Thema: Gott loben

Für den heutigen Tag habe ich nicht den vorgeschlagenen Predigttext als Thema ausgesucht, sondern das Thema Loben – Gott loben. Sie haben es schon an den Liedern gemerkt, dass das Lob Gottes im Mittelpunkt des Gottesdienstes steht. Die gesungenen Lieder werden uns in der Predigt wieder begegnen.

Viele von Ihnen haben sicher schon folgende Erfahrung gemacht: Wenn man missmutig ist und dann grinsend in den Spiegel schaut, kann es sein, dass man zu lächeln beginnt. Wie kommt das? Alles was wir sehen, beeinflusst uns. Das, was wir sehen – dringt in unsere Gehirnwindungen ein, und beschäftigt uns, hat Auswirkungen auf unsere Gefühle und unser Denken. Gesehenes, Gehörtes, Gefühltes wird zu einem Teil von uns, ob wir es wollen oder nicht – und das hat dann häufig sogar körperliche Auswirkungen. Wer nur dunkle, traurige, schlimme Ereignisse zu sehen bekommt, auch wenn er sie sich auch nur ansieht ohne sie direkt erleben zu müssen, für den kann alles dunkel, schlimm, traurig, schwer werden. Wer nur Seichtes, Rosarotes, Spaßiges anschaut, für den wird seine Welt rosaroter, spaßiger, gefüllt mit Trallala – und er geht in blühender Oberflächlichkeit durch sein Leben, bis auch ihn die Dunkelheit erwischt. Eine bekannte Übertreibung gibt das so wieder: Ein Arzt sieht alle Menschen als krank an, ein Polizist alle als Verbrecher, ein Pathologe alle als Leichen und der Pfarrer alle als Sünder. Was wir sehen und hören, was uns beschäftigt, das prägt uns und unsere Sicht von der Welt.

Nun brauchen wir Christen uns weder von Dunklem überwältigen lassen, noch von Seichtem benebeln lassen: Wir haben jemanden, auf den wir schauen können, auf den wir hören können und den wir auch manchmal spüren können: Gott. Wenn wir auf Gott schauen, auf ihn hören, dann dringt er in unser Denken und Fühlen ein – und wir beginnen zu loben.

Es gibt einen Unterschied zwischen Danken und Loben. Ein Mensch bedankt sich, wenn er etwas bekommen hat. Das Loben wird durch Bilder angeregt, die wir von Gott zu sehen bekommen – und in den gesungenen Liedern werden uns wunderbare Bilder von Gott vor Augen gemalt.

Wir haben zum Eingang der Predigt das machtvolle Lied von Tersteegen (331) gehört:

Großer Gott wir loben dich,
Herr, wir preisen deine Stärke,
vor dir neigt die Erde sich
und bewundert deine Werke.
Wie du warst vor aller Zeit,
so bleibst du in Ewigkeit.(331)

Warum beginnt Teerstegen zu loben? Er schaut auf den Kosmos, er sieht die Sterne, er sieht die Erde, die Sonne, den Mond, er sieht die Schönheit der Schöpfung Gottes – und er beginnt zu loben: Gott, alles neigt sich vor dir! Gott wird als Herr angesehen, dessen Hand wir in all diesen großartigen Schöpfungsereignissen erkennen. Schauen wir auf die Sterne, das All, die weite des Universums – wer beginnt dann nicht zu Staunen? – und Staunen ist der Beginn des Lobes: Gott, wie groß bist du! Und indem Tersteegen Gottes Schöpferkraft besingt, lobt, wird sein Blick geweitet: Er sieht nicht mehr nur allein den Kosmos, er sieht den Himmel geöffnet, er sieht die machtvollen Engel Gott preisen, die Propheten und Apostel – Himmel, Erde, Luft und Meer sind erfüllt von Gottes Ruhm! Wie kommt Tersteegen darauf, dass alle und alles Gott lobt? Er kennt seine Bibel, er kennt das Buch des Propheten Jesaja. Er sieht nicht nur den weiten Kosmos und die Erde sich neigen, sondern er hat auch das Wort des Propheten gehört – beides dringt in ihm ein, er lernt zu sehen und zu hören – und beginnt das Loblied zu singen.

Zu Beginn des Gottesdienstes haben wir das Lied Lobet den Herren gesungen. Auch hier hören wir die himmlischen Chöre singen, aber dieses Loblied hat ein anderes Thema:

Lobe den Herren, der künstlich und fein dich bereitet,
der dir Gesundheit verliehen, dich freundlich geleitet.
In wie viel Not hat nicht der gnädige Gott, über dir Flügel gebreitet. (316)

In diesem Lied schauen wir nicht in die Weiten des Kosmos, hinein in den Himmel, auf die weite Erde, sondern wir schauen auf uns Menschen. Welche Krankheiten und Schmerzen wir auch haben, welche Handikaps und Mängel: Müssen wir, wenn wir uns ansehen, nicht auch staunen? Wie oft muss unser Herz schlagen, wie viel elektrische Impulse jagen in diesen Sekunden durch den Körper, wie kommt es, dass wir die Kirche sehen können, dass wir die Worte der Predigt hören können, dass wir Loblieder singen können? Wie kann all das, was doch eigentlich tote Materie ist, leben, vor Leben sprühen, sinnhaft werden? Wie geht es, dass das, was wir sehen und hören und fühlen in uns Reaktionen hervorruft – bis hin ins Körperliche? Wir staunen und staunen über uns Menschen, den Menschen, den Gott geschaffen hat in einer unverständlichen Schönheit. Wir staunen auch über so etwas Eigenartiges wie Liebe. Dass Menschen einander lieben können – und dass wir von Gott geliebt werden. Aber wir staunen auch über noch etwas: Menschen können sich erinnern, können in ihrem Leben zurückblicken. Es kommen Nöte in den Sinn – aber es kommt auch Bewahrung in den Sinn: Gott, du hast uns in so vielen Nöten bewahrt, gestärkt, begleitet, geschützt – begegne mir auch weiterhin mit Liebe, auch dann, wenn ich schwach bin, dann, wenn nicht mehr weiter weiß, lass mich in deine Hand fallen. Wenn ich traurig bin und alles, was um mich herum geschieht und mit mir passiert, nicht verstehe, dann sei Du meine Kraft, mein Licht. – Wir müssen uns nicht stärker geben als wir sind, nicht heller, gesunder, glücklicher, unverletzlicher. Denn so heißt es:

Gott ist dein Licht, – Gott ist dein Licht!
Seele, vergiss es ja nicht.
Lob ihn in Ewigkeit. Amen!

Lob wird auch dann angestimmt, wenn wir auf das sehen, was Gott uns in Jesus Christus gewirkt hat und wirkt. Und so haben wir zu Weihnachten das Lied gesungen: Lobt Gott, ihr Christen… Und das singen wir jetzt, bevor ich die Predigt beende.

Lobt Gott ihr Christen… EG 27

Wir spüren Gott in Jesus Christus wirken. Wir wenden mit diesem Lied unsere Augen zu Jesus, zur Liebe. Wir sehen sein Antlitz – und tauchen ein in sein Licht. Und dann spüren wir: Gott hat die Welt auf den Kopf gestellt, das hören und sehen wir: Der Herr wurde Knecht, der Schöpfer des Himmels und der Erde wurde selbst Mensch, der Größte hat sich in diesem Kindchen winzig klein gemacht. Dadurch hat er ermöglicht, dass wir Menschen groß werden. Trotz unserer Schuld, unserer Unzulänglichkeiten und Schwächen können wir mit den Engelscharen, mit Propheten und Aposteln gemeinsam vor Gott singen, ihn loben.

Heut schleußt er wieder auf die Tür
Zum schönen Paradeis,
der Cherub steht nicht mehr dafür,
Gott sei Lob Ehr und Preis,
Gott sei Lob Ehr und Preis.

Wir Menschen sind träge. Wir sind missmutig. Wir schauen lieber auf Dunkles oder Seichtes, auf unsere Nöte oder auf Zeitvertreib. Damit dringen auch Trübsinniges und Seichtes in uns ein, beschäftigen unser Denken, unser Sinnen, prägen unseren Körper. So sind wir tagaus, tagein. Wir trauern über Vergangenes – statt uns zu freuen, dass wir es erleben durften. Wir trauern über das, was wir nicht sind und haben – statt für das zu danken, was wir sind und haben. Dass wir Menschen so träge sind, so in uns verkrümmt, so sehr um uns selber kreisen, statt um Gott, das wissen die großen Lobenden seit dem König David. Darum müssen Menschen dazu geweckt werden, damit sie auch loben. Die Sänger rufen uns zu: Lobet den Herren!, sie rufen uns zu Lobt Gott, ihr Christen! Weil wir so träge sind, geprägt von unseren negativen Lieblingsbildern, müssen wir immer wieder geweckt werden, müssen wir uns selbst immer wieder wecken und wecken lassen, damit wir Gott auch loben können. Und wenn wir lobend durchs Leben gehen – dann staunen wir über all die großen und kleinen Wunder die uns täglich begegnen. Und wenn wir Staunen – dann können wir auch immer mehr loben – und was wir dann noch können: Leichter im Sinne Gottes für unsere Mitmenschen und die Schöpfung da sein, uns für sie einsetzen.

Zu Beginn sprach ich davon, dass wir in den Spiegel grinsen müssen, wenn wir trübsinnig sind – und wir beginnen dann zu lächeln. So ist das auch mit der Seele: Sie muss Gottes Lob singen, auch wenn sie keine Lust dazu hat – erst kommt das Lob nur ganz quäksig, doch dann, wenn wir geweckt sind, dann legen wir los. Das Loben Gottes ist das Lächeln der Seele – und dieses Lächeln der Seele prägt auch unseren vielleicht müden und gezeichneten Körper.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.