Jesaja 55: Die Zukunft bricht an

Der für den heutigen Sonntag vorgeschlagene Predigttext steht im Buch des Propheten Jesaja im 55. Kapitel. Wir werden heute freilich nicht nur die Verse 1-3 der Predigt zugrunde legen, da es sich mit ihnen nur um die Einleitung der Worte handelt, sondern die ganze Rede des Propheten betrachten.

Der Prophet ist ein Marktschreier! Gott schreit durch ihn!

Alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser!
Und die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und esst!
Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst: Wein und Milch!

Gott ist ein Marktschreier – und was für einer: Es gibt alles umsonst! Er gibt alles umsonst: Wasser, Wein, Milch und zu essen! Und die Menschen kommen, sie wollen zuhören. Was? Es gibt was umsonst? Sie sammeln sich. Und dann stehen sie um ihn herum. Und der Prophet fährt weiter fort zu rufen:

Warum zahlt ihr Geld für das, was kein Brot ist,
und sauren Verdienst für das, was nicht satt macht?
Hört doch auf mich, so werdet ihr Gutes essen und euch am Köstlichen laben!

Oh weh – wie viel Geld geben wir aus für unnütze Dinge, Dinge, die uns sogar schaden. Süßigkeiten, salziges Knabberzeug, wir geben es aus für diesen und jenen Nippes und Zeitvertreib. Aber Gott will uns etwas verkaufen! – umsonst verkaufen!? – welch ein Widerspruch. Was will er uns denn verkaufen, rufen wir dem Propheten zu. Er ruft weiter:

Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir!
Hört, so werdet ihr leben!
Ich will mit euch einen ewigen Bund schließen,
um euch die beständigen Gnaden Davids zu geben.
Siehe, ich habe ihn den Völkern zu Zeugen bestellt,
zum Fürsten für sie und zum Gebieter.
Siehe, du wirst Heiden rufen, die du nicht kennst,
und Heiden, die dich nicht kennen, werden zu dir laufen
um des Herrn willen, deines Gottes,
und des Heiligen Israels, der dich herrlich gemacht hat.

Menschen geben für alles Mögliche ihr Geld aus – Gott möchte sein Volk beschenken. Und mit seinem Volk bekommen wir alles, alles Gute. Aber was ist das, was Gott uns schenken möchte? Er möchte seinem Volk einen Vertrag anbieten, einen Bund, der königlich ist. Das niedergedrückte Volk wird einen Herrscher bekommen, einen Herrscher, zu dem die Völker kommen werden. Von aller Herren Länder kommen die Völker und werden diesen Herrscher loben. Wir Christen glauben, dass Gott diesen Herrscher mit Jesus Christus, dem Sohn Davids geschenkt hat. Überall auf der Welt kommen Menschen zu ihm. Sie werden Christen, trotz Verfolgung, trotz Anfeindungen, weil sie in Jesus Christus erkennen: Der ändert mein Leben. Er macht es sinnvoll. Er bringt Licht und Segen und Frieden in mein Haus, in mein Herz – auch wenn es immer wieder mal kracht, so weist er doch den Weg zu einem Neuanfang. Er weist den Weg zu einem sinnvollen Leben.

Aber noch ist es für den Propheten Jesaja nicht soweit. Bis dieser Herrscher kommen wird, bekommt das Volk Regeln. Zu einem Bund gehört, dass beide Parteien geben und nehmen. Was soll das Volk Israel geben?

Suchet den Herrn, solange er zu finden ist.
Rufet ihn an, solange er nahe ist.
Der Gottlose lasse ab von seinem Weg
Und der Übeltäter von seinen Gedanken
Und bekehre sich zum Herrn,
so wird er sich seiner erbarmen
und zu unserem Gott,
denn bei ihm ist viel Vergebung.

Was wir hier von Gott hören, das ist ein Trostwort. Wir mögen andere Trostworte hören, Trostworte, die zu Herzen gehen, die unser Gefühl ansprechen – aber sehen wir mal auf das Wort, das uns damit geschenkt wird.

  • Wir sind Gott nicht gleichgültig: Er will mit uns einen Bund schließen – und wenn wir einstimmen, dann gehen wir auch neu miteinander um: ohne Zorn, Misstrauen, wir beschuldigen einander nicht mehr, wir können einander vergeben. Gott ist es nicht egal, wie wir miteinander umgehen, ob wir uns gegenseitig das Leben schwer machen oder es doch von Liebe beherrschen lassen.
  •  Gott ist nahe, er will sich finden lassen. Er ist nicht weit weg. Gilt der Satz noch? Ist er noch nahe? Will er sich denn noch finden lassen? Habe ich die Chancen nicht längst vertan? Woran erkenne ich, dass Gott mir nahe ist? Ich habe Schmerzen, ich bin Krank, Lebensziele werden nicht verwirklicht, Sehnsüchte nicht gestillt – und Gott ist mir nah? Ich habe ihn gesucht in der Zeit der Not, des Fragens, der Angst – wo war er da? Wo warst du da? Und Gott fragt zurück: Und wo warst du, als ich dich gebraucht habe? Du bist mein Mund in deiner Welt – und du hast mich verschwiegen. Du bist mein Arm in dieser Welt – und du hast nicht gehandelt. Du bist mein Fuß in dieser Welt – und du bist bequem sitzen geblieben. Wie kann ich ihn anklagen, dass er weghört, wenn ich rufe, wenn ich ihn selber nicht höre, wenn er mich ruft? Gott fragt zurück – aber er lässt mich nicht im Stich. Er hat mich nie im Stich gelassen und er wird es auch nicht tun. 
  • Gott weist mich auf die Zukunft. Und diese Zukunft kann mein Leben jetzt bestimmen, wenn ich mich auf Gott einlasse und nicht wieder weghöre, wenn er ruft.

Wer nicht die Zukunft im Blick hat, kann auch die Gegenwart nicht gestalten.

Das ist an alle Erfindungen sichtbar, an medizinischen und technischen, an Zielen im Weltraum, aber auch an sozial-politischen. Wer sich nichts besser vorstellen kann, verharrt, hat verloren.

Gott vertröstet jedoch nicht mit der Zukunft. Er öffnet sie uns, damit sie gegenwärtig schon anbrechen kann. Dann bekommen meine Niederlagen, meine Zweifel und Fragen ein anderes Aussehen, eine andere Bedeutung. Jesus zum Beispiel: Er hat das kommende Reich Gottes verkündigt. Und: Er hat es auf der Erde schon zeichenhaft durchgesetzt, indem er sich Menschen zugewendet hat, sie geheilt hat, ihnen Zukunft und Heimat gegeben hat. Und so kann das Kommende der Lichtblick meiner dunklen, schweren Gegenwart sein. Wir schauen in die Zukunft und sehen meistens schwarz – so wird auch die Gegenwart von Angst durchdrungen. Jesus blickt in die Zukunft und sieht Gottes Licht – so wird auch die Gegenwart bestimmt von dem Glauben, der mich dankbar leben lässt, auch wenn es immer wieder dunkel wird um mich her. Wie viel Beispiele aus dem alltäglichen Leben kennen wir, die das untermauern! Als Liebender erwartet man in der nächsten Woche die Geliebte – und jeder Tag bis man sich sieht, ist nicht mehr dunkel. Man möchte bald ein großes Fest feiern – bis es dann gefeiert ist, ist jeder Tag munter in Erwartung dieses Tages. Ferien stehen vor der Tür – die Schule bis dahin fällt immer leichter und wir werden lockerer, freundlicher. Wir sind einsam, ein Besuch hat sich angekündigt – wir fiebern auf die Stunde hin und kreisen dabei weniger um unsere dunklen Gedanken, sondern sie werden heller. All diese Beispiele zeigen: Gott weiß um uns Menschen. Er weiß, dass seine Zukunft unseren Alltag prägt. Er ist der Geliebte, er kommt zum Fest, er steht vor der Tür und hat sich angekündigt. So verändert er uns: Wir können sein Mund sein und Menschen in seinem Namen helfen; wir können sein Arm sein und Menschen in seinem Namen tragen. Das darum, weil wir selbst froher und dankbarer werden. Auch wenn wir Schweres, Niederdrückendes, gar Lähmendes erleben, so erfahren wir, wie sehr er uns durch diese dunkle Zeit hindurchträgt. Seine Zukunft erhellt unsere Gegenwart. Das schenkt er uns. Umsonst. Was für ein Geschenk!  

Und noch ein Geschenk bekommen wir von ihm: Das Abendmahl. Mit ihm schenkt er uns Kraft in unserem Alltag, Trost auf unserem Lebensweg, Hoffnung, die durch alles hindurchträgt. Mit Brot und dem Getränk von den Trauben schenkt er sich uns selbst. Schenkt er uns Zukunft, Ewigkeit. Was für ein Geschenk!

Amen.