Predigt am 25.8.2019 (Abendgottesdienst zum Thema: Frieden: Jesus ist unser Friede)
Ich habe für unsere Predigt einen Wundertext gewählt. Es geht um den sinkenden Petrus aus dem Matthäusevangelium. Ich unterteile die Predigt in Predigt 1 – in der es um den Text aus dem Matthäusevangelium geht. Und dann folgt Predigt 2 – in dem es um den Text aus dem Epheserbrief geht, in dem es heißt: Jesus ist unser Friede. Zunächst einmal der Text aus dem Matthäusevangelium:
Und alsbald drängte Jesus die Jünger, in das Boot zu steigen und vor ihm ans andere Ufer zu fahren, bis er das Volk gehen ließe. 23 Und als er das Volk hatte gehen lassen, stieg er auf einen Berg, um für sich zu sein und zu beten. Und am Abend war er dort allein. 24 Das Boot aber war schon weit vom Land entfernt und kam in Not durch die Wellen; denn der Wind stand ihm entgegen. 25 Aber in der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen und ging auf dem Meer. 26 Und da ihn die Jünger sahen auf dem Meer gehen, erschraken sie und riefen: Es ist ein Gespenst!, und schrien vor Furcht. 27 Aber sogleich redete Jesus mit ihnen und sprach: Seid getrost, ich bin’s; fürchtet euch nicht! 28 Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser. 29 Und er sprach: Komm her! Und Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser und kam auf Jesus zu. 30 Als er aber den starken Wind sah, erschrak er und begann zu sinken und schrie: Herr, rette mich! 31 Jesus aber streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn und sprach zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? 32 Und sie stiegen in das Boot und der Wind legte sich. 33 Die aber im Boot waren, fielen vor ihm nieder und sprachen: Du bist wahrhaftig Gottes Sohn!
Soweit der Predigttext. Es handelt sich mit diesem um ein so genanntes Naturwunder. Naturwunder sind schillernde Texte. Sie schillern zwischen geschilderter Wirklichkeit und Deutung. Das heißt: Naturwunder wollen immer mehr sagen, als dass Jesus ein Wunder vollbracht hat. Sie bieten ein „Mehr“. Das „Mehr“, das, was über diesen Text hinausweist, das wird in der Predigt Thema sein.
Wind, Sturm, aufsprühendes Wasser, hohe Wellen – das zeigt, so die frühen Christen, dass Chaosmächte am Werk sind, Mächte, die verwirren, die ängstigen, die das Herz des Menschen beunruhigen und bis in den Tod hinein erschrecken. Das Böse, das Widergöttliche, der Verwirrer steckt hinter diesen Erfahrungen. Feinde Gottes stürmen an gegen die Menschen, die zu Gott gehören.
Die Sturmstillungsgeschichten zeigen: Jesus Christus ist unser Friede. Jesus Christus hat als Sohn Gottes Macht über alles, was uns bedrängt, uns bekämpft, uns ängstigt. Und da gibt es, Gott weiß es, viel, was uns Menschen plagt, schwächt, einfach mitnimmt, uns in Strudeln mitreißt. Wir haben Angst davor. Wenn es bedrohlich ist, wenn Stürme pfeifen, Blitze um uns her einschlagen, Donner in uns nachvibrieren. Wer möchte da schon sein kleines sicheres Boot verlassen? Wir haben uns in unserem Leben eingerichtet. Wir haben unsere kleinen Boote gezimmert, kleine Nussschalen, in denen wir uns ein bisschen geborgen fühlen. Wer möchte sie verlassen? Petrus muss es verlassen. Er muss aus der vermeintlichen Sicherheit hinaus, er muss sich den Stürmen, dem Widergöttlichen aussetzen. Warum muss, warum will er? Wenn Jesus kann, dann kann ich das auch! Mag er gedacht haben. Dann: Jesus fordert ihn auf. Jesus traut es ihm zu. Weil Jesus ihn dazu auffordert, macht er sich auf ins Ungewisse. Jesus bringt seinen Jünger in Gefahr? Jesus selbst will, dass er sich allen Stürmen, Ängsten, drohenden Untergängen ausliefert? Ja. Jesus selbst. Ohne diesen Sturm des Lebens merkt Petrus nicht, dass Jesus wirklich da ist, der ihn halten möchte, der ihn erwartet, der Macht hat, ihn in dem, was ihn ängstigt, zu bewahren. Jesus – unser Friede? Petrus macht sich auf, auf den Weg, sturmumtost, wasserumsprudelt, vom Feind Gottes bedroht, dem Bösen, dem Chaos bedrängt. Ein kleiner Mensch trotzt dem Widergöttlichen. Er kann es. Er schaut auf Jesus. Er schaut auf seinen Frieden in diesem Getöse des Bösen. Er hält durch! Doch auf einmal richtet er seinen Blick weg von Jesus, er bekommt Angst. Das Böse wird ihm übermächtig, es übermächtigt ihn. Es ist nicht nur außen stark, sondern wird auch stark in seinem Innern, sodass von seinem Mut, seinem Glauben, seiner Zuversicht nichts mehr übrig bleibt. Es bleibt nur ein hilfloser Schrei: Herr, rette mich!
Das war das Einzige, was noch aus ihm herauskam: Herr, rette mich! Und dann? Jesus muss nicht erst zu ihm hingehen, er ist schon bei ihm. Jesus streckt nur seine Hand aus. Er war da. Er war nah. Aber Petrus hat es nicht wahrgenommen, er hat nur das gesehen, was ihn bedrängte, was ihm Unfrieden brachte, bis ins innerste überwältigte. Jesus streckte nur seine Hand aus. Und packte ihn.
Petrus. Wie nah kommt er uns. Welche Stürme haben wir nicht schon erlebt – und werden sie erleben. Krankheiten, Sterben, Feindschaften, Behinderungen, wir kommen mit uns selbst nicht mehr klar, wir verstehen Gott und die Welt nicht mehr. Der Verwirrer überwältigt uns in unserem letzten Eckchen, er vernichtet Zuversicht, Hoffnung, Weltvertrauen, Gottvertrauen. Alles ist auf einmal verschwunden. Da hilft auch nichts zu sagen: Schau immer auf Jesus, dann hast du in allen Stürmen Frieden. Dann werden die Gegner Gottes an dir abprallen, dann werden die Schatten des Todes, Krankheiten, Sorgen, Ängste, Behinderungen dich nicht überwältigen. Doch, sie tun es, so sehr ich mir auch vornehme, mich von ihnen nicht bewältigen zu lassen, so sehr ich mir auch vornehme, immer auf Jesus zu schauen. Ich soll es tun, ich muss es lernen, ich muss auf ihn schauen und zu ihm gehen in den Stürmen, im Chaos der Ängste, der Sorgen der Krankheit, des Todes, der Feinde Gottes. Ich muss es. Aber dann, wenn sie übermächtig werden, wenn die Ängste uns in die Strudel hinabziehen, dann ist nur eines wichtig, dieser Schrei: Herr, rette mich!
Seine Hand ergreift uns, die Stürme bleiben, er ergreift uns. Er wird unser Friede. Petrus wird noch nachgezittert haben, wird noch voller Angst geatmet und sein Herz wird gebebt haben. An der Hand Jesu, aber im Sturm. Spüren wir die Ruhe, die Gelassenheit Jesu in dem Chaos, in dem Sturm? Der Sturm legte sich erst, als sie wieder im Boot waren. Aber schon vorher, an der Hand Jesu, der eine unermessliche Ruhe ausströmt und Petrus von ihr schenkt, lebt Petrus im Frieden.
Jesus ist unser Friede. Mancher von Euch wird das erfahren haben im Leben: Ja, Jesus ist mein Friede. Im Nachhinein wird sich Petrus wie wir fragen: Was war da eigentlich los? Wie war das alles möglich? Warum, warum, warum? Aber nach solchen Erfahrungen, spielen all diese Fragen keine Rolle mehr. Jesus ist unser Friede.
488 (Bleib bei mir Herr)
Predigt 2
Im Epheserbrief heißt es:
Jetzt aber in Christus Jesus seid ihr, die ihr einst fern wart, nahe geworden durch das Blut Christi. 14 Denn Jesus Christus ist unser Friede, der aus beiden eins gemacht hat und hat den Zaun abgebrochen, der dazwischen war, indem er durch sein Fleisch die Feindschaft wegnahm.
Jesus Christus ist unser Friede. Wir haben an Petrus gesehen, dass wir an der Hand Jesu trotz aller Gefahren, die uns umstürmen, Frieden erfahren. Und Menschen, die den Frieden Jesu erfahren und aus ihm leben, sind Friedensstifter. In den Seligpreisungen freut sich Jesus über die Friedensstifter. Frieden können Menschen aber nur Stiften, wenn – so sieht es der Epheserbrief – wenn Menschen vom Frieden Jesu durchdrungen sind. Der Briefschreiber blickt zurück: Juden und Heiden waren getrennt. Sie trennten sich voneinander, sie wollten miteinander nichts zu tun haben. Nun geschah durch das Kreuz Jesu, durch den Tod Jesu etwas Besonderes: Jesus verbindet beide. Jesus überbrückt die Kluft zwischen den beiden Gruppen, durch seinen Tod. Sein Sterben vereint beide, führt sie zusammen. Der Apostel hat es in den Gemeinden erfahren: Sie sind nicht mehr getrennt, sie leben in Jesus Christus eine Einheit.
Das können wir heute weiter führen. Der Frieden, den Jesus Christus schenkt, der führt auch Menschen zusammen. Wie Paulus schreibt: In Jesus Christus gibt es die Trennung nicht mehr zwischen Juden und Heiden, Frauen und Männern, Sklaven und Herren – sie sind alle eins.
Wie viel Trennendes gibt es heute zwischen uns Menschen? Trennendes heißt nicht, dass es ein wenig Meinungsverschiedenheiten gibt. Man kann sich leicht über sie hinwegsetzen, indem man sich mit gutem Willen einigt. Trennendes heißt: Es passt nicht zusammen. Man kann nicht zusammen kommen. Zu viel an Schmerz, an Vorurteilen, an Dissonanzen verhindern überhaupt den Gedanken daran, dass man irgendwie gut miteinander umgehen könnte. Das finden wir in unserem alltäglichen Miteinander, das finden wir in gesellschaftlichen Zerrissenheiten. Man bekämpft sich, man überhebt sich und erniedrigt den anderen, man kommt miteinander nicht nur nicht klar, sondern steckt kämpfend seine Reviere ab. Das war damals nicht anders als heute.
Jesus Christus ist der Kitt, der uns zusammenführen kann. Wie in der Sturmstillungsgeschichte geht es darum, auf Jesus zu schauen in diesen Auseinandersetzungen. Er ist unser Friede. Er allein. Nicht wir sind die Friedfertigen, weil wir es aus uns heraus wären, sondern er ist der Frieden, der uns zusammenführen kann.
Jesus Christus führt Menschen zusammen. Und so es an uns Christen liegt, sollten wir alles dazu tun, dass dieser Frieden wie eine Aura um uns her andere Menschen in den Frieden mit hineinzieht. Dahinter können und dürfen wir nicht zurück. Menschen, die zu Jesus gehören, strecken zu jedem die Hand aus. Es gibt keine Ausnahmen. Sie suchen die Einigung, sie suchen das Miteinander, das sowohl im persönlichen Leben als auch in der Gesellschaft. Das tun sie auch dann, wenn es modern wird, zu trennen, wenn es modern wird zu sagen: Mit dem rede ich nicht. Wenn der Gruppenzwang sehr groß wird: Hab mit denen nichts zu tun, sonst zählen wir dich zu denen. Christen muss das egal sein. Feindbilder werden gepflegt: Christen machen nicht mit! Feuer gegen andere wird geschürt: Christen, macht nicht mit! Unisono wird mit den Wölfen geheult: Christen, macht nicht mit! Aus dem Frieden Jesu Frieden zu suchen, kann gefährlich sein.
Wir wissen aber alle, dass zum Frieden immer zwei Seiten gehören. Beide, die getrennt sind, müssen bereit sein, diesen Frieden zu wollen. Damit sind wir wieder bei der Petrus-Geschichte. Das Chaos, das Widergöttliche, der brutale und gefährliche Sturm – der bleibt. Menschen lassen sich in ihrer Feindschaft nicht so leicht zum Schweigen bringen, Krankheiten gehen nicht einfach so fort. Sterben und Tod begleiten das Leben, Erschrecken und Sorgen, also alles, was uns umtost und durchdröhnt, bleibt. Wir können das nicht ändern. Wir haben keine Macht, das Widergöttliche zum Schweigen zu bringen. Fast alle Jünger sind später eines gewalttätigen Todes gestorben. Wie Jesus selbst, so auch Paulus. Die Menschen in ihrer ganzen Brutalität und auch das Leben in seiner ganzen Brutalität wird nicht verharmlost, wird nicht verniedlicht, wenn wir von Jesus Christus als unseren Frieden reden. Wenn Jesus Christus unser Friede ist, wenn wir wieder an der Hand Jesu gehen, und es für uns innerlich ruhig wird, dann heißt das noch lange nicht, dass das, was uns feindlich gesinnt ist, auch ruhig ist. Die Gegner rumoren. Viele von Euch wissen gar nicht, bekommen gar nicht mit, wie aggressiv und unerbittlich sie rumoren. Wie auch immer die widergöttlichen Mächte, die Menschen, die Spaltung, Verfolgung, Denunziation bringen, die Mächte des Todes, der Krankheit es anstellen: Jesus Christus ist unser Friede. Durch uns hindurch kann darum auch der Friede leuchten, im Glauben können wir über das Wasser gehen, das uns umtost, uns in die Tiefe hinabziehen will. Im Glauben können wir es, weil nicht wir selbst so friedlich sind, und den Frieden gepachtet haben, nein, wir können es, weil Jesus Christus unser Friede ist. Wenn dann die Stürme des Lebens uns erschrecken – dann lasst uns den Schrei nicht vergessen und ihn zu unserem machen: Herr, rette mich! Spüren wir die Ruhe, die Gelassenheit Jesu in dem Chaos, in dem Sturm? Der Sturm legte sich erst, als Petrus und Jesus wieder im Boot waren. Aber schon vorher, an der Hand Jesu, der eine unermessliche Ruhe ausströmt, erfahren wir einen wunderbaren Frieden.
Dann erweist sich Jesus Christus als unser Friede, der uns im Johannesevangelium sagt:
Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.