Apostelgeschichte 2,18ff.: Sehnsucht nach Gott

Apostelgeschichte 2,18ff.

Wenn wir einem Kleinkind ein Bild mit einer Katze zeigen und sagen: Miau – dann weiß es, es ist eine Miau. Aber wie anders ist es, wenn das Kind eine Katze berühren kann! Weiches Fell, warm, schnurrend, etwas unheimlich zuerst, aber dann sehr schön. Es ist etwas anderes, ob man etwas gesagt bekommt, oder ob man selbst etwas berührt, erfährt. Zeige ich ein Bild vom See Genezareth, dann sagen Sie: schön. Es ist etwas ganz anderes, den See selbst zu erfahren. Das plätschern zu hören, die warme weiche Luft zu spüren und ihren Duft – man muss es selbst erfahren. Wir Menschen können lernen – aber das bedeutet noch lange nicht, dass wir es auch erfahren haben, be-greifen. Und so ist es mit unserem christlichen Glauben. Wir können viel lesen. Wir können viel darüber hören. Aber es ist noch lange nicht, ihn zu be-greifen, ihn zu spüren, von ihm erfüllt sein. Dass das, be-greifen, spüren, erfüllt sein, möglich ist, das wirkt der Geist Gottes. Der Geist Gottes lässt uns Jesus Christus sehen, er lässt ihn uns berühren, be-greifen, erfahren. Ohne den Geist Gottes bleibt alles nur Wort, an der Oberfläche.

Nun sagen wir: Wenn das so ist, dann habe ich vom Geist Gottes nicht viel erfahren. Es wäre schön, wenn ich Jesus Christus be-greifen, erfahren, spüren könnte – aber es ist mir nicht geschenkt worden. Ich würde ja so gerne weiterkommen im Glauben – ich habe richtige Sehnsucht danach, von Jesus Christus umfangen zu werden, ihn zu hören! Doch wenn ich rede, antwortet er nicht, wenn ich ihn suche, finde ich ihn nicht und fühle mich hinterher einsamer als zuvor. Wir kennen im christlichen Glauben diese Sehnsucht. Wir sprechen davon, dass wir vom Geist Gottes verwundet worden sind. Erst der Mensch, der verwundet wurde, sucht Heilung. Erst der, der in Einsamkeit getrieben worden ist, sucht wahre Gemeinschaft. Wenn wir also Sehnsucht haben, wenn wir einsam sind und Gott gerne kennenlernen wollen, seine Nähe spüren wollen mit allen Fasern unseres Lebens, dann ist auch das das Werk des Heiligen Geistes. Er schenkt nicht nur Erfüllung, sondern auch die Sehnsucht nach Gott.

Wie gehen wir Menschen mit dieser Sehnsucht nach Gott um? Weil wir Gott nicht die Zeit lassen, die er uns gibt, sondern alles schnell, schnell haben wollen, suchen wir uns die Erfüllung dieser Sehnsucht selbst zu geben. Allgemein üblich ist die Erfüllung der Sehnsucht in dem, was uns unsere Welt so zu bieten hat: Wir lassen uns diese Erfüllung etwas kosten: Kaufen, kaufen, kaufen, haben wollen, haben wollen, bewundert werden, essen und trinken. Wer etwas mehr Geld hat, sucht sich diese Sehnsucht wenigstens im Urlaub an fernen Stränden zu erfüllen. Andere treibt es in die Ekstase der Sexualität oder des Sports, andere in die der fremden Religionen. Wie häufig wird dem christlichen Glauben der Vorwurf gemacht, dass in ihm Menschen von Gottes Gnade abhängig sind. Wir Menschen wollen jedoch nicht abhängig sein. Der starke Mensch tut was gegen die Sehnsucht, versenkt sich in Meditationen und sucht sich selbst, das Nichts, das All, das Vergessen oder was auch immer. Nicht Gnade, Gnade, Gnade soll es lauten, sondern Handle! Erfülle die Sehnsucht! Andere Menschen resignieren. Die Sehnsucht nach Gott wird abgetötet im Rausch. Man lässt sie verbittert verkümmern.

Der Geist Gottes, erweckt in uns die Sehnsucht nach Gott – und wenn wir diese Sehnsucht nicht von Gott selbst erfüllen lassen, dann rasen wir von einem Versuch, sie zur Erfüllung zu bringen zur anderen.

Was wir hier in unserem Predigttext hören, das ist gerade das Gegenteil: Gott erfüllt die Sehnsucht des Volkes Israel. Schon lange hat es darauf gewartet, dass der Geist Gottes Menschen ergreift, so ergreift, dass sie von Gottes großen Taten reden können. Sie haben sehnsüchtig darauf gewartet, dass dieser Geist Gottes, der durch die Propheten verheißen worden war, dass er den Menschen die Augen öffnet für die Welt Gottes – für die Welt Gottes, die unsere Welt der Menschen berührt. Das bedeutet nämlich der Satz:

Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott,
da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch;
und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen,
und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen,
und eure Alten sollen Träume haben
und auf meine Knechte und Mägde will ich in jenen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen.

Das klingt alles etwas spinnert: Menschen sollen Gesichte sehen, Träume haben, weissagen. Wer hat nicht Träume, Alpträume und schöne Träume. Wer sieht nicht manchmal etwas kommen. Und Gesichte sehen, das heißt Visionen haben, Menschen meist dann, wenn sie Fiebern. Doch darum geht es nicht. Gott verheißt mit diesem Text, dass Menschen durch den Geist Gottes erkennen können, wie diese unsere Welt von der Welt Gottes umfangen wird. Wie Gott in diese Welt eingreift, wie seine Welt unsichtbar in unserer Welt am Wirken ist – Gott ist uns nahe, das zeigt uns der heilige Geist. Und darum geht es hier. Die Sehnsucht des Volkes Israel, die Sehnsucht des einzelnen Menschen nach Gottes Welt und Gottes Nähe, nach Erfüllung und Geborgenheit – sie wird erfüllt. Der Himmel ist sozusagen offen. Haben Sie schon einmal durch ein modernes Fensterglas schauen wollen, aber nur sich selbst darin spiegeln sehen? Wir Menschen wissen, dass hinter dem Fensterglas ein Raum ist, aber wir können partout nichts erkennen. Wir drücken uns die Nase platt, wir wollen das Geheimnis dieses Raumes ergründen, wir wollen sehen, was sich dahinter verbirgt – doch es ist uns verborgen. Der Heilige Geist ist es, der das Fenster zu Gott sichtdurchlässig macht. Wir können in Gottes Raum hineinsehen. Wir sehen nicht mehr nur uns, sondern Gottes Raum, wir sehen Jesus Christus und uns bei ihm. Er ist die Erfüllung unserer Sehnsucht, er ist die Heilung für die Verwundung, die er selbst unserer Seele zugefügt hat. Wir können diese Sehnsucht nicht selbst erfüllen, sondern rasen in ihr überall hin oder lassen sie in uns absterben.

Was nun? Der Heilige Geist senkt uns die Sehnsucht nach Gott in die Seele, ins Herz. Was wir tun können ist zu versuchen, die Sehnsucht zu erfüllen. Aber das gelingt uns nicht. Weder mit dem Kaufrausch, noch mit der Sexualität, mit Sport und Wellness, mit Reisen, mit der Versenkung in andere Religionen. Ist das alles, was zu sagen ist? Nein. Der Heilige Geist gibt uns nur selten schnelle Erfüllung. Er kann es geben. Manchen Menschen wird sie zuteil. Den Meisten nicht. Das liegt ganz bei Gott. Die Jünger mussten Jahre mit Jesus wandern, ihre Hoffnung mit Jesus gekreuzigt und begraben sehen. Erst dann waren sie für das Ereignis bereit. Können wir gar nichts tun? Doch: Wir können Gott unsere Sehnsucht hinhalten, wie ein Bettler seinen Hut, seine Schale. Und in diese Schale wirft Gott immer etwas ein, das uns reich macht.

In unserem Predigttext heißt es: Lasst mein Wort in eure Ohren eingehen! In unserem Hut, in unserer Schale liegt das Wort Gottes. Nehmen Sie mal die Bergpredigt und besinnen sie einen Tag lang eine der Seligpreisungen. Lassen Sie diese nicht aus den Ohren, aus den Augen aus dem Sinn. Nehmen Sie sich am nächsten Tag die nächste Seligpreisung vor. Lassen Sie sie nicht mehr aus dem Leben.

Gott wirft in unseren Hut, in unsere Schale seine großen Taten, wie der Predigttext sagt. Seine großen Taten sind das, was er an und mit Jesus Christus getan hat. Über Jesus Christus nachsinnen, ihn mit unseren Gedanken berühren – machen wir das mal, statt unsere Zeit damit zu verschwenden, wieder einer Erfüllung der Sehnsucht nachzujagen, indem wir sie in den bunten Bildern des Fernsehens und der Zeitschriften ertränken.

Gott wirft in unseren Hut, in unsere Schale ein Zettelchen. Auf diesem Zettelchen steht: Du darfst zu mir im Gebet reden, Du darfst im Gebet zu mir kommen – und darfst auch ganz still sein und warten. Du darfst im Gebet kommen, Dich selbst sein lassen und Dich mir öffnen.

Unsere Sehnsucht wird immer größer. Die Verwundung, die uns der Heilige Geist zufügt, wird immer stärker. Meine Seele verschmachtet, schmachtet, dürstet nach Gott, wie ein alttestamentlicher Beter ausspricht. Und dann – dann zu seiner Zeit, zu seiner Zeit schenkt uns der Heilige Geist die Erfüllung unserer Sehnsucht. Das Licht Gottes umfängt uns, seine Nähe durchdringt uns, wir können ihn sehen, spüren, erfahren.

Wir müssen durch das Warten erst bereitet werden. Wie der Gartenboden bereitet werden muss, damit er guten Ertrag bringt, so müssen auch wir bereitet werden. Die Sehnsucht nach Gott ist wie ein kalter Winter – aber er ist notwendig. Die Sehnsucht nach jesus Christus ist wie Dauerregenwetter – aber es ist notwendig. Die Sehnsucht nach dewm Heiligen Geist ist wie Dunkelheit – aber sie ist notwendig. Halten wir in dieser Zeit der Sehnsucht Gott unsere Bettlerschale hin, dann füllt er sie – bis wir bereitet sind, bis wir guter Boden sind. Und dann sehen wir eben auch durch die verspiegelten Fenster hindurch Gottes Raum, Gott an uns und der Welt wirken.

Wir wollen keine Bettler vor Gott sein. Wir sind stolz – den Stolz lassen wir uns nicht nehmen. Wir wollen kein Boden sein, der erst bereitet werden muss – wir sind guter Boden, bester Boden. Doch es geht nicht darum was wir wollen oder um das, was wir von uns denken, sondern der Heilige Geist hat unsere Seele verwundet, wir sind sehnsüchtig. Sei nicht traurig, wenn Du vom Heiligen Geist verwundet worden bist. Das ist die Chance unseres Lebens. Wir können diese Sehnsucht nur stillen lassen, indem wir uns Gott hinhalten. Erst sein Geist wird unsere Sehnsucht erfüllen.