1. Petrus 2: Milch Gottes trinken

Der für den heutigen Sonntag vorgeschlagene Predigttext steht im 1. Petrusbrief 2:

So legt nun ab alle Bosheit und allen Betrug und Heuchelei und Neid und alle üble Nachrede und seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein, damit ihr durch sie zunehmt zu eurem Heil, denn ihr habt ja geschmeckt, dass der Herr freundlich ist.

Zu dem Herrn kommt als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen ist, aber bei Gott auserwählt und kostbar. Und auch ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause und zur heiligen Priesterschaft, zu opfern geistliche Opfer, die Gott wohlgefällig sind durch Jesus Christus.

Darum steht in der Schrift: »Siehe, ich lege in Zion einen auserwählten, kostbaren Eckstein; und wer an ihn glaubt, der soll nicht zuschanden werden.«

Für euch nun, die ihr glaubt, ist er kostbar; für die Ungläubigen aber ist »der Stein, den die Bauleute verworfen haben und der zum Eckstein geworden ist, ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses«; sie stoßen sich an ihm, weil sie nicht an das Wort glauben, obwohl sie auch dazu bestimmt sind.

Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht; die ihr einst »nicht ein Volk« wart, nun aber »Gottes Volk« seid, und einst nicht in Gnaden wart, nun aber in Gnaden seid.

Soweit der Predigttext.

Was hat Gott mit Christen nicht alles gemacht! Der Schreiber des Briefes explodiert förmlich mit Beispielen. Gott hat Christen neu geboren – Christen sind neugeborene Kinder – und als diese neugeborenen Kinder, die niedlichen Säuglinge, bekommen sie Milch von Gott, der Mutter – ja, sie haben die Freundlichkeit Gottes selbst geschmeckt! Und diese Milch hilft dazu, dass Christen wachsen im Glauben und in guten Taten.

Doch dann wechselt das Bild: Christen sind nicht nur niedliche, schutzbedürftige Säuglinge, sie sind lebendige Steine. Gott hat sie zu lebendigen Steinen gemacht, wie Jesus Christus ein lebendiger Stein war. Christen sind Steine, aus denen das Haus Gottes besteht, der Tempel, die Kirche – und in dieser Kirche, dieser Gemeinschaft wird geopfert wie bei den Juden und Heiden. Doch es gibt keine Priester mehr wie bei Juden und Heiden, sondern alle sind spirituell, geistlich Priester. Es wird geopfert – aber nicht mehr wie bei Juden damals und bei Heiden Tiere, sondern sie bringen geistliche, spirituelle Opfer dar. Was sind geistliche, spirituelle Opfer? Zu Gott kommen, von ihm alles Lebensnotwendige annehmen und seinen Willen tun.

Und der Autor geht weiter: Gott hat Christen zum auserwählten, heiligen Volk gemacht, sie sind die königlichen Priester, bzw. wie er an einer anderen Stelle im Brief schreibt: Ihr seid König, Priester und Prophet – Christen sind das Höchste in einer Gesellschaft, das man sich damals denken konnte. Jesus sagte: Ihr seid das Salz der Erde, das Licht der Welt – das heißt: Ihr seid es, weswegen eine Gesellschaft nicht im Dunkel versinkt, ihr seid es, weswegen die Gesellschaft nicht ungenießbar wird. Und das sagt der 1. Petrusbrief nicht den Königen der damaligen Zeit, nicht der Elite, den angesehenen Menschen, nicht den öffentlich Wirksamen und Mächten und Großspurigen: das sagt er den Frauen, die vielfach überhaupt keine Rechte hatten, das sagt er den Kindern, die noch weniger galten, das sagt er den Sklaven, das sagt er all denen, die sich von der Elite treten lassen musste, ausnutzen, ausbeuten, vernichten – ihnen sagt er:

Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht; die ihr einst »nicht ein Volk« wart, nun aber »Gottes Volk« seid, und einst nicht in Gnaden wart, nun aber in Gnaden seid.

Wie riesengroß denkt und schreibt dieser Christ von diesen erniedrigten, kleinen unwichtigen Menschen, die in der Welt nichts zählen und die Geschichte nicht lenken.

Doch mit dieser von Gott geschenkten Größe und Bedeutung ist ein Auftrag verbunden: Die Größe besteht – aber sie verpflichtet auch zu verkündigen, nicht irgendwas zu verkündigen, sondern die Wohltaten Gottes. Gott hat sie alle als königliche Priester berufen in seinen heiligen Dienst. Gott hat sie berufen, damit sie das tun, was er von ihnen verlangt. Und was verlangt er von ihnen? Ein Leben, das zu diesem heiligen Dienst passt. Und was passt nicht zu diesem heiligen Dienst? Bosheit, Betrug, Heuchelei, Neid und alle üble Nachrede.

Wenn man sich das vorstellt! Christen sind Salz der Erde und Licht der Welt, sie sind die Elite der Gesellschaft, sie sind Heilige Gottes – und dann findet man unter ihnen noch Bosheit, Betrug, Heuchelei, Neid, üble Nachrede? Das passt nicht zusammen. Das passt so zusammen wie ein Schwein mit Perlen – wie wir aus einem Wort Jesu sinngemäß kennen. Das passt nicht zusammen! Und damit man das kapiert, damit man sein Leben neu sein lässt wie das neugeborene Kind, der kleine Säugling, so muss man an der Milch Gottes bleiben, damit man eben von der Freundlichkeit Gottes genährt wird – und diese auch weitergibt. Wer nicht an der Milch, der Freundlichkeit Gottes bleibt, der hungert, der dürstet, der verkrampft sich in seinem alten Leben der Bosheit, der betrügt, heuchelt, ist neidisch und schwätzt über andere dummes Zeug und Gemeinheiten und treibt den Spaltpilz in die Gesellschaft.

Wer jedoch an der Milch Gottes bleibt, sich von ihr stärken und kräftigen lässt, der hat anderes zu tun, als all diese Bösartigkeiten zu treiben. Und was hat er zu tun? Gottes Wohltaten mit dem Leben und dem Reden und dem Denken zu verkündigen.

Und so ist es erst einmal wichtig, die Milch Gottes zu trinken. Das heißt, an seinem Wort bleiben, sich von ihm nähren lassen, es lesen lernen, hören lernen, lieben lernen.

Und dann: Es ist nicht egal, was wir im Fernsehen schauen, es ist nicht egal, was wir für Bücher und Zeitschriften und was wir im Internet lesen und ansehen, und es ist nicht egal, was wir im Radio hören es ist auch nicht egal, über was wir so unsere Gedanken machen. Das, was wir sehen, hören, lesen, denken, das prägt uns. Es geht nicht um Purismus, darum, dass man also nur fromme Sachen beachtet – auch fromme Sachen können Giftmilch sein, können das Hirn töten. Jedoch geht es darum, als Menschen Gottes genauer hinzuschauen, auszuwählen. Was bringt mich weiter? Was passt zu meinem vor Gott wertvollen Leben – oder was zieht mich hinab? Was macht mich primitiv – was stärkt mich in meiner christlichen Weite?

Und das ist nicht nur für mich alleine wichtig, sondern das ist auch wichtig für die Gemeinde. Wir sind lebendige Steine – und wie viel Steine gibt es, die dem schlechten Baumaterial zuzuweisen sind? Sieht es in unserer Kirche so traurig aus, weil eben Menschen nicht darauf achtgeben, wessen Milch sie trinken, die Gottes oder die der Widergöttlichkeit, oder auch der neutral scheinenden Belanglosigkeit?

Wenn wir uns an Jesus Christus ausrichten oder auch an Paulus halten, dann wissen wir: Es liegt nicht an uns, andere als schlechtes Baumaterial auszusortieren. Gott sortiert aus – und es ist unsere Aufgabe auf uns selbst zu achten, ob wir uns im Geist Gottes als gute lebendige Steine ansehen oder als Steine, die verbesserungswürdig sind. Diese Selbsterforschung kann uns niemand abnehmen. Und sie ist auch nicht ein für alle Mal geschehen, sondern muss im Lichte Gottes ständig geschehen. Bin ich ein guter lebendiger Stein, der die Kirche aufbaut? Werde ich dem großen Anspruch Gottes an mich gerecht, der ich auserwählt bin, mit meinem Leben, meinen Taten und Worten Gott zu verkünden, ihn zu loben?

Wie groß sind diese Worte. Wie unsagbar schwer ist das zu tun! Unter dem Anspruch kann man zerbrechen, man kann vor Gott flüchten, weil man sieht und merkt, dass man dem allem niemals gerecht werden kann. Wie schnell lauert die Bosheit im Herzen, in Gedanken, auf der Zunge. Wie schnell ist Betrug in unserem Sinn, natürlich nicht im rechtlichen Sinn, sondern im moralischen, dass wir es nicht so genau nehmen, wie schnell heucheln wir – nicht vollkommen bösartig, sondern vielleicht nur ein ganz klein wenig, um uns besser dastehen zu lassen als wir eigentlich sind. Und Neid – vor allem aber, wie schnell ist üble Nachrede oder Streitsucht oder anderes aus dem Mund geschlüpft. Wir können diesem Anspruch nicht gerecht werden. Das ist unmenschlich, ja grausam, seelische Folterung, so etwas zu fordern – das kann es doch nicht sein, dass wir so herausgefordert werden, weil das mit der Liebe Gottes nichts mehr zu tun hat!

So wehren sich unsere Gedanken gegen den Predigt-Text. Zugegeben: Er ist großartig, er will neue Menschen schaffen, er ist in seiner Vision einer der ganz großen Texte – aber die Realität, die Wirklichkeit – wie passt das zusammen?

Das Wort der Bibel weiß um uns Menschen. Es weiß, wie klein wir sind, wie sündig, wie schwach – und es stellt dieser unserer Mickrigkeit etwas entgegen: Gott will die Welt anders haben, damit es auf der Welt menschlich zugeht. Der kleine Mensch – der große Gott. Der kleine Mensch zieht sich zurück, schlägt um sich – der große Gott geht auf ihn zu und versucht ihn mit Liebe zu umfangen.

Und worin wird diese Liebe deutlicher ausgesprochen als in dem Bild von Gott, der dem Menschen die Milch gibt, in seiner Liebe und Freundlichkeit? Es bekommt ja nicht ein Mensch diese Milch, der schon erwachsen ist. Neugeborene bekommen sie, Säuglinge, kleine Menschenwesen, die erst langsam wachsen müssen. Die nur schreien und quietschen, mit den Armen herumfuchteln, nicht einmal selbst das Köpfchen halten können. Und solche kleinen Wesen sind wir, solche kleinen Glaubens-Säuglinge. Wir sind noch keine Erwachsenen, wir sind Säuglinge, die auf diese Milch Gottes angewiesen sind. Von daher müssen wir nicht vollkommen sein, den Anspruch erfüllen, wir müssen nicht, wir müssen nicht dies und das.

Wir bekommen von Gott diese Milch – die sollten wir jedoch trinken, damit wir im Glauben wachsen können.

Mütter, die Säuglingen Milch geben, sprechen mit den kleinen Wesen. Und während wir von der Liebe und Freundlichkeit Gottes genährt werden, spricht er zu uns in seinem Wort, in unseren guten, weiterführenden Gedanken, durch gute Mitchristen – und so auch durch diese Predigt.

Ihr Lieben, denkt nicht zu gering von Euch, sondern wachst im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe. Amen.