Kolosser 4: Glaube verändert

Der für den heutigen Sonntag vorgeschlagene Predigttext steht im Kolosserbrief im 3. Kapitel. Der Schüler des Apostels Paulus schreibt im Namen seines Lehrers Paulus an die Gemeinde in Kolossä:

So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld;
und ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!
Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit.
Und der Friede Christi, zu dem ihr auch berufen seid in einem Leibe, regiere in euren Herzen; und seid dankbar.
Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen:
Lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen.
Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.

Soweit der Predigttext.

Ich habe in den letzten Wochen zwei Bücher gelesen, die die Bedeutung des christlichen Glaubens darstellen. Sie legen dar, wie sehr der christliche Glaube die Menschheit verändert hat. Er förderte die Mitmenschlichkeit, die Bildung, das Gesundheitswesen, die politische Freiheit, Kunst, Musik, Literatur, Architektur, Wissenschaft – und vieles mehr hat in der Menschheitsgeschichte durch unseren Glauben neue Impulse bekommen. Es sind dicke Bücher, die das aus amerikanischer und aus indischer Sicht begründen. Ich kann das hier nicht darlegen – aber sie stellen etwas Wichtiges heraus: Das Neue kommt aus der Gebundenheit an Jesus Christus. Der Verfasser des Kolosserbriefes, der Apostelschüler, konnte noch nicht in die Zukunft schauen, konnte noch nicht sehen, was das Christentum alles im Laufe der Jahrhunderte bewirken wird, aber er bringt in der Nachfolge Jesu einen ganz neuen Ton in die Welt! Was zählt sind:

Herzliches Erbarmen,
Güte,
Demut,
Nachsicht,
Geduld,
nicht miteinander streiten,
einander vergeben,
einander lieben, das heißt, einander Gutes tun.

Manche können gar nicht glauben, dass das ein neuer Ton, eine neue Melodie in der Weltgeschichte ist, aber ein solches Verhalten ist nicht selbstverständlich. Weder ist das in unserer Zeit bei uns selbstverständlich, es ist nicht selbstverständlich im Kulturkreis des Hinduismus, Buddhismus, des Islam und sonst wo – und diese Melodie war damals, als der Kolosserbrief geschrieben wurde, auch nicht selbstverständlich. Es war ein ganz neuer Klang, der Klang einer wunderschönen Melodie, die von Jesus Christus ausgegangen ist.

Das, was der Verfasser aufzählt, das nennt man Tugend-Katalog. Der normale Verhaltenskatalog lautet: Setz dich durch! Man muss auch hartherzig sein können! Erweise dich als stärker als der andere! Sei nur nachsichtig, wenn es dir was bringt! Sei ungeduldig, damit es vorangeht! Vergeben ist so schwer, dass man es nicht einmal fordern sollte, Streiten bringt einen voran und anderen sollte man nur dann Gutes tun, wenn man die Menschen mag und wenn man weiß, dass man es zurückbekommt.

So sieht es im Alltag vielfach aus. In welcher Zeit man auch immer lebt. Manchmal wird es von einzelnen Menschen oder Gesellschaften brutaler ausgeübt, manchmal menschlicher. Es gibt Kulturen, die grausamer sind und es gibt Kulturen, die weniger grausam sind – aber so sieht in der Regel der Alltag aus.

Diesem Verhalten, das Menschen unterwirft, diesen Misstönen, die Menschen entwürdigen, setzt der Apostelschüler den neuen himmlischen Klang entgegen:

Barmherzigkeit, Güte, Demut, Nachsicht, Geduld, nicht miteinander streiten, einander vergeben, einander lieben, das heißt, einander Gutes tun.

Wie kann er das tun? Ist er Phantast, Träumer?

Er stellt diesem Tugendkatalog etwas voran: Ihr könnt das tun, weil Ihr etwas Besonderes seid: Ihr seid von Gott ausgewählt, ihr seid Gottes geliebte Kinder, ihr gehört zu ihm. Ihr könnt vergeben, weil Jesus Christus euch vergeben hat, ihr könnt barmherzig sein, weil Jesus Christus euch gegenüber barmherzig ist. Unserem Tun geht immer etwas voraus. Gottes Tun. Und weil Gottes Tun unserem Tun vorangeht, haben wir die wunderbare Möglichkeit, auf Gott zu schauen und zu fragen: Was tut er? Und wenn er es tut, dann wollen und können wir es auch – wir können es zumindest einüben: Barmherzigkeit, Güte, Demut, Nachsicht, Geduld, nicht miteinander streiten, einander vergeben, einander lieben, das heißt, einander Gutes tun.

Das Wort „Kirche“ bedeutet: Zum Herrn Jesus Christus gehörend. Das griechische Wort für „Kirche“ – „Ekklesia“ bedeutet: Die aus der Menge Herausgerufenen. Manche werfen Christen Arroganz, Hochmut vor: Ihr fühlt euch wohl als etwas Besseres, wenn ihr euch als die Ausgewählten und als Kinder Gottes bezeichnet! Manche mögen das für albern halten, aber: Christen sehen sich seit Anfang an als besonders an. Der Vorwurf, ihr fühlt euch wohl als etwas Besonderes, muss jedoch gar nicht geäußert werden, um Christen kleinzuhalten, sondern Christen denken selbst: Ich passe mich lieber an, sonst denken die anderen, ich will als etwas Besonderes angesehen werden!

Das ist jedoch eine Tatsache, dass Christen etwas Besonderes sind. Sie folgen Gott, dem Schöpfer und Erhalter der Welt in Jesus Christus. Und das soll nichts Besonderes sein? Das Besondere daran ist darüber hinaus, dass in der christlichen Gemeinde die VIPs, die very important person, die sehr bedeutenden Menschen, nicht so sind, weil sie viel Geld oder einflussreiche Eltern haben, weil sie Eigenschaften haben, die von vielen bewundert werden, weil sie in der Menschheitshierarchie hoch oben stehen. Nein, denn alle Menschen können daran teilhaben. Jeder kann zu denen gehören, die Gott auserwählt hat, jede kann Gottes Kind werden. Das ist ja nicht etwas, das wir uns selbst zuschreiben, sondern das ist ein Status, ein Stand, etwas, das Gott mit uns gemacht hat. Aber eben: Das verpflichtet auch.

Und manche fühlen sich nun unter Druck gesetzt: du musst barmherzig sein, du musst geduldig und gütig sein!

Doch das sieht der Apostelschüler anders:

Der Friede, den Jesus Christus schenkt, der Friede soll euer ganzes Leben bestimmen.

Der Friede soll uns bestimmen, nicht der moralische Stress, die Überforderung, der Hochmut.

Wie kann uns der Friede Christi bestimmen? Indem wir es uns täglich durch die Bibel sagen lassen: Du bist auserwählt, du bist Gottes Kind – und weil du es bist, kannst du dich so verhalten, wie Gott es will. Weil Jesus Christus dir die wunderschöne Melodie der Barmherzigkeit vorsingt, kannst Du sie nachsingen. Du wirst von Gott geliebt – also: Du kannst lieben! Frieden und Liebe können nicht befohlen werden, sie können aus der Gemeinschaft mit Jesus Christus herauswachsen. Du bist durch Gott zu etwas ganz Besonderem gemacht, darum kannst Du auch ganz besonders sein. Gottes schöne Melodie ist wie ein Ohrwurm in Dir drin und bestimmt Dein Verhalten.

Sind Christen friedlich? Leben sie im Frieden Jesu Christi? Da können wir und andere traurige Lieder singen. Unsere innere Unruhe, unser  innerer Unfriede, der sich auch nach außen hin zeigt, in unserem Mürrisch sein, obgleich wir gar nicht mürrisch sein wollen, unser zurückblaffen, obwohl wir es doch eigentlich gar nicht wollen, unsere friedlosen Gedanken, die immer wieder um das eine herumkreisen, sich immer stärker in Zorn und Vergebungslosigkeit und Überhöhung hineindrehen – wir kennen das, da sind wir nicht anders als andere Menschen. Wir sind auch als Christen schrecklich fähig, schrille Misstöne in die Welt zu setzen, statt Wohlklang und die gute Melodie Gottes. Wir wissen das von uns selbst nur allzugut.

Wie können wir zu diesem Frieden kommen?

Der Apostelschüler gibt dazu folgende Tipps:

Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen:

Lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen.

Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.

Diese Tipps sind nicht irgendwelche Tipps, wie sie Weise oder unweise Leute von sich geben. Es sind Tipps, die der Apostelschüler aus dem Geist Gottes an uns weitergibt. Das bedeutet, es ist äußerst ratsam, sich daran zu halten, denn sonst muss man sich nicht wundern, dass man den Frieden, den Christus schenken will, nicht spürt und seine wunderbare Melodie nicht verbreiten kann.

Meine Oma hatte mir einmal ein Buch geschenkt. Ich habe es ausgepackt und in mein Bücherregal gestellt. Dort stand es und stand es. Es konnte nicht wirken. Es konnte mich nicht verändern.

Und dann nahm ich es – und es entpuppte sich für mein Leben als ein wahrer Schatz. So ist es auch mit dem Geschenk, dass uns Jesus Christus macht. Es ist da, aber wir müssen es verwenden, wir müssen uns den Reichtum erst erschließen.

Das gilt für die Menschen in der Welt, das gilt für unsere Kultur. Wenn wir die wunderbare Melodie des Glaubens, Jesu Christi nicht wahrnehmen, nicht beachten, übergehen, kleinreden, verachten, dann kann sie auch unsere Kultur und uns selbst nicht verändern.

Und so ist das Christentum: Es beginnt mit den Einzelnen. Man darf nicht auf die Kirche als Ganze schauen. Sondern der einzelne Mann Jesus Christus begann damit, die schöne Melodie in die Welt hineinzutragen. Seine Jünger und Nachfolgerinnen, alles Einzelpersonen, nicht viele, zu Beginn vielleicht 70, die haben die schöne Melodie weitergesungen. Und daraus wurde dann der große volle vielstimmige Chor, die große Weltbewegung der Liebe Gottes zu den Menschen, die die gesamte Menschheits-Kultur beeinflusst hat. Daraus haben wir Christen gelernt: Auf jeden Einzelnen kommt es an. Man darf nicht fragen: Was machen die anderen? Man darf sich nicht selbst einschüchtern und sagen: Ich bin ganz allein am Singen! Man darf sich nicht kleinmachen lassen, wenn man hört: Du? Du willst die Welt verändern? Nein, kleinmachen lassen entspricht ganz und gar nicht christlichem Selbstverständnis und christlichem Glauben. Unserem Glauben entspricht: Wenn nicht ich – wer dann? Und dann im Geist Gottes loslegen, die Welt in meinem kleinen Umfeld mit der wunderschönen Melodie Gottes zu verändern. Wenn nicht ich – wer dann? Aber dazu gehört es, dass man sich selbst durch die Melodie Jesu verändern lässt:

Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen:

Lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen.

Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.