Psalm 42: der Psalmsänger beginnt sein Gebet:
Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir. 3 Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann werde ich dahin kommen, dass ich Gottes Angesicht schaue?
Der für den heutigen Sonntag vorgeschlagene Predigttext steht im Johannesevangelium im 7. Kapitel:
Am letzten Tag, dem Höhepunkt des Festes trat Jesus vor die Menschenmenge und rief laut:
»Wer Durst hat, soll zu mir kommen. Und es soll trinken, wer an mich glaubt.
So sagt es die Heilige Schrift ›Ströme von lebendigem Wasser werden aus seinem Inneren fließen.‹«
Jesus bezog dies auf den Heiligen Geist.
Den sollten die erhalten, die zum Glauben an ihn gekommen waren.
Denn der Heilige Geist war noch nicht gekommen,
weil Jesus noch nicht in seiner Herrlichkeit sichtbar war.
Soweit der Predigttext.
Jesus sagt diese Lebens-Worte im Kontext des Laubhüttenfestes. Das Volk Israel und somit auch Jesus, erinnert sich am Laubhüttenfest an den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten. Es war wunderschön, der Weg aus der tödlichen Sklaverei hinein in die Freiheit des Lebens. Was für ein jubelnder Aufbruch, angespannt, aber jubelnd. Aber was für ein beschwerlicher Weg wurde es, ein sehr beschwerlicher Weg durch Wüste, Hitze, Sandstürme, Not, Schmerzen, Zweifel, Aufruhr. Ströme von Tränen fließen, manche sehnten sich zurück in die Sklaverei. Auf diesem schweren Weg begleitete Gott sein Volk durch Wunder. Er hat sein Volk Schweres erleben lassen, aber Gott begleitete es in der Schwere. Seine Begleitung ist auch an dem Wunder sichtbar, das davon berichtet, dass Mose an einen Fels schlug und frisches Wasser sprudelte heraus. Der Durst konnte gelöscht werden. Das Leben in der Wüste wurde erträglicher. Leben kam in die Wüste durch das lebendige Wasser. Daran erinnert Jesu sein Volk am Laubhüttenfest. Aber er geht weiter: das war nicht einmal. Das ist keine Geschichte der Vergangenheit.
Ähnliche Worte, wie wir sie in unserem Predigttext gehört haben, sagte Jesus bei einer Begegnung mit einer Samariterin an einem Brunnen in Samarien. Er sagte ihr und uns:
„Aber wer von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, wird nie wieder Durst haben.
Denn das Wasser, das ich ihm geben werde, wird in ihm zu einer Quelle werden:
Ihr Wasser fließt und fließt – bis ins ewige Leben.“
Und was sagte dann die Samariterin? Sie bittet:
Herr, gib mir dieses Wasser!
Jesus antwortet: Wer Gott verehrt, den Vater anbetet, der wird von Gottes Geist und Gottes Wahrheit erfüllt sein – der Mensch wird also dieses Wasser haben, das er anbietet, das Jesus Christus selbst ist.
Jesus Christus hat uns als Auferstandener schon längst dieses Wasser gegeben. Der frische sprudelnde Geist Jesu – wir können von ihm trinken, wenn wir eben beten, wenn wir an der Lehre Jesu bleiben, an seinem Mund hängen, Wort für Wort das in uns aufsaugen, was er uns sagt. Die Quelle strömt unaufhörlich, wenn wir ihm unsere Seele hinhalten. Das Geschenk des sprudelnden frischen Wassers – es ist da, es hört nicht auf.
Ich befürchte: Daran hapert es bei uns Christen. Wir nehmen sein Wort nicht ernst, wir lesen nicht in ihm, wir geben schnell auf, weil wir etwas nicht verstehen. Wir mögen anderes lieber, was unsere Sinne auch betört: kurze, schnelle Glaubens-Snacks, wir mögen emotional erhebende schnell Snacks, seichte kleine Geschichtchen, über die wir lächeln können, in denen wir uns hin und wieder mal irgendwie wiederfinden. Wir mögen Bibel-Happen, Happen weiser Leute, die uns kurz anregen, die uns vor die Augen und ins Hirn geworfen werden – und wir sind glücklich. Für den Moment. Manche suchen Jungbrunnen, manche Glückswasser – wir suchen, wie der Prophet Jeremia sagt: kaputte Zisternen. Und so rennen wir von kaputtem Brunnen zu kaputten Brunnen, manchmal ein wenig beglückt von der Wasserpfütze, die sich noch daran befindet – werden aber dann doch schnell wieder durstig. Wir können Gott dankbar sein, dass er uns immer wieder solche Glaubens-Snacks, Bibel-Happen und viele Geschichtchen gibt, damit wir auf unserem Lebensweg zur Quelle Stärkung bekommen.
Aber wir merken selbst, wie wir im Glauben immer schwächer und kränker werden, er verarmt, er verhungert und verdurstet. Wenn wir zu wenig trinken, bekommen viele von uns Kopfschmerzen, Schwindel. Und so gibt es auch Glaubenskopfschmerzen, Glaubensschwindel. Je durstiger wir werden, desto stärker steigt die Sehnsucht nach diesem sprudelnden Wasser. Aber wir können uns nicht aufraffen, uns zur Quelle zu begeben. Darum geben wir uns mit abgestandenem, womöglich bakteriell verseuchtem Wasser zufrieden. Stehende Wasser sind in diesen warmen Ländern gefährlich – aber zur Quelle wandern – wer will das schon? Wer will schon, sich mit seinem ganzen Glaubensdurst aufmachen und zu Jesus gehen? Jesus soll kommen und mich mit Soft-Drinks beglücken! Nein, Jesus macht es uns nicht so einfach:
„Wer Durst hat, soll zu mir kommen.
Und es soll trinken, wer an mich glaubt.“
Wer von der Quelle des Lebens trinken möchte, der muss sich zur Quelle hinunterbeugen, an der Quelle knien. Ohne das, gibt es kein lebendiges Wasser, kein Wasser des Lebens, gibt es kein Jesus Christus. Das ist der Schlüssel, um die Worte Jesu zu verstehen. Man muss zur Quelle gehen. Unterwegs gibt es keine Softdrinks. Es gilt, den Worten Jesu zu lauschen, es gilt, sie zu trinken, das zu trinken, was Jesus Christus uns an tiefen Worten, tiefem Erleben seiner Gegenwart schenkt. Wir bekommen von ihm den Geist Gottes, das sprudelnde Quellwasser, das uns durch unsere Lebenswüsten bis ins ewige Leben trägt.
Herr, gib mir Wasser, dieses erfrischende, sprudelnde Wasser Deines Geistes.
Diese Bitte ist der Anfang. Der zweite Schritt ist, dieses sprudelnde Wasser auch anzunehmen: Gott anbeten, Gott verehren, wie Verdurstende am sprudelnden Wasser sein Wort trinken, das wir in den Evangelien, der frohen Botschaft von Jesus Christus finden. Gehen wir an jedem Tag an diese Quelle. Lesen in ihr, trinken von ihr, so lange uns am Tag Zeit bleibt, beten Gott, wie Jesus sagte, in Geist und Wahrheit an. Nehmen wir uns Momente der Auszeit, um uns der Verbindung zu Jesus Christus bewusst zu werden, unserem Frieden, unserer Ruhe, unsere Kraft und unser Trost. So wird dann unser Durst immer mehr gestillt werden. Das lebendige Wasser belebt die Wüste in uns. Die Wüste beginnt zu leben.
Jesus Christus hat uns als Auferstandener schon längst dieses Wasser gegeben. Der frische sprudelnde Geist Jesu. Die Quelle strömt unaufhörlich. Das Geschenk des sprudelnden frischen Wassers ist uns gegeben. Unsere Quelle des lebendigen Wassers belebt uns in Zeit und hinein in die Ewigkeit. Amen