Der für den heutigen Sonntag vorgeschlagene Predigttext steht im Matthäusevangelium:
Jesus spricht: Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie,
der gleicht einem klugen Mann,
der sein Haus auf Felsen baute.
Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es doch nicht ein;
denn es war auf Fels gegründet.
Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht,
der gleicht einem törichten Mann.
der sein Haus auf Sand baute.
Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es ein;
und sein Fall war groß.
Soweit der Predigttext.
Diese Worte bilden den Schluss der Bergpredigt. Jesus setzte sich an den Abhang eines Berges und belehrte die Menschenmenge, die ihm folgte. Und er belehrte sie, so das Matthäusevangelium darüber, wie sie sich verhalten sollen, wenn sie Gottes Kinder sein wollen, wenn sie Gottes Kinder sind.
In der Bergpredigt finden wir viele Perlen, die zu einer Perlenkette zusammengeführt worden sind. Ich möchte mit Ihnen heute Morgen einige der Perlen bergen.
Wenn Menschen diese Perlen annehmen, dann ist die ideale Welt da. Doch diese Perlen unterscheiden sich von den glitzernden Schätzen, die wir aus Märchen kennen, aus den Zeitschriften, von den Bildern der ganz Reichen. Während Menschen von diesen Glitzerschätzen träumen, lehnen viele die Perlen der Bergpredigt dankend ab. Was da an Schatz geboten wird, damit menschliches Leben und Zusammenleben gelingt, wird von allen Seiten bewundert – dann aber schnell in ein dunkles Töpfchen gelegt. Das dunkle Töpfchen heißt: Man kann das ja doch nicht tun. Oder: Wer das tut, ist ja kein Mensch mehr. Oder: Jesus hat das nie gesagt. Oder: Das Leben ist halt anders. Ja, diese Perlen Gottes haben es in sich. Sie lassen keinen unberührt. Sie fordern heraus. Und bevor sie einen beunruhigen, legt man sie ins dunkle Töpfchen. Jesus weiß das, so schildert es uns Matthäus. Denn es kommt nicht von ungefähr, dass die Worte des Predigttextes diese Perlen zu eine Kette zusammenbindet.
Was ist das für eine Perlenkette? Es ist die Perlenkette der Liebe Gottes zu uns Menschen. Er möchte den herumirrenden Menschen einen Weg zeigen. Wenn sie diesen Weg gehen, ist den Menschen in ihren vielen Streitereien, in ihren Sorgen, die sie sich im Leben machen, geholfen. Ich kann in der Predigt nicht alle Perlen vorstellen. Aber Sie haben ja alle die Bibel zu Hause – und können somit selbst die Perlen nehmen und ansehen. Übrigens: Je häufiger eine Perle in der Hand liegt, desto schöner wird sie, habe ich mir sagen lassen. Auf die Perlen der Bergpredigt trifft es allemal zu.
Die ersten Perlen leuchten schon besonders schön. Wir hören die Seligpreisungen.
Vorlesen: 5,3.4; 5,8; 5,10.11
Was für Perlen! Jede einzelne ist es Wert lange betrachtet zu werden. Was für eine Welt wird da sichtbar! Gott müsste sich um uns Menschen überhaupt nicht kümmern! Ihm könnten doch eigentlich geistlich Arme gleichgültig sein, oder Leidtragende – aber nein! Sie sind ihm wertvoll – so wertvoll, dass er immer mit ihnen zusammensein möchte. Ihrer ist das Himmelreich heißt es – und das bedeutet: Sie werden bei Gott sein allezeit. Und dann: Selig, wenn euch die Menschen um Jesus willen schmähen, verfolgen – sie sollen fröhlich und getrost sein! Was für eine Gotteswelt zeigen uns diese Perlen!
Es folgen weitere Perlen und danach die Perlen, die am meisten Widerspruch erregen (Antithesen):
Vorlesen: 6,21.22; 6,27.28; 6,38.39; 6,43-45a
Diese Perlen wollen auch wir am Liebsten ganz schnell in das dunkle Schächtelchen verschwinden lassen. Wie gerne hören wir die Seligpreisungen. Wer von uns fühlt sich nicht geistlich arm? Wer von uns leidet nicht – und freut sich über das Versprechen Gottes, dass wir getröstet, angenommen werden? Aber diese Perlen lassen uns erschrecken. Weil wir so ganz anders handeln. Wir lehnen uns vehement auf – und wissen doch gleichzeitig: Wenn wir Menschen uns danach richten würden, sähe es auf dieser Welt ganz anders aus. Und das ist das, was viele an diesen Perlen besonders stört: Seit sie in der Welt sind, kann keiner mehr mit ruhigem Gewissen seinen Mitmenschen beschimpfen. Es kann keiner mehr mit ruhigem Gewissen eine Frau bzw. einen Mann ansehen. Das ist furchtbar ärgerlich – aber diese Perlen sind das schlechte Gewissen der Christen. Wer möchte schon ständig mit schlechtem Gewissen herumlaufen? Also, weg mit diesen Perlen – sie gefallen uns nicht. Auch die nächste Perle, die ich ansprechen werde, gefällt uns auf dem zweiten Blick überhaupt nicht. Ich spreche von der so genannten „Goldenen Regel“:
Alles, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen.
Wir kennen einen ähnlichen Spruch, der aus diesem Wort gebildet wurde: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu. Auf den ersten Blick sieht diese Regel gut aus. Doch schauen Sie noch einmal hin: Merken Sie was? Zwischen diesen beiden Sprüchen (Alles, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen + Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu) liegt ein himmelweiter Unterschied. Und das ist der Unterschied zwischen allgemeiner menschlicher Weisheit und der Wahrheit Gottes. Unser Spruch, den wir so gut kennen, sagt, dass wir anderen nichts tun sollen, was wir für uns selbst nicht mögen. Also tun wir dem anderen gar nichts. Jesus sagt dagegen: Tue dem anderen, was du getan haben willst. Also: Man solle dem anderen Gutes tun – man soll Gutes im Voraus tun. Und damit gefällt uns auf den zweiten Blick diese Goldene Regel überhaupt nicht mehr. Woher weiß ich denn, dass der andere mir auch Gutes tun wird, wenn ich ihm Gutes tue? Das weiß man nicht. Er kann bösartig reagieren – und dann stehe ich wie ein blöder Hammel da. Doch damit handle ich nach Gottes Regel. Ich handle, wie Gott handelt. Er gibt uns Menschen Gutes, bevor wir ihm irgendetwas Gutes getan haben. Gottes Kinder handeln wie Gott selbst – und wenn die anderen blöd reagieren? Die Quelle, aus der die Liebe der Kinder Gottes sprudelt, ist nicht das eigene Herz, ist auch nicht der andere Mensch, dem man Gutes getan hat. Die Quelle der Liebe ist Gott selbst. Darum tun sie anderen Menschen Gutes im Voraus, ohne zu fragen: Was bekomme ich von ihm dafür?
Wir haben bis jetzt Perlen betrachtet, die das Zusammenleben zwischen den Menschen regeln können. Es gibt aber auch Perlen, die unser Zusammenleben mit Gott widerspiegeln. Gott ist eine Wirklichkeit. Er ist da, er ist anwesend, mit ihm können Menschen reden. Und in dieses Zusammensein des Menschen mit Gott haben andere Menschen nicht immer was zu suchen. Wenn wir fasten sollten – dann sollen wir es zu Hause tun und es nicht herumposaunen. Wenn Menschen heute vor Ostern fasten, dann geht es um ihrer selbst willen. Sie zeigen sich selbst und anderen: ich bin nicht abhängig vom Fernsehen oder von Süßigkeiten. Wenn Menschen richtig fasten, um Gottes Willen fasten, dann sollen sie es tun, ohne daraus ein großes Trara zu machen. Es handelt sich um einen intimen Moment zwischen Gott und Mensch. Durch das Fasten öffnet sich der Mensch Gott häufig in besonderem Maße. Sich Gott durch Fasten öffnen, das ist Fasten, wie Gott es möchte. Alles andere sind menschliche Selbstbeherrschungsübungen.
Eine weitere Perle zeigt uns die wunderbare Möglichkeit, dass wir mit Gott reden, beten dürfen. Wir müssen nicht viel plappern, wir dürfen vor Gott leben, ihn nahe wissen. Das ist die wunderschönste Perle, sie liegt auch in der Mitte der Bergpredigt. Und auch hier haben wir das intime Moment: Gott und ich dürfen miteinander alleine sein. Ich darf aus seiner Quelle leben. Andere haben in diesem Zusammensein nichts zu suchen. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, in der Gemeinschaft der Gemeinde mit Gott zu reden, als Brüder und Schwestern, deren Vater Gott ist. Und so lehrt uns Jesus das Vater-Unser. Dieses Gebet ist eine Perle, die viele, viele Menschen seit es gelehrt wurde als wunderschönste Perle in ihrem Leben ansehen, es hüten, in allen Lebenslagen betrachten. In traurigen und schweren, in fröhlichen und munteren. In Zeiten der Sprachlosigkeit und des Übersprudelns. Was für eine kostbare Perle ist das Vater-Unser!
Wir finden in der Bergpredigt noch viele Perlen. Perlen, die wir schon auf den ersten Blick wunderschön finden – und auf den zweiten Blick von uns tun würden; und Perlen, die wir auf den ersten Blick sofort in das Schächtelchen legen würden – aber je mehr wir uns damit beschäftigen, wunderschön zu schimmern beginnen.
Jesus verwendet in dieser Bergpredigt selbst das Wort „Perlen“ für diese Worte. Es heißt, dass man die Perlen nicht vor die Hunde und Säue werfen solle, da sie diese zertreten, in den Dreck treten, und die Kinder Gottes zerreißen würden.
Was ist los mit uns Menschen, dass wir so etwas tun können? Dieses Wort zeigt, die maßlose Dunkelheit des Menschen auf. Der Mensch ist nicht gut. Unter seiner schönen Fassade sieht es düster und grausam aus. Wie schnell wird aus friedvollen Menschen eine Furie, die alles unter sich zertreten. Wie schnell wird aus Menschen, die für andere eintreten, Menschen, die bei anderen zutreten. Vielleicht kennen es einige nicht allein aus dem Fernseher, sondern auch von sich selbst. Wir hassen das Freundliche, das Unschuldige, die Vergebung, Liebe. Natürlich wird all das ersehnt und besungen – doch es wird so ersehnt, dass ich es beherrschen kann. Und sobald Freundlichkeit, Unschuld, Vergebung, Liebe mir begegnen und ich sie nicht beherrschen kann, dann kommen Menschen damit nicht zurecht, es kocht in uns. Jesus begegnet den Menschen mit Liebe – und wird gehasst, bis heute. Jesus begegnet den Menschen mit Freundlichkeit – und wird verspottet, bis heute. Kinder Gottes begegnen Menschen in ihrer liebenden Freiheit – in vielen Ländern dieser Erde kommen sie in Lager, werden geschunden, gequält, getötet. Kinder Gottes werden geschlagen, halten ihre andere Wange hin – und der nächste Schlag kommt noch fester. Lebt er nach Gottes Maßstäben, wird er beschuldigt, Staatsfeind zu sein oder im Kleinen: sich für was Besseres zu halten. Der Mensch in seiner krankhaften Dunkelheit kommt mit so einem Verhalten das er nicht kennt, nicht zurecht. Und wir in unserer sicheren kleinen Gemeindewelt kommen auch nicht damit zurecht, dass Christen in anderen Ländern nicht allein um ihr Leben bangen müssen, sondern ihre Familien mit zerstört werden. Sie sind auf der Flucht, sie erleiden Schmerzen, sie erleiden Misshandlungen. Und dann singen sie noch? Dann beten sie vor den Augen ihrer Quäler zu Gott? Dann bekennen sie sich noch zu ihrem Herrn und Gott? Wir Christen sind vielfach Leisetreter geworden – und da stört die Bergpredigt. Sie stört, weil sie ein ganz anderes Leben von uns verlangt. Eine Umstellung der Werte, die wir von allen Seiten eingetrichtert bekommen. Es geht nicht um Glück, Gesundheit, Anerkennung, Unversehrtheit, Macht, Reichtum, Sorglosigkeit. Es geht allein um eins, und so lautet eine weitere Perle in der Bergpredigt: Trachtet zuerst nach der Gottesherrschaft. Darum geht es Kindern Gottes.
Unser Predigtext lautete:
Vorlesen: 7,24-27
Das Gewicht liegt auf das Tun dessen, was wir in der Bergpredigt hören. Doch können wir ihre Forderungen nicht tun. Da haben alle Kritiker Recht. Wer kann sie tun? Die Bergpredigt ist kein Gesetz, das irgendeiner tun muss. Wer sich an diesem Maßstab orientieren kann, muss von Gottes Liebe ergriffen worden sein. Darum stehen die Seligpreisungen auch zu Beginn. Wer weiß, dass er von Gott reich beschenkt wird, wer von Gott getröstet wird, der möchte Gott gefallen. Der möchte ein Leben führen, wie Gott es möchte. Wer von Gottes Liebe angesteckt worden ist, der richtet sich nach diesem Maßstab. Und der fragt auch nicht mehr: Kann ein Mensch das wirklich tun? Der Blick wird umgedreht: Wir schauen nicht mehr auf das Tun, sondern auf Gottes Liebe, die aus uns heraussprudeln möchte. Wir sehen in diesen Worten keine unerfüllbaren Forderung, sondern Gottes wunderschöne Perlen, mit denen er uns so reich beschenkt.
Amen