Gute Taten (Jakobus 2,14-20)

(Bekanntlich hat Luther den Jakobusbrief als „stroherne Epistel“ bezeichnet. Das auch darum, weil Jesus Christus nicht erwähnt wird. Ich sehe das als Voraussetzung des Briefes an, als Grundlage, ausgesprochen durch das Wort „Glaube“. Zudem sehe ich den Brief im Kontext des Kanons – wodurch ebenfalls diese Voraussetzung für die unten vorgestellte Interpretation gegeben ist. )

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Der für den heutigen Sonntag vorgeschlagene Predigttext steht im Brief des Jakobus 2,14-20 -in heutiger Sprache formuliert:

Mal ehrlich: Was bringt es, wenn jemand sagt: „Ich glaube an Gott“, aber man sieht in seinem Leben null Taten, die das zeigen? So ein Glaube kann doch niemanden retten!

Stellt euch vor, jemand von euch hat nicht mal Klamotten zum Anziehen oder genug zu essen. Und du sagst nur: „Mach’s gut, bleib warm, iss was!“ – aber du gibst ihm nichts, was er wirklich braucht. Was bringt das denn?
Genauso ist es mit dem Glauben: Wenn er keine Taten hat, ist er tot – nur leeres Gerede.

Jetzt könnte jemand einwenden: „Der eine hat den Glauben, der andere die Taten.“ – Okay, dann zeig mir doch mal deinen Glauben ohne irgendwelche Taten (geht gar nicht!) – ich dagegen zeige dir meinen Glauben gerade durch meine Taten.

Du glaubst, dass es nur einen Gott gibt? Super. Aber selbst die Dämonen glauben das … und sie zittern vor Angst!

Verstehst du es denn nicht, du Dummkopf? Glaube ohne Taten ist komplett wertlos.

Soweit der Predigttext in moderner Sprache. Der Jakobusbrief spricht manchmal in kurzen Aneinanderreihungen von Sätzen, Weisheiten. Ein bisschen versuche ich mich in der Predigt dem anzupassen.

Voraussetzungen für gutes Handeln

Der Jakobusbrief legt den Finger auf eine Wunde von uns Christen: Der christliche Glaube zeigt sich in den Werken, in den Taten. Wenn ein Mensch an Jesus Christus glaubt, aber der Glaube nicht an seinem Verhalten, seinen Taten erkennbar wird, dann ist der Glaube nicht vorhanden, er ist, wie Jakobus schreibt: tot.

Den Taten geht aber etwas voraus: Der Glaube.
Dem Glauben geht etwas voraus:
Und zwar das, was Gott in Jesus Christus getan hat, es geht die Erwählung der Glaubenden voraus, es geht voraus, dass Glaubende den Geist Gottes bekommen haben.

Diese letzte Voraussetzung, die Grundlage, die formuliert unser Jakobus nicht. Er setzt sie voraus. Menschen glauben an Jesus Christus – und dann beobachtet er Ungeheuerliches: Es gibt Christen, die sagen, sie glauben – sind aber furchtbar asozial. Nicht, dass sie Bösartiges tun, sie tun einfach nicht, was Glaubende tun, wenn sie wirklich glauben. Sie nehmen nicht wahr, dass es andere Menschen gibt, die nichts zu essen und anzuziehen haben. Manche nehmen es vielleicht wahr – geben gute Ratschläge – aber dabei bleibt es. Und diese guten Ratschläge sind bösartig, wenn nicht gleichzeitig tatkräftig geholfen wird. Diejenigen, die in schlimmen Situationen leben, schreien auf – und niemand hört sie. Christen, die glauben – sie hören und handeln, so gut sie können. Nicht vollkommen, häufig auch falsch, sie machen Fehler, schätzen die Lage falsch ein, setzen die Schwerpunkte nicht richtig – aber sie versuchen ihr Bestes zu tun. An anderer Stelle beklagt Jakobus, dass Christen in einem Gottesdienst versammelt sind, dann kommt ein angesehener, reicher Mensch verspätet – und sie bieten ihm alle einen Platz an – dann kommt ein armer, unbedeutender Mensch – und den lassen sie in der Ecke stehen. Und das geht gar nicht für einen Christen. Der Jakobusbrief ist eine der wichtigen sozialen Stimmen im Neuen Testament. Somit legt er dar, dass der Glaube ohne Taten, ohne Ausführen des Willens Gottes tot ist.

Wer Geld hat, helfe den Menschen, die Lebensgrundlagen benötigen.
Wer Kraft hat, helfe den Menschen, die in körperliche Notlagen geraten sind.
Wer Einfühlungsvermögen hat, helfe den Menschen, die in psychischen Notlagen sind.

Ja, alles richtig und wichtig. Aber was ist, wenn ich selbst in welcher Notlage auch immer, bin? Auch dann kann ich viel tun:
Ich kann anderen gegenüber freundlich sein.
Ich kann sie durch ein Lächeln, einen Händedruck, eine Umarmung ermutigen.
Ich kann für sie beten.
Ich kann ihnen gute Wörter sagen, schreiben. Auch das ist dem Jakobus wichtig, wenn er sagt: dass aus dem Mund von Christen Segen kommen soll, nicht Fluch. Also Gutes, das aufbaut, nicht Gekeife, Zerstörung, Hass, Vorwürfe.

Es müssen nicht großartige Werke sein, sondern die kleinen Taten im Alltag mit Liebe getan sind wichtig. Das wissen wir, weil wir selbst danach Sehnsucht haben.

Mit Christus lernen

Der Glaube an den liebenden und gnädigen Gott,
also der glaube an Jesus Christus, der sich uns Menschen zugewendet hat,
der glaube an den Heiligen Geist, der in Glaubenden und auch anderen Menschen wirkt,

der verändert uns Menschen. Er passt uns dem dreieinigen Gott an. Er ist die Grundlage für ein soziales, ein menschliches Miteinander. Er übernimmt nicht die Maßstäbe der Gesellschaft, die in Freund und Feind aufteilt, in fremd und zugehörig, in ausgegrenzt und angepasst. Wie Jesus Christus auf alle zugegangen ist, so gehen Glaubende auf alle zu. Durch Jesus Christus lernen wir, wie wir gut mit anderen Menschen umgehen können – das ist es, was der Geist Gottes uns sagen möchte. Wir können es lernen. Es widerstrebt uns manchmal. Wir stecken in einem Lernprozess. Wir können alles lernen: Den Mitmenschen in seiner Situation sehen, wahrnehmen – spüren, dass jemand überhaupt und wirklich in Not ist. Wirklich in Not. Denn Glaubende lassen sich nicht naiv über den Tisch ziehen – auch das muss man lernen. An Jesus Christus erkennen wir: Wie gehe ich mit Menschen um, die in Not welcher Art auch immer sind?

Wir versagen häufig, entsprechen nicht unseren eigenen Maßstäben. Darum: Wir dürfen auch mit uns selbst nicht zu hart sein, sondern können uns vom Glauben und der Liebe Gottes, von seiner Vergebung leiten lassen. Auch in der Selbstbeurteilung. Wenn wir lernen, die Nöte anderer wahrzunehmen und zu berücksichtigen, müssen wir auch lernen, die eigenen Nöte wahrzunehmen und zu berücksichtigen. Manche vergessen das. Manchmal werfen wir uns heftig Fehler vor – aber es kommt vor, dass vermeintliche Fehler gar keine sind, sondern in Gottes Willen verborgen liegen.

Wir sind nicht immer freundlich – aber im Glauben können wir freundlicher werden.
Wir sind nicht immer zuvorkommend – aber im Glauben können wir lernen, auf andere zuzugehen.
Christen sind nicht vollkommen – aber sie folgen Jesus Christus nach und lernen von ihm.

Wir müssen nicht alles können, nicht mit jedem Menschen mit allen möglichen Problemen umgehen können. Aber wenn wir Jesus Christus folgen, lernen wir sehen, lernen wir beistehen, lernen wir unterstützen, Dasein für andere.

Von anderen lernen

Manchmal können wir auch beobachten, dass Menschen ganz fest im Glauben scheinen. Aber dann passiert in ihrem Leben etwas, das sie umwirft. Unerwartetes, Schlimmes, etwas, das sie nie mit Gott in Verbindung gebracht haben. Sterben, Krankheit, finanzielle Notlagen, Unfall, Katastrophe, Einsamkeit, Selbstzweifel. Sie kreisten vorher um sich, um das Zusammenleben vielleicht mit dem nahen Menschen – aber andere Menschen standen ihnen nicht im Blick. Sie haben sich nicht mit der Not anderer Menschen befasst. Sie haben sich nicht damit auseinandergesetzt. Das Leben lief gut – Gott war gut – ich bin mir meine eigene Sicherheit – Gottes Wille bleibt fremd. Aber dann kommt der Schlag.

Wer nicht gelernt hat, mit notleidenden Menschen umzugehen, wer nicht wahrgenommen hat, wie tapfer viele Menschen kämpfen mit dem, was an Schlimmem in ihrem Leben passiert ist, der lässt sich leicht umpusten. Kommt ein Wind, kommt ein Sturm – und sie knicken um, fallen wie ein morscher Baum, der sehr schön aussah.

Wenn Glaubende mit anderen Menschen umgehen, lernen sie auch viel für sich, für ihr eigenes Leben. Sie lernen, wie man damit umgeht, wenn man zusammengebrochen ist, wie man damit umgeht, wenn andere mich fertig machen, wie man damit umgeht, wenn ich Dinge erlebe, die man keinem Menschen zu erleben wünscht. Sie lernen, wie man gegen Einsamkeit angeht, gegen Mutlosigkeit, gegen sinnlose Wut. Sie lernen es durch die Menschen, denen sie geholfen haben.

Weisheit

Indem wir im Glauben auf andere zugehen, lernen wir für unser Leben. Der Jakobus nennt es an anderer Stelle im Brief: Weisheit.

Es geht also nicht darum, dass man als ein Mensch, der an Jesus Christus glaubt und ihm nachfolgt, nur das tut, was einem Spaß macht. Der Maßstab des Handelns ist der Mitmensch: Was braucht der?

So schreibt unser Jakobus: Wer ist von euch weise und klug? Der soll das durch seinen ganzen Lebenswandel zeigen und soll in Bescheidenheit handeln.

Gott helfe uns.

Amen.