Kolosser 4: Dankbares Gebet

Predigt Kolosser 4 – Sonntag Rogate

Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung! Betet zugleich auch für uns, auf dass Gott uns eine Tür für das Wort auftue und wir vom Geheimnis Christi reden können, um dessentwillen ich auch in Fesseln bin, auf dass ich es so offenbar mache, wie ich es soll.

Soweit der Predigttext.

Menschen beten. Gott erhört. Gott erhört nicht. Wir Menschen verstehen oft nicht, warum mal das eine, mal das andere. Manche hören auf zu beten, weil es, so meinen sie, nichts bringt. Manche hören auf zu beten, weil sie aus Gebeten, die nicht erhört wurden, schließen, dass es keinen Gott gibt. Manche sehen: Christen jubeln über Gebetserhörung, über Schutz und Bewahrung in Verfolgung – und gleichzeitig werden Häuser von Christen niedergebrannt, Väter ermordet oder inhaftiert, Kinder entführt, Frauen geschändet – nur weil sie Christen sind, wie jetzt wieder in Pakistan in der Stadt Quetta. Und auch andersherum: Gerade Christen, die in Verfolgungssituationen, in Zeiten der Not leben, beten und danken, weil sie dadurch Gott nahe kommen, ihn in sich spüren, seine Kraft, seine Gemeinschaft, seinen Trost. Wie Paulus in unserem Predigttext schreibt: Er ist im Gefängnis, er ist gefesselt – aber er, der Glaubende ist frei zu beten, um Fürbittgebet zu bitten, denn Gott ist nicht gebunden, der Mensch Gottes ist auch in Fesseln frei. Und die Gemeinde soll nicht darüber klagen, dass Paulus gefesselt ist. Sie soll sich an Gott wenden – bittend und mit Dank. Nicht die Befreiung steht im Mittelpunkt des Bittgebetes – sondern das Wort Gottes. Es ist frei, es kann frei laufen, auch wenn Paulus gefesselt und gefangen ist.

Was ist das Gebet? In allen Religionen gibt es Gebete. Sogar im Buddhismus Myanmars, so habe ich einmal gehört, gibt es Wunscherfüllungsgebete. Sind Gebete Wunscherfüllungstexte, die man nur mal so kurz spricht – schwupp, es geschieht, was man möchte? So eine Art Zauberwort, das die Not wegbeamt, das unsere Fragen und unser Leiden wegschnippt? Und wenn wir ganz lieb sind, dann erhören die Götter, erhört Gott das Gebet ganz besonders? Ja, so denken Menschen aller Religionen und sonderbarer Weise auch Christen.

Viele von uns haben vermutlich erfahren, dass dem nicht so ist. Gebete schnippen Not nicht weg. Manche von uns haben das schmerzhaft erfahren müssen. Mit diesen Erfahrungen geht jede und jeder anders um. Ich weiß nicht, wie es Ihnen in den jeweiligen Nöten ergangen ist, in denen sie fest auf Gott vertraut haben – aber Ihr Gebet nicht erhört wurde. Manche sind ärgerlich auf Gott, bleiben aber bei ihm, weil es ihn gibt. Manche freuen sich nachträglich, dass Gott nicht alle Gebete erhört hat, weil sie dadurch selbständiger geworden sind, weil manche Bitten wirklich äußerst kleinkariert und dumm waren – im Nachhinein gesehen.

Menschen aller Religionen beten. Aber was sagt Jesus dazu?

  • In den Evangelien lesen wir, dass Jesus die ganze Nacht lang gebetet hat – er lebte aus und in seinem Gebet. Jesus lehrte: Plappert nicht im Gebet, macht nicht viele Worte. Aber was machte er die ganze Nacht im Gebet, wenn nicht reden? Er legte sich in den Raum Gottes, umhüllt von Gott, er wurde sich bewusst, dass Gott, sein Vater, ihn leitet, ihm Kraft gibt für die äußerst schwere Arbeit – in diesem Freiraum Gottes lebte er dann in seinem harten Wirken weiter, aus diesem Gebets-Raum lebte er seinen schweren Alltag. Auch wenn die Menschen und ihr Leiden ihn zu fesseln versuchten.
  • Jesus lehrte, dass Menschen, die ihm folgen, leiden müssen, leiden bis zum Tod. Warum lässt Gott das zu? Das ist für Jesus keine Frage – Gott ist, und diejenigen, die sich Gott zuwenden und Jesus Christus nachfolgen, sind bereit dazu, auch bereit zu leiden. Wie Paulus bereit sein muss, im Gefängnis zu leben. Verfolgung und Tod widersprechen nicht der Existenz Gottes. Sie sagen auch nichts darüber aus, dass Gott die Christen nicht mag, dass sie falsch gebetet haben, dass sie nicht genug gebetet haben. Christen gehören Gott. Als solche Gotteskinder ertragen sie die Bosheit der Menschen und handeln so lange sie können, damit die Menschen ihren Lebensweg durchdenken und ins Licht Gottes stellen. Denn auch im Leiden sind Christen, wie der Predigttext sagt, bereit, das Wort Gottes weiterzugeben – gestärkt durch das Gebet.
  • Was ist das Besondere am Gebet Jesu? Denken wir an Jesu Gebet in Gethsemane: Wie Jesus sich im Gebet zu Gottes Willen hindurchringt, so ist auch unser Gebet ein Hindurchringen zu Gottes Willen. Mein Wille widerstrebt dem Willen Gottes. Und meinen Willen mit dem Willen Gottes in Einklang bringen, das lernen wir vom Gebet in Gethsemane. Und mein Leiden ist ein Mitleiden mit Gott. Gott leidet mit mir – ich leide mit Gott. Gottes Wille und ich wachsen ein Stückweit zusammen.
  • Jesus lehrt aber auch, dass man Gott im Gebet bedrängen soll. Wir sollen uns nicht vornehm zurückhalten und so tun, als sei alles in Ordnung: Wir sollen Gott lästig werden, in großer Not, in Lebenskrisen… Und so kann es sein, dass nicht wir uns nicht voreilig zurückhalten müssen, dass wir uns nicht in Gottes Willen hineinbegeben müssen, sondern dass wir hinausschreien können, was uns schmerzt, verletzt, auch am Verhalten Gottes, dass wir uns von Gott zurückgestoßen fühlen. Und so geschieht es, dass nicht wir uns allein zu Gottes Willen durchringen, sondern eben auch sich Gott zu unseren Willen hindurchringen kann.
  • Aber letztlich verstehen wir nicht. Jesus musste leiden, starb, weil Gott ihn nicht aus den Fängen seiner Feinde entrissen hat. Wir verstehen nicht. Aber dadurch, dass Gott Jesus auferweckt hat, wissen wir, dass es kein Zorn ist, dass es kein blindes Schicksal ist oder missgünstige Götter sind, sondern – was die Sache im Grunde schwerer macht – dass es der liebende Gott ist, in dem alles einmündet, in dem wir liegen, in dem wir bewahrt sind, was auch immer geschieht. Wir verstehen nicht das viele Leiden. Auch unser Leiden, das uns gefangen nehmen will, verstehen wir vielfach nicht. Aber weil wir Gott als den Liebenden erfahren, können wir uns ihm anvertrauen, ohne verstehen zu müssen. Wie der Predigttext zeigt. Wir können in ihm unsere Ruhe finden, damit die Seele heilen kann. Der Diamant wird erst durch Sterben der Pflanzen, Vergehen, Druck zu einem Diamanten.
  • Zuletzt aber sehen wir am Leben Jesu selbst: Wir sollen anderen zur Gebetserhörung werden, indem wir ihnen helfen, den Mitmenschen in ihren Nöten, Ängsten, Schwachen, Versagen beistehen.

In welcher Situation auch immer wir leben, was wir auch immer denken: Gott möchte, dass wir uns nicht verstellen, dass wir – wenn uns danach ist – unseren Zorn hinausschreien, unsere Enttäuschungen in unseren Tränen Gott hinhalten. Gott, den wir in manchen Gefängnissen des Lebens, in eigenen und den Situationen anderer, nicht verstehen, suchen und nicht finden, rufen – doch unser Ruf verhallt im Dunkel des Lebens und der Sorgen – diesem Gott sollen wir unseren Schmerz zuschreien! Ja, das sollen wir. Mit Gott ringen und kämpfen. Ja, das sollen wir.

Aber dazu gehört auch etwas anderes, etwas äußerst Wichtiges: das Danken. Und so heißt es im Predigttext:

Wachet in den Bitten mit Danksagung,

das heißt: Wir müssen uns nicht auf Bitten und Klagen konzentrieren. Sie machen uns, wenn sie nicht mit Danksagung begleitet werden, klein, unselbständig, dunkel, wir erstarren in unserer Not, erschrecken vor unseren eigenen Klagen – Klage zieht die nächste Klage heran, wie ein langes, unendlich langes Band an Klagen und Bitten.

Wir Menschen stellen bitten und Klagen höher als die Dankbarkeit. Wir lieben die Wunscherfüllungsgebete, wie sie auch Buddhisten und Menschen aller Religionen lieben. Aber Dankbarkeit? Dankbarkeit ist eine Haltung, die der Geist Gottes in uns schaffen muss, sie ist eine Haltung, zu der wir bereit sein müssen. Der Geist Gottes ist es, der dafür sorgt, dass Dankbarkeit all unser Leiden durchdringt, unsere vielen Fragen, die wir haben. Die Dankbarkeit lehrt uns, dass nicht wir um Zentrum stehen: Gott steht im Zentrum. Nicht wir sind die Sonne, um die sich andere Menschen und Gott kreisen. Gott ist die Sonne, um die wir kreisen. Steht Gott im Zentrum, dann lässt er uns seine Wärme und sein Licht, seine Kraft und seine Liebe zukommen. Wer Gott ins Zentrum rückt, der gibt sich nicht selbst auf, macht sich nicht selbst größer oder kleiner. Er schaut auf den, der ihnen Leben, Glauben, Liebe, Hoffnung und Wachstum gibt.

Dankbarkeit. Ein Zauberwort. Ein Mensch, der dankbar ist, der sieht die Welt mit anderen Augen. Er sieht das, was um ihn herum geschieht, nicht nur dunkel, finster, trüb. Die Zukunft ist nicht nur Furcht erregend, zerstörerisch, am Hinabgleiten. Warum? Weil eben das Vertrauen auf Gott baut. Gott ist der Handelnde und derjenige, der handeln wird. Wir Menschen versuchen ständig Gottes gutes Wirken, das Wirken, das weiterführt, zu untergraben. Wir sehen das an unserer Liebe zu Bitten und Klagen. Gott bringt das Licht – doch wir stülpen diesem das Gefäß des Bedenkens über, Gott bringt Hoffnung, doch wir ersticken sie mit der Decke des Misstrauens. Gott bringt Bewegung und Leben, doch wir haben nichts Besseres zu tun, als in unseren trüben Gedanken zu erstarren. Dankbarkeit ist wie eine Blume, die sich der Sonne entgegenstreckt und das Licht und die Wärme mit allen Poren aufnimmt, sie trinkt.

Schulkindern, die sehr schweigsam sind, versucht man mit einem Trick zu helfen: Lege Dir fünf Buntstifte auf das Pult. Das bedeutet: Du musst dich fünfmal melden. Jedes Mal, wenn Du dich gemeldet hast, nimmst du einen Stift weg. Und wenn Du alle abgearbeitet hast – siehe da, du meldest dich dann irgendwann auch ohne Stifte. Dieser kleine Trick hilft uns auch, den heiligen Geist, der uns zu dankbaren Kindern Gottes machen möchte, zu unterstützen: Sage fünfmal am Morgen, fünfmal am Nachmittag, fünfmal am Abend Gott für irgendetwas, das Dir wichtig ist, Dank. Das über einen längeren Zeitraum getan hat zur Folge, dass irgendwann der Dank in Dir von ganz alleine singt.

Was werden wir zuerst bemerken? Wie schwer das ist! Aber: Durchhalten.

Wachet im Gebet mit Danksagung!