Der für die heutige „Sommerkirche“ ausgewählte Predigttext steht in Psalm 36.
Der Psalmist betet:
8 Wie köstlich ist deine Güte, Gott,
dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben!
9 Sie werden satt von den reichen Gütern deines Hauses,
und du tränkst sie mit Wonne wie mit einem Strom.
10 Denn bei dir ist die Quelle des Lebens,
und in deinem Lichte sehen wir das Licht.
11 Breite deine Güte über die, die dich kennen,
und deine Gerechtigkeit über die Frommen.
12 Lass mich nicht kommen unter den Fuß der Stolzen,
und die Hand der Frevler vertreibe mich nicht!
Soweit der Predigttext.
Stellen wir uns vor, es gäbe keine Sonne.
Stellen wir uns vor, unsere Augen könnten nur Schatten sehen.
Durch das Wunder der Sonne, durch das Wunder der Augen können wir Farben sehen.
Wir können die Schönheit der Natur sehen, ihre Vielfalt, das Wunder der Welt.
Durch das Wunder Gottes, durch das Wunder der Seele – die Empfangsstation für Gott – können wir Gott erkennen, durch das Wunder Gottes ahnen wir die Schönheit des Glaubens. Wie sehr hat die Schönheit des Glaubens durch die Jahrhunderte Ausdruck gefunden in Architektur – denken Sie an die wunderbaren alten Kirchen –, in der Literatur, in wunderbarer Musik und Kunst.
Es geht in der Schönheit des Glaubens jedoch auch um Glaube – Hoffnung – Liebe – Vertrauen – Trost – Gerechtigkeit – Ergriffenwerden von etwas Großem, das außerhalb von uns liegt, aber in uns und durch uns wirkt. Wir finden Zuflucht, wie der Psalm sagt, unter dem Schatten des Flügels Gottes und können dadurch Glaube, Hoffnung, Liebe, Vertrauen und Trost bekommen.
Wann können wir Licht sehen? In der Finsternis? Nachts, wenn es dunkel ist – ist kein Licht da. Wie vielfältig ist das Licht! Das Licht der Sonne ist wieder anders als das Licht des Mondes, der nur das Licht der Sonne sanft weiterstrahlt und die Nacht erhellt. Wann haben Sie zum letzten Mal Abends zu dem schönen Sternenhimmel aufgeblickt? Das Licht der Sterne ist wieder anders als die Glitzerlichter auf dem Wasser, auf dem Schnee.
Der Glaube ist das Glitzerlicht, der uns das Licht Gottes erkennen lässt. Im Glitzerlicht Gottes – im Glauben – erkennen wir das wahre Licht. Wenn es in uns selbst finster ist, dann sehen wir keinen Lichtschimmer. Dieses Licht können wir auch nicht anknipsen wie einen Lichtschalter, anzünden wie eine Kerze. Dieses Glitzerlicht ist eher wie das Geschenk der Sonne. Immer wieder nehmen wir wahr, dass Menschen, die sich in ihre Finsternis einschließen, kein Licht haben wollen. Erst dann, wenn wir schon Licht in uns haben, können wir Licht sehen, können das Licht wahrnehmen und bewundern. Wir können um Gottes Licht beten. Wenn wir in finsterer, endlos langer Nacht sitzen, ängstlich, schlaflos, dann können wir beten – langsam wird es morgens hell, wird es golden – das Grau verschwindet, die Farben des Lebens leuchten auf, sie werden von den Glaubensaugen erkannt. Ein Geschenk Gottes.
Du Morgenstern, du Licht vom Licht (EG 74,1-4)
Dass Jesus Christus das Licht der Welt ist – das erkennen wir erst im Glitzerlicht des Glaubens. Wenn wir dieses Licht nicht haben, dann mag Jesus für uns ein guter Mensch gewesen sein – aber mehr nicht. Und man vergleicht ihn mit anderen bedeutsamen Menschen, mit anderen Religionsstiftern. Es wird gesagt: aber Buddha war weiser, Mohammed war klarer, gesetzlicher zu verstehen, Konfuzius hat die Welt erkannt, Ahmad war der Messias, Sayyid Ali Muhammad (Bahai) hat alle Religionen wunderbar vereint, Karl Marx kämpft besser gegen die Armut – das mag man alles sagen. Das Licht des Gottessohnes Jesus Christus wird relativiert, wird sogar massiv ausgegrenzt und nicht toleriert. Wer im Licht Gottes steht, muss nicht den Schwerpunkt darauf legen, dass andere anders sind, besser, schlechter. Wer im Licht Gottes steht, verkündet das Licht. Das ist Jesus Christus. Ohne zu vergleichen. Das ist unsere Aufgabe zu sagen: Jesus Christus ist das Licht – und wegen des Gotteslichts, sehen wir das Licht. Das gilt es zu bekennen, fröhlich, dankbar, wie der Psalmist sagt: aus der Güte Gottes heraus, der unsere Zuflucht ist.
Die Sonn hoch an dem Himmel steht (EG 459,1-3)
Jesus ist das Licht und bringt uns das Licht. Er sagt den Menschen, die ihm folgen: Ihr seid das Licht! Wir erkennen in fehlerhaften Menschen der Kirche erst das Licht Jesu wirken, wenn wir das Licht des Glaubens haben. Wir erkennen in uns fehlerhaften und verschlossenen Menschen, uns selbst, erst das Licht, wenn wir uns im Licht des Glaubens betrachten.
Ich bin das Licht der Welt? Ich bin ein Strahl des Lichts Gottes in der Welt? Natürlich! Im Licht Gottes, dem Wort Jesu, darf ich es mir gesagt sein lassen. Das bedeutet nicht, dass wir, die wir Jesus Christus kennen, nicht auch wieder in Finsternissen sitzen können, verzweifelt sind, hilflos, ängstlich, ohne Orientierung, uns im dunklen Leben herumtastend Gott anflehen, Schenk uns endlich Licht! Aber wir können uns von Jesus sagen lassen: Du bist das Licht. Auch dann, wenn ich selbst nicht meinem Ideal entspreche, wenn ich schuldig geworden bin, müde und unschlüssig. Du kannst in Dir das Licht sehen, weil ich dein Licht bin, sagt Jesus: in meinem Licht siehst du das Licht in Dir selbst. Du darfst es sehen, auch wenn Du Dich selbst nicht magst, ablehnst, verwirfst. Du bist mein! Und so kann uns in den Finsternissen des Lebens ein Licht aufgehen – nicht nur ein Licht: SEIN Licht. Das Licht von Jesus Christus. Und wir sehen – obgleich wir in Finsternissen sitzen und uns als Finsternis fühlen – in seinem Licht das Licht. Das Licht der Hoffnung, das Licht der Liebe, das Licht des Glaubens. Wir trinken aus seiner Quelle des Lebens. Das Licht Gottes ist unsere Lebensquelle.
Singt das Lied der Freude, der Freude über Gott (EG 306,1-4)
Nichts würde leben ohne das Licht der Sonne. Nichts würde leben ohne Wasser. In unserem Psalm werden Lebensnotwendigkeiten zusammengeführt: Wasser und Licht. Das Licht Gottes, das Lebenslicht, das Lebenswasser, das Lichtwasser.
Wer im Licht Gottes steht, erkennt noch etwas: Schönheit.
Gott ist der Ursprung aller Schönheit, aller Ästhetik. Was wir in der Natur als schön ansehen, ist ein kleiner Widerschein der Schönheit des Lichtes Gottes.
Es muss nicht das wunderschöne Farbenspiel sein, wenn Licht in einem Regenbogen funkelt, es kann auch das Licht- und Schattenspiel sein, das wir sehen, wenn wir an einem Sommertag unter einem Baum sitzen, wenn ein Schmetterling vorbeigaukelt. Schönheit bedeutet nicht unbedingt: menschliches Schönheitsideal.
Ein See-Elefant entspricht nicht unbedingt der Vorstellung von Schönheit. Auch in seinem Verhalten nicht – wie einer sagte – : es ist in seiner Brutalität Vorgeschmack auf Hölle. Auch wir Menschen können schlimm sein, im Unterschied zum See-Elefanten allerdings wissen wir, was wir tun.
Aber wenn wir den See-Elefanten und uns aus der Perspektive der Schöpfung sehen, auch die von Gott abgewandte Schöpfung mit Liebe betrachten, dann fällt das Licht, das in die Finsternis strahlt, besonders auf: Glaube – Hoffnung – Liebe – Vertrauen – Trost – Gerechtigkeit – Ergriffenwerden von etwas Großem, das außerhalb von uns liegt, aber in uns wirkt. Das Licht Gottes fällt in den Finsternissen des Lebens auf. Der berühmte Mathematiker Blaise Pascal sagte: Es ist genug Licht vorhanden für die, die glauben wollen und genug Dunkelheit für die, die nicht glauben wollen. Dass es all das Licht, das Schöne, das Gute noch gibt, trotz des Bösen in der Welt, trotz der Vergänglichkeit allen Lebens – dafür können wir sehr dankbar sein! Aber wir müssen es sehen und wahrnehmen lernen.
Gerade wenn wir die wunderbare Schöpfung lieben, fällt das Grausame unschön in unser Herz, gräbt sich tief ein und wir wenden uns mit Grauen und Schrecken ab. Ja, das Schlimme ist da: Tod, Zerstörung, Krankheit, Leiden, Angst, Verletzungen. Aber wahr ist: Das Gottes-Licht strahlt auch auf in den Finsternissen der Grausamkeit. Nur so können wir in seinem Licht, in seiner Liebe überleben. Darum gehen so viele Kinder Gottes weltweit zu den Menschen in den grausamen Abgründen, um ihnen Licht zu sein. Wenn wir im Licht Gottes leben, wird uns die Finsternis nicht beherrschen. Das Licht ist da, auch wenn wir es nicht spüren. Wie die Sonne da ist, auch wenn wir in Dunkelheit leben. Wenn wir das Licht Gottes nicht sehen, können wir uns doch an das Licht Gottes erinnern. In der finstersten Nacht können wir daran denken, dass die Sonne scheint – und dass sie auch uns bald erreichen wird. Am Morgen – am Morgen des neuen Tages.
Stern, auf den ich schaue (EG 407,1-3)
Die Ostkirche kennt das Herzensgebet. Das Herzensgebet ist ein Gebet, das wir immer wiederholen können. Mit diesem Wort des Psalms haben wir ein Herzensgebet:
Du, Gott, bist die Quelle des Lebens.
Und in deinem Licht sehen wir das Licht.
Wenn wir es in finsteren Lebensabschnitten sprechen, unser Herz, unsere Seele, unseren Geist davon bestimmen lassen, wird es Teil des Lebens und wir erkennen die Wahrheit des Wortes Jesu: Auch du, der du mir folgst, bist Licht der Welt. Auch du, die du mich liebst, bist Licht der Welt. Nicht, weil wir so wunderbar leuchten, sondern weil wir den Lichtschein von Jesus Christus weitergeben. Wie der Mond nicht aus sich selbst heraus scheint, sondern das Sonnenlicht weitergibt, so auch wir. Jesus Christus ist die Sonne – wir sind der Mond.
Amen.
*
Gott, Du Quelle des Lebens, du Quelle unseres Lichts,
Du Quelle der Hoffnung, von Dir erbitten wir
Kraft und Mut, Leben und Hilfe, Freude und Licht.
Das erbitten wir für uns,
erhelle unseren Lebensweg,
damit wir ihn in Deiner Kraft gehen können.
Das erbitten wir für die Menschen,
die in den Finsternissen des Lebens leben,
damit sie nicht aufgeben, kopflos herumirren und verbittern.
Das erbitten wir für Deine Gemeinde, Deine Kirche,
damit sie unverdrossen auf andere zugehen kann,
und nicht resigniert und lieblos wird.
Gott, Du Quelle des Lebens, du Quelle unseres Lichts,
Du Quelle der Hoffnung, unter dem Schatten Deiner Flügel finden wir
Kraft und Mut, Leben und Hilfe, Freude und Licht.