Die Freude an Gott ist eure Stärke (Nehemia 8,10)
Soweit der Satz aus dem Buch Nehemia.
Warum sollen wir uns an Gott freuen? Spontan fällt mir ein:
- Er ist nicht mehr der ganz ferne Gott – er wurde in Jesus Christus einer von uns – er wurde Mensch. Gott hat alles erfahren, was wir erfahren an Glück und Leid, Sterben, Krankheit, Gemeinschaft, Einsamkeit und Tod.
- Er starb für uns.
- Er hat uns den Glaubensweg zur Auferstehung, zum ewigen Leben gezeigt.
- Er ist in seinem heiligen Geist bei uns, er bewahrt und begleitet uns.
- Er ist der Herr der Geschichte und leitet sie zu einem guten Ende, so lehren es uns die Propheten des Alten Testaments, und es wird uns in Jesus Christus gezeigt.
- Mit den Psalmen hilft er uns, unsere unbestimmten Klagen und Fragen zu formulieren. Die Juden feiern das Fest Simchat Tora – die Freude über die Tora – Fest der Freude über Gottes Wort. Ein Fest, das wir leider nicht feiern.
Wenn wir das alles hören – freuen wir uns? All das ist so abstrakt! Es ist so abgekaut! Es sagt uns alles, aber irgendwie doch nichts. Wir sind müde geworden. Unseren wunderbaren Gott zu entdecken, die großen Taten unseres Gottes – bringt das was? Weil wir uns nicht mehr aufraffen, unseren Gott zu entdecken, darum fehlt uns Freude, darum sind wir nicht stark, im Gegenteil, wir schwächeln und kümmern und zagen vor uns hin.
Im Mittelalter, als man noch konkrete Vorstellungen von Himmel und Hölle hatte, von Lohn und Bestrafung der Taten – da konnten Menschen viel mehr mit diesen Antworten des christlichen Glaubens auf die alltäglichen Fragen anfangen, als wir Mitteleuropäer heute. Die Freude an Gott wanderte aus Mitteleuropa aus, hinein in die Völker der Welt. Aber muss das so sein, muss das so bleiben?
Heute, wollen in unserem Land Menschen lieber vergehen oder in sterblichen Herzen oder Bäumen weiterleben – aber hat da der Tod seinen Schrecken verloren? Möglicherweise nicht, weil man das wahre Ende des Wollens, das der Tod mit sich bringt, das Ende der Freiheit, das das Sterben mit sich bringt, nicht wahrhaben will. Wir reden uns vielfach etwas schön, was nicht schön ist. Gott allein, der Schöpfer des Lebens, bietet uns ewiges Leben an – und weil das große Angebot Gottes abgelehnt wird, sterben wir und unsere Freude langsam dahin.
Oder: Dass Gott in Jesus Mensch wurde, berührt nicht weiter – denn auch Jesus Christus selbst ist in die Gottesferne gerückt. Er lebte einmal – und jetzt mit Gott – wo ist er,? Und wir fragen: Was habe ich davon?
Oder: Gottes wunderbares Wort wird ersetzt durch esoterisch angehauchte Wohlfühlworte. Wir wissen, dass solche leeren Wohlfühlworte nur warme Luft sind, es auch bleiben.
Oder: Der Geist Gottes, den wir haben – Gottes Lebensatem – kaum einer weiß so recht, was das heißt: Gottes Geist, Heiliger Geist.
Oder: Wer kennt schon noch Menschen, die aus ihrem Glauben heraus Freude ausstrahlen, weil sie mit Gott in Verbindung stehen?
Die Voraussetzung der Freude über Gott ist eine Verbindung zu Gott. Was würden wir nicht alles durch unseren Glauben bekommen! Wir wissen aus der Religionswissenschaft, was für große Auswirkungen der Glauben auf das eigene Leben hat:
- Glaubende bekommen Wegweisung, wenn wir nicht wissen, wie es weiter gehen soll;
- Glaubende bekommen Lebensweisung, wenn unser Leben nicht als sinnvoll erfahren wird;
- Glaubende bekommen Trost in Traurigkeiten wegen des Verlustes, den wir immer wieder erleben;
- Glaubende bekommen Hoffnung, wenn alles trübe aussieht und alles voller Mauern ist;
- Glaubende werden ermutigt, bekommen Weisung, wenn es um das Verhältnis zu anderen geht.
Kurz: Menschen, die eine Verbindung zu Gott haben, können Herausforderungen des Lebens leichter überwinden.
Ja, das alles bekämen wir aus unserem Glauben. Wenn er denn da wäre.
Im Buch Nehemia heißt es:
Die Freude an Gott ist unsere Stärke.
Wann wurde der schöne Satz eigentlich ausgesprochen, in welche Situation hinein?
Der Priester Esra spricht diesen Satz in einer ungewissen, aber hoffnungsfrohen Zeit. Das Volk Israel lebte im Exil, in Gefangenschaft, als Sklaven. Dann kam Kyros der große Perserkönig, der die Babylonier besiegt hatte und ließ die Israeliten frei. Sie durften wieder nach Jerusalem. So auch Esra, der Priester. Als sie nach mühevoller Wanderung wieder in Jerusalem angekommen waren, sahen sie, dass die Stadt bis zum Boden zerstört war. Und das Volk war am Boden zerstört. Ihre Träume von der Heimkehr hinein in eine wunderbare Stadt – die Träume zerstoben. Die goldene Stadt Gottes lag in Schutt und Asche. Der Aufbau verzögerte sich, sie behinderten einander in der Vorstellung, wie alles wieder aufgebaut werden sollte. Keiner hatte Lust, am Aufbau mitzuwirken. Im Grunde war das Volk frei, aber krank, mutlos, zerstritten. Hier hinein spricht der Mensch Gottes, Esra, die Worte unseres Predigttextes:
Die Freude an Gott ist eure Stärke.
Wenn ihr nur herumjammert, herumstreitet, dann schwächt ihr euch, macht euch müde. Schaut auf Gott! Auf Gott schauen stärkt uns Menschen. Macht uns hellsichtig, warnt vor Gefahren, erweckt Mut, die schweren Herausforderungen zu bestehen.
Und das Volk begann zu bauen. Die Stadt wuchs, der Tempel wuchs. 400 Jahre später, als Gott in Jesus Christus Mensch wurde, stand Jerusalem noch.
Was würde Jesus Christus, auf die Frage antworten: Warum sollen wir uns über Gott freuen? Wir bauen keine Stadt auf, keinen Tempel aus Stein. Das nicht, aber auch wir bauen auf. Wir bauen uns selbst auf. Wir bauen unsere weltweite Kirche auf. Darin sind wir müde geworden. Was also würde Jesus Christus uns antworten?
Gott gibt uns Zukunft, die wir jetzt schon umsetzen können. Und das ist auch, was Esra prägte: Die Erwartung des kommenden Tempels, den sie jetzt bauen dürfen. Und so bauen wir auch an dem Tempel unseres Glaubens – aus der Perspektive der Herrschaft Gottes:
Welche Zukunft bereitet uns Gott? Er wird uns Schalom geben. Schalom bedeutet: Frieden, Freiheit, Gesundheit, Wohlergehen, Freude – also alles Gute! Wir haben Zukunft! Das Ende vor uns ist nicht Ende. Das Ende ist Anfang, ist Zukunft, die Gott schenkt! Als wir im Urlaub auf der Schlei fuhren, von Kappeln Richtung Schleswig, dachte man manchmal: Die Schlei geht ja gar nicht weiter – das ist einfach nur ein See, überall Ufer! Wo will dann das Schiff da langfahren? Und das Schiff pflügte durch das Wasser – und siehe da, die Schlei eröffnete einen neuen Weg. Irdische Menschen sehen den Tod als Ende. Wir dürfen durch Jesus Christus erkennen, dass der Lebensfluss weiter geht. Wir denken, das Leben ist zu Ende. Aber nein: Gott öffnet uns den Lebensfluss auf eine Zukunft hin, die Gott uns schenken will. Und dieses Wissen, um die herrliche Zukunft, die Gott uns in Jesus Christus eröffnet, hat Auswirkungen auf das Leben. Wie das Schiff einfach weiterfährt, obgleich man keine Öffnung des Flusses erkennen kann, mutig weiterfährt, können wir unser Leben im Glauben mutig mit dem Wissen Gottes weiterführen.
Und wir können unseren Glauben schon mit dieser Zukunft verbinden, ihn angleichen. Der Glaube ist eine Lebenseinstellung, die sich von Gott herleitet. Er ist eine Lebenseinstellung, in der Menschen auf Gott schauen, was auch immer sie erleben. Diese Lebenseinstellung ist vom Geist Gottes bestimmt. Das heißt: Gott, der uns Atem zum Leben gibt, gibt uns seinen Lebensatem auch über dieses Leben hinaus. Im Geist von Jesus Christus können wir jetzt und ewig immer Neues von Gott entdecken, damit die Freude immer größer werde.
Wer die vielen Schönheiten der Schöpfung wahrnimmt: die Sonne, Sterne, Mond, die Blumen und Tiere, das Wasser und die Luft, Steine und Erde – wird dankbar und freut sich über die Größe des Schöpfers, die Lebendigkeit, die Gott schenkt. Schönheit der Welt lässt uns ein wenig von der Herrlichkeit Gottes ahnen. Jesus weist uns auf die Schönheit der Blumen des Feldes, das muntere Leben der Vögel. Die Schöpfung wird Gleichnis ein Beispiel für Gottes Handeln.
Wer sich selbst sieht, sich Gott verdankt, wer das Gute im Menschen wahrnimmt und sich über gute Menschen freut, der freut sich auch über Gott, den Schöpfer. Und er freut sich über die Liebe Gottes. Gott liebt uns Menschen so sehr, dass er selbst Mensch wurde, einer von uns, um sich uns zu zeigen. Er zeigt in Jesus Christus, wie er uns haben möchte, als Menschen, die nicht gegeneinander handeln, sondern in Gemeinschaft. Als Menschen, die in aller Unterschiedenheit füreinander einstehen, füreinander da sind. Nur gemeinsam können wir Menschen die Probleme, die das Leben bietet, angehen.
Das Zusammenleben bringt Probleme, denn wir Menschen sind nicht nur gut. Auch nehmen wir immer wieder die Grausamkeit wahr, die sich in der wunderbaren Schöpfung ausgebreitet hat, welche die wunderbare Schöpfung wie Borkenkäfer-Larven einen großen Baum zu Fall bringen möchten. Wir genießen das Schöne – indem wir es zerstören. Jesus Christus möchte das nicht. Gott möchte den Schalom. Gott möchte, dass wir miteinander in Frieden und Freiheit, mit Liebe und Vergebung umgehen. Und so freuen wir uns an Gott, dass er das Gute in uns Menschen hervorkitzeln möchte. Dass wir ihm nicht egal sind, dass er uns liebt. Damit zeigt er, was wirklich wichtig ist: füreinander einstehen – und das auch in allen Differenzen. Wir Menschen hadern mit Gott, lehnen ihn ab. Aber er lässt sich nicht verdrießen, er kommt auf uns zu. Er begleitet und geleitet uns. Nicht gegen unseren Willen. Aber er ist in allem da, uns nah. Durch die Mauer des Glücks und des Leidens hindurch möchte er von uns entdeckt werden.
Und so freuen wir uns an Gott. Die Freude an Gott ist unsere Stärke. Freude belebt, Freude macht offen, Freude nimmt Herausforderungen mutig an. Auch die Freude, unseren Gott durch seinen heiligen Geist zu entdecken. Immer mehr von ihm wahrzunehmen. Im Geist Gottes erkennen, dass er nicht irgendwo in der Ferne ist, sondern dass er uns nah ist, in schweren wie in glücklichen Zeiten. Durch seine Liebe zu uns dürfen wir uns auch lieben. Weil er uns vergibt, können wir auch anderen vergeben – und werden dadurch von den Fesseln, die uns an andere binden, frei.
Die Freude an Gott ist unsere Stärke.
Wenn wir jede Aussage vom Beginn der Predigt neu in Ruhe, ausführlich bedenken, dann wird der Text uns wertvoll – ein Baustein unserer Freude:
- Gott wurde in Jesus Christus Mensch! Weihnachtsfreude.
- Er starb für uns! Besinnliche Dankbarkeit an Karfreitag.
- Er hat uns den Weg zur Auferstehung zum ewigen Leben gezeigt. Osterfreude!
Er ist der Herr der Geschichte und leitet sie zu einem guten Ende. Freude an der Himmelfahrt! - Er ist in seinem Geist bei uns, bewahrt und begleitet uns. Pfingstfreude!
- Gott spricht zu uns durch die Bibel – Simchat Tora! Freude an Gottes Wort.
Der Apostel Paulus drückt Freude so aus:
Singt für den Herrn und jubelt aus vollem Herzen!
Im Namen unseres Herrn Jesus Christus
dankt Gott, dem Vater, zu jeder Zeit und für alles!
Die Freude über Gott – weil Gott ist. Nicht, weil er mir einen Nutzen bringt. Weil Gott ist.