Der für den heutigen Sonntag vorgeschlagene Predigttext steht im Brief des Paulus an die Römer im 8. Kapitel:
Denn ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll. Denn das ängstliche Harren der Kreatur wartet darauf, dass die Kinder Gottes offenbar werden. Die Schöpfung ist ja unterworfen der Vergänglichkeit – ohne ihren Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat –, doch auf Hoffnung; denn auch die Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick mit uns seufzt und sich ängstet.
Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst, die wir den Geist als Erstlingsgabe haben, seufzen in uns selbst und sehnen uns nach der Kindschaft, der Erlösung unseres Leibes. Denn wir sind zwar gerettet, doch auf Hoffnung. Die Hoffnung aber, die man sieht, ist nicht Hoffnung; denn wie kann man auf das hoffen, was man sieht? Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir darauf in Geduld…
Und den gesamten Abschnitt schließt Paulus mit den Worten:
Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht macht. Wer will verdammen? Christus Jesus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist und uns vertritt. Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? Wie geschrieben steht: »Um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag; wir sind geachtet wie Schlachtschafe.« Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.
Soweit der Predigttext.
Kann der Gott der Christen wirklich ein Gott sein? Er ließ nicht nur zu, dass Jesus von Nazareth, den alle den Sohn Gottes nennen, von bösen Menschen hingerichtet wurde, sondern auch heute lässt er es zu, dass Menschen, die sich zu ihm bekennen, verfolgt werden, erniedrigt, getötet. Was ist denn das für ein Gott?
Diese Frage bekommen Christen überall und immer wieder zu hören. Aus dem Hintergrund anderer Religionen – aber auch aus dem Hintergrund von Menschen, die nicht an Gott glauben, den Atheisten. Denn Gott wird aus der Perspektive menschlicher Herrscher betrachtet: Man will einen Gott, der seine Macht wie die antiken Herrscher gewaltvoll zur Not durchsetzt. Der zwingt, der alle unterwirft.
Und das geht ja nicht nur allein darum, dass Christen ermordet werden. Die furchtbaren Erniedrigungen führen zum Beispiel sogar dazu, dass in Pakistan christliche Frauen häufig nicht in der Lage sind, Kinder zu bekommen, dass Christinnen ausgestoßen werden und ihnen nichts anderes übrig bleibt, als sich zu prostituieren, um am Leben bleiben zu können. Sie dürfen nur die schwerste körperliche Arbeit auf den Feldern verrichten, da sie mancherorts Muslimen nicht das Essen kochen dürfen, weil sie als Unreine die Kochutensilien verunreinigen würden. Sie bekommen als Unreine überhaupt keine Arbeit, wissen nicht, wo sie wohnen können, wie sie ihre Familien ernähren können.
Ist es ihnen auch schon so ergangen? Wenn ihnen jemand ärgerlich kommt oder einfach nur unfreundlich ist – und sie nehmen sich vor: Diesen Panzer knacke ich durch Freundlichkeit? Und dann kann es sein, und häufig ist dem so, dass dann auch die Menschen freundlicher werden. Eine Schwungtür kann unterschiedlich aufgefangen werden, wenn sie zurückschwingt: Man knallt hart dagegen, oder man ergreift sie und geht mit der Hand ein Stückchen zurück, bremst sie dadurch ab und kann sie dann leichter öffnen. Das ist das christliche Prinzip, das, was wir von Jesus Christus gelernt haben: Wir Christen unterlaufen alles. Das bestimmt auch die Feindesliebe, die Jesus gelehrt hat. Feindesliebe bedeutet ja nicht, einfach dumm und schwach und naiv dem anderen die Wange hinhalten. Darum sprechen wir auch von „intelligenter Feindesliebe“ – das heißt, man denkt sich etwas aus, das den Gegner überrascht und ihn dann besiegt, ohne dass er sich als Verlierer fühlen muss. Jesus hat dafür Beispiele gegeben: Wenn ein Römischer Besatzungssoldat dich zwingt, eine Meile mit ihm zu gehen, um ihm sein Gepäck zu tragen, dann gehe zwei Meilen mit seinem Gepäck weiter. Was soll das? Das überrascht den anderen, er erwartet Widerstand – aber man übertreibt, und in dem Übertreiben wird einmal die Stimmung des anderen anders und es wird ihm, der sich stärker fühlt, verdeutlicht, dass ich, der Bezwungene, im Grunde stärker bin, weil ich bestimme, was Sache ist. Intelligente Feindesliebe – dadurch haben Christen es äußerst weit gebracht – sie haben die meisten Anhänger in der Welt und sie nehmen sehr stark zu, in vielen Ländern der Erde, auch wenn sie in Deutschland und Europa vielleicht abnehmen. „Vielleicht“ sage ich nur darum, weil ich vermute, dass die Aggressionen gegen Christen, die es in letzter Zeit vermehrt gibt, ein Indiz dafür sind, dass sich die Christengegner ärgern, weil sie sich nicht so durchsetzen können, wie sie wollen. Das darum, weil Christen nicht klein beigeben? Weil die Menschen unserer Länder doch christlicher geprägt sind, als es sich Nichtchristen wünschen?
Wie auch immer: Leiden gehört zum christlichen Glauben in vielen Ländern der Welt dazu. Und dass Leiden zu einem christlichen Leben gehört, das hat Paulus vielfach an seinem eigenen Leib erfahren müssen, und bis vielleicht auf einen Jünger Jesu sind wohl alle eines gewaltsamen Todes gestorben. Dennoch breitete sich der Glaube aus und die Freude, die mit diesem Glauben, dem Licht im Herzen kam.
Und dass Christen nicht vom Leiden verschont werden, das hat Jesus seinen Jüngern eingetrichtert. Aber warum? Ist der christliche Gott so schwach? Wer einen anderen Weg geht als aggressive Menschen, ist nicht schwach. Er geht einen anderen Weg, einen unerwarteten Weg, wie es die Feindesliebe vorschreibt, um Menschen in Gottes Sinne zu verändern.
Gott wird am Ende siegen. Anders, als wir Menschen es uns so vorstellen, aber er wird siegen. Und weil Christen das wissen, verlieren verhältnismäßig wenige unter diesen äußerst schlimmen Bedingungen ihren Glauben. Ich bewundere die Christen in den islamischen Staaten, ich bewundere die Christen in Indien und diejenigen im kommunistischen China, dass sie ihren Glauben nicht verleugnen. Sie spüren das Licht von Jesus Christus, das Licht Gottes in ihrem Herzen. Aus diesem Licht heraus können sie ein anderes, ein helles Leben führen. Und ich danke Gott, dass er die Liebe hat, sein Licht in den Herzen von Menschen leuchten zu lassen: weltweit. Ohne Unterschied der Völker, des Geschlechts, der Weltanschauung, der soziale Hierarchien, des Alters. Er geht den Lichtweg. Auch in unseren Herzen. Nicht den Weg der Dunkelheit, des Hasses, der Erniedrigung anderer. Den Lichtweg. Gott sei Dank.
Der Apostel schreibt:
Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.