Gottes Humor (Johannesevangelium 1)

Jesus von Nazareth. Nazareth ein winziges Dörfchen. Es wird angenommen, dass es zwischen 50 und 400 Einwohner hatte, wobei die untere  Zahl angemessener ist. Die Menschen von Nazareth lebten wohl in Wohnhöhlen, die in einem Berghang ausgehauen waren. Sie lebten in ihnen mit ihrer ganzen Familie, mit dem Vieh und den Arbeitsgeräten. Diese Höhlen waren wohl dunkel und stickig. Sie arbeiteten auf dem Feld und, wie wir von Joseph und Jesus hören: Sie waren Handwerker, Zimmerleute, die für die Holzgeräte des Dorfes  zuständig waren.

Lukas berichtet uns, dass der Engel zu Maria kam. Maria lebte wohl in einer solchen Wohnhöhle. Dieser Engel sagte ihr einmalige Worte:

”Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und du  sollst ihm den Namen Jesus geben. Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.”

Diese Worte, die einen sprachlos machen, hörte also die junge Maria, vielleicht um die dreizehn bis fünfzehn Jahre alt in ihrer dunklen Wohnhöhle des winzigen Nestes Nazareth. Der angekündigte Sohn wurde geboren, wuchs auf, wirkte in dem  kleinen Nest Nazareth, reparierte das Arbeitsgerät seiner Dorfbewohner. Irgendwann zog es ihn vielleicht im Alter von 30 Jahren hinaus. Er begann, sich im Namen Gottes den Menschen in ihren kleinen Alltäglichkeiten zuzuwenden, sprach zu ihnen von Gottes kommender Herrschaft, und heilte von Krankheit, befreite von Zwängen und Dämonen, sprach Gott als ”Vater”, als ”Väterchen” an. Er geriet in Konflikt mit den kleinen und großen Herrschern seines unbedeutenden Galiläa, dann mit denen aus Judäa, dann mit den Römern, den Herrschern der damaligen westlichen Welt – und er wurde hingerichtet. Und von diesem Menschen sprechen wir bis heute – und von ihm wird alle Zeit gesprochen werden.

Wenige Jahrzehnte nach seinem Tod sang die frühe Gemeinde folgendes geheimnisvolles Lied über ihn:

Predigttext: Johannes 1,1-14 (gekürzt)     

Im Anfang war das Wort,
und das Wort war bei Gott,
und Gott war das Wort.
Dasselbe war im Anfang bei Gott.
Alle Dinge sind durch das Wort gemacht,
und ohne das Wort ist nichts gemacht, was gemacht ist. 
In ihm war das Leben,
und das Leben war das Licht der Menschen.
Und das Licht scheint in der Finsternis,
und die Finsternis hat’s nicht ergriffen.
Das war das wahre Licht,
das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen.
Er war in der Welt,
und die Welt ist durch ihn gemacht;
aber die Welt erkannte ihn nicht.
Er kam in sein Eigentum,
und die Seinen nahmen ihn nicht auf. 
Alle, die ihn aber aufnahmen,
denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden,
denen, die an seinen Namen glauben,
denen, die nicht aus dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind.
Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns,
und wir sahen seine Herrlichkeit
als des eingeborenen Sohnes vom Vater,
voller Gnade und Wahrheit.
Von seiner Fülle haben wir genommen Gnade um Gnade.
Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben;
die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.
Niemand hat Gott je gesehen;
der Einziggeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist, der hat ihn uns verkündigt. 

Soweit der Predigttext.

Wenn wir lesen, wie Jesus aufwuchs, wenn wir hören, wo Jesus aufwuchs – können wir hier angesichts dieser Worte nicht von einem göttlichen Scherz reden? Von einem Scherz, den sich Gott mit uns Menschen erlaubt?

Wir schauen auf Hauptstädte – und in solch einem Nest Nazareth wird Jesus Christus geboren?       

Wir schauen auf Wohnkomfort – und in solch einer Höhle wächst Jesus mit seiner Familie und dem Viehzeug auf?

Welch ein Scherz Gottes! Gott hat Humor – er, der Schöpfer der Welt, der, der sie erhält, wird in diesem kleinen Burschen einer wie wir. Und – nehmen Sie es mir bitte nicht übel, wenn ich es so ausspreche: Und er pinkelte in die Windeln wie wir, schrie, als er Zähnchen bekam – und wir Glaubenden sind nun mitten in diesem Humor Gottes drin.

Wir freuen uns, dass Gott so klein wurde. Und all die kleinen Großkopferten unserer Welt, die stolz und auch gewalttätig auftraten und mickrig  endeten, all die kleinen Aufgeplusterten unserer Zeit – sie werden an diesem Humor Gottes gemessen. Und weil dem so ist, sind Christen die freiesten Menschen der Welt, auch wenn die Großen sich überheben und mit ihren Steigbügelhaltern Macht und mit ihren Fans Gewalt ausüben.

Von dieser Freiheit spricht auch unser Text: Glaubende gehören Gott, sie sind seine Kinder. Durch den gesamten Text hindurch zieht der Atem der Freiheit. Die Freude über die von Gott geschenkte Freiheit. Glaubende sind nicht durch den Willen des Mannes geboren – auch hier: die kleinen Herrscher haben nichts mehr zu sagen: Gott in seinem göttlichen Humor geht seine eigenen Wege mit den Seinen. Menschen, kluge Menschen, denken sich viele Wahrheiten aus: Philosophen, Psychologen, Soziologen, Theologen. Ganze Völker werden in diesen Wahrheiten geknechtet – und seit es christliche Herrscher gibt, leider auch in menschliche, sich christlich gebärdende Wahrheiten. Doch die Wahrheit ist durch Jesus Christus gekommen. Glaubende sind frei und leben in dieser Wahrheit. Menschen sind abhängig von den kleinen Gnaden ihrer Herren, von Königen wie von Sozialämtern, von Regierungsvertretern wie von ihren vielen Stellvertretern, sind abhängig von so vielen Menschen. Doch Glaubende leben aus der Fülle der Gnade Gottes. Gnade um Gnade bekommen sie. Glaubende sind frei von diesen kleinen menschlichen Gnaden und Launen, auch wenn sie unter ihnen leben.

Das frühe christliche Lied, das wir von Johannes gehört haben, ist ein recht schwer zu verstehendes Lied. Als ich es vorgelesen habe, werden Sie vielleicht nicht viel verstanden haben. Es ist der staunende, der frohe Gesang darüber, was Gott uns Menschen getan hat. Es geht hier jedoch nicht viel um Verstehen, sondern wir haben hier ein Lied der frühen Gemeinde vor uns, das man so lange singen muss, dessen Worte man so in sein Herz eindringen lassen muss, bis sie das Herz bewegen, bis sie die  Augen des Geistes öffnen, damit diese Herrlichkeit in uns einströmen kann. Und darum spricht das Lied davon, dass Menschen all das nicht nach zu vollziehen vermögen, sondern hier geht es um von Gott geschenktes Erkennen. Es geht um das Erkennen der aus Gottes Humor geborenen Freiheit und Freude der Glaubenden.

Im Anfang war das Wort,
und das Wort war bei Gott,
und Gott war das Wort.
Dasselbe war im Anfang bei Gott.
Alle Dinge sind durch das Wort gemacht,
und ohne das Wort ist nichts gemacht, was gemacht ist. 
In ihm war das Leben,
und das Leben war das Licht der Menschen.

Ich möchte dem nun ein wenig nachsinnen.

Jesus Christus, so beginnt unser Text, ist Gottes machtvolles Wort. Durch dieses Wort ist alles geschaffen, durch dieses wird alles erhalten, und Jesus Christus ist es, der uns Gott durch sein Wort verkündigt, weil er selbst Gottes ist. Doch interessiert uns Menschen das? Wir interessieren uns ja für Menschen oft nur dann, wenn es etwas bringt, wenn für uns etwas dabei herausspringt. Doch Gott – was nutzt es, von Gott zu wissen? Was bringt es zu wissen, wer Gott ist, was Gott tut? Hier blitzt wieder Gottes Humor mit uns Menschen auf: Gerade an Weihnachten sehen wir, dass Gott um diesen unseren Charakter weiß. Und so können wir seit Weihnachten gar nicht mehr von Gott reden ohne auch von dem zu reden, was er für uns an Freude und Freiheit bringt. 

– Er kam als Licht in die Finsternis – so sagt es unser Text. In dieser Finsternis haben wir uns verkrochen, wie die kleine Maria in ihrer Wohnhöhle. In dieser Finsternis leben wir, wir, in die das Leben uns gestürzt  hat, in der uns unsere Gedanken über uns und über die Welt hineinverweben. 

– Er kommt als der, der Einsame zu seinen Kindern macht. Wie oft denkt man als Kind, wenn sich Eltern oder Freunde gegen einen verschworen haben, man sei nicht geliebt, man gehöre nicht zur Familie, man sei den Freunden egal. So lenken auch uns unsere Gedanken in die Irre. Wenn wir Nöte erleben glauben wir, wir seien nicht Gottes Kinder – doch seit Jesus Christus wissen wir: Wir sind Gottes Kinder. Das schützt uns nicht vor Schwierigkeiten und Not. Auch für Maria begann nach dieser Ankündigung, dass sie den Messias gebären wird, das äußerst schwere Leben. In so einer kleinen Dorfgemeinschaft beginnt das große Getratsche, die Gefahr, gesteinigt zu werden, wurde größer, und auch das Jesus-Baby wurde schwer und schwerer.

Jesus, groß geworden, war nicht befreit von Not. Im Gegenteil. Spätestens Karfreitag werden wir eines anderen belehrt. Und welch große Not muss einer ertragen, der Menschen liebt, und sie ins Unglück rennen sieht, wie Jesus? Paulus, die alten Propheten – wer von ihnen hatte es durch seinen Glauben leichter? Die Schwierigkeiten sind Zeichen, den Glauben zu bewähren, und so wuchsen sie alle an den Nöten in ihrem Glauben, auch wenn sie oft nahe daran waren, zu zerbrechen.

Paulus schreibt – ich sage es mit eigenen Worten – : Wir wussten nicht ein und aus. Doch gerade dann wurde Gottes Gnade an uns besonders groß, weil wir Menschen nicht mehr in Gottes Wirken hineinpfuschten. Aus Gottes Fülle empfangen Glaubende Gnade um Gnade, nicht aus ihren Lebensträumen, aus der Gesundheit, der Stärke, dem Stolz, der Unverwundbarkeit, der Größe. 

– Jesus kommt und bringt Gnade und Wahrheit uns, die wir in Unbarmherzigkeit leben, uns, die wir in einer Welt der Stolzen und der Ellbogen kriechen. Uns, die wir nicht wissen, was Wahrheit ist, die wir hin und her schwimmen in den vielen Wahrheiten dieser Welt – die einen sagen und wir wissen es nicht besser und schreien: . Die anderen sagen Hott, ganz überzeugend – und wir wiederholen aus tiefster Überzeugung: Hott. Wir lassen uns von schönen Worten einlullen und verführen – doch Jesus bringt Wahrheit, die auch zu schmerzen vermag. Er bringt Gottes Maßstab für Leben, Denken, Reden, Handeln. 

– Er kommt und bringt das Wort. Nicht irgendein Wort, sondern das Wort, das rettet und richtet. Das Wort, das aufrichtet und stört. Das Wort, das tröstet und verstört. Angesichts der vielen Worte, die wir Menschen sprechen und plappern, ist er das Wort, das Wort das war, das Wort, durch das die Welt wurde, durch das sie erhalten wird und auch ihr Ende finden wird. Sein Wort wirkt. Seine Liebe und Zuwendung stecken uns an – und darum sind wir heute hier. Seine Wahrheit bewegt uns – und wenn es nur die Sehnsucht nach seiner Wahrheit ist. In dieser unserer Sehnsucht wirkt Gott mit seinem Humor, damit wir seine Kinder werden und bleiben.

Gott möchte also nicht, dass wir von ihm reden, ohne dass wir als seine Kinder auch von uns reden.

Wenn wir sagen: Er ist das Licht, dann sagen wir gleichzeitig fröhlich: Das Licht kam zu uns. 

Wenn wir sagen: Gott ist himmlischer Vater – dann sagen wir gleichzeitig voller Dankbarkeit: Wir sind Kinder Gottes. 

Wenn wir sagen: Er bringt Gnade und Wahrheit – dann sind wir im Glauben gleichzeitig die freien Menschen, die aus seiner Fülle nehmen.

Wenn wir sagen: Er ist das Wort und spricht – dann spricht er zu uns – zu uns! – Und so macht er uns, wenn wir intensiv auf ihn hören, neu!       

Und so wird das Leben der Glaubenden als Kinder Gottes wie Gott es will: 

Wenn andere über die Finsternis schimpfen – zünden sie ein Licht  an. 

Wenn Menschen andere in Einsamkeit vertreiben – suchen Glaubende sie im Namen Gottes auf.

Wenn andere unbarmherzig sind, verstoßen, verwerfen – dann stehen Glaubende auf und nehmen in die Arme. 

Wenn andere lügen, meineidig werden, vertuschen, schweigen, mit Ideologien und Religionen – auch mit der christlichen – betrügen und Netze legen, so sind Glaubende aus der Wahrheit. 

Das kann nicht ein einzelner Mensch wirken. Aber als Gemeinde. So bleiben Glaubende als Gemeinde Salz der Erde und Licht der Welt. Sie bleiben das, was der Mann aus dem Nest Nazareth von den Seinen wollte und will. Und wie wir uns kennen, sind wir nicht so, wie wir sein sollten. Doch sind wir durch Gottes Humor in sein Handeln hineingenommen – und darum brauchen wir nicht darauf zu schauen, wie wir sind. Wir können auf ihn schauen und darauf, wie er uns haben will. Und er schaut  auf uns – mit Humor.