte oder die Mohnblume oder eine andere der schönen Feldblumen. Das ist eigentlich auch egal: Alle sind wunderschön. Die unzählbaren Arten an Gräsern, die manche achtlos ausreißen oder mit Chemie oder Flammen zerstören – Gottes Garten ist unendlich vielfältig. Wir Menschen mögen lieber die Ordnung, statt Vielfalt die Einfalt, statt Wildheit geordnete Parkanlagen, statt chaotisches Wetter lieber alles schön einheitlich nach einem vom Computer berechneten Plan. Und so erfinden wir Gärten, die unabhängig sind vom Wetter, in denen jede Nutzpflanze nach ihren Bedürfnissen das Optimale an Nahrung und Wasser und Licht bekommt. Das lieben wir Menschen. Lieben wir das wirklich oder ist es nur notwendig?

(Viele Menschen in der Corona-Zeit, als man sich noch nicht so sehr ins Freie wagte, merkten erst, wie sehr sie die Schöpfung vermisst haben. Und dann, als sie mutiger wurden, was ein Aufatmen, ein in der Natur Herumradeln, ein Rennen und Spazierengehen. Viele haben erst jetzt gemerkt, was sie vermissen, wenn sie als Geschöpf die wunderbare Schöpfung nicht spüren.)

Gott liebt die Vielfalt – auch die Vielfalt am Geschöpf  Mensch. Wir sind weltweit keine Einheitsroboter, wir haben unterschiedliche Kulturen, Hautfarben, reagieren ganz unterschiedlich auf alles Mögliche. Gott liebt Vielfalt in jeglicher Hinsicht, sonst wäre seine Schöpfung nicht so vielfältig, nicht so vielfältig schön. Wir Menschen möchten auch die Vielfalt des Menschen einebnen. Nur weil wir so vielfältig sind, können wir auch vielfältig als Geschöpf Gott durch erhebende Worte und hilfreiche Taten und dankbares Schweigen loben. Weil die Vielfalt von Gott kommt, ist sie wunderschön – und wir achten die wunderschöne Vielfalt.  

Wenn wir Gott ehren, ehren wir seine schöne Schöpfung. Wir gehen verantwortlich mit allem um, wir ehren die Vielfalt, wir erkennen in der Schöpfung die Hand Gottes, die Spur unseres Gottes, der uns durch seine Schöpfung hilft und belehrt. Wir übersehen auch das Leiden nicht. Wir versuchen das Leiden zu bekämpfen, so gut es geht, weil Jesus uns auch in Schöpfungs-Gleichnissen lehrt, auf Gottes vollkommenes, wunderschönes Reich handelnd hinzuleben. Die ganze Schöpfung weist uns zu Gott, sie verkündigt Gott: Pflanzen, Tiere, Himmelskörper – und Menschen tun es hoffentlich auch. In der Schöpfung sehen wir überall Gottes Schönheits-Gruß an uns, durch sie spricht er zu uns: Du bist nicht allein. Darauf gilt es zu vertrauen.