Glaube ist Sieg (1. Johannesbrief 5)

In Bearbeitung

Der heutige Predigttext kommt aus dem 1. Brief des Johannes – und bildet eine Zusammenfassung des zuvor im Brief Gesagten. Wenn wir also die Worte alle gut verstehen wollen, müssen wir den ganzen Brief lesen. Das würde natürlich die 10-15 Minuten, die man predigen sollte, übersteigen. Aber dessen müssen wir uns bewusst sein, wenn wir nicht sofort verstehen, worum es eigentlich geht. Zudem nimmt er auch Bezug auf sein Evangelium. Die Gemeinde, der Johannes diesen Brief geschrieben hat, kennt das Evangelium, kennt ihn, den Schreiber. Sie weiß also sofort, worauf er anspielt. Damit hat die Gemeinde einen Vorteil, den wir nicht haben.

Der Predigttext:

Wer glaubt, dass Jesus der Christus ist, der ist aus Gott geboren;
und wer den liebt, der ihn geboren hat,
der liebt auch den, der aus ihm geboren ist. 

Daran erkennen wir, dass wir Gottes Kinder lieben,
wenn wir Gott lieben und seine Gebote halten. 
Denn das ist die Liebe zu Gott, dass wir seine Gebote halten;
und seine Gebote sind nicht schwer. 

Denn alles, was aus Gott geboren ist, besiegt die Welt;
und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt besiegt hat.
Wer ist es aber, der die Welt besiegt,
wenn nicht, der da glaubt, dass Jesus Gottes Sohn ist? 

Dieser ist’s, der gekommen ist durch Wasser und Blut, Jesus Christus;
nicht im Wasser allein, sondern im Wasser und im Blut;
und der Geist ist’s, der das bezeugt, denn der Geist ist die Wahrheit. 

Denn drei sind, die das bezeugen:
der Geist und das Wasser und das Blut;

und die drei stimmen überein. 

Wenn wir der Menschen Zeugnis annehmen,
so ist Gottes Zeugnis größer;

denn das ist Gottes Zeugnis,
dass er Zeugnis gegeben hat von seinem Sohn. 

Wer an den Sohn Gottes glaubt, der hat dieses Zeugnis in sich.
Wer Gott nicht glaubt, der macht ihn zum Lügner;
denn er glaubt nicht dem Zeugnis,
das Gott gegeben hat von seinem Sohn. 

Und das ist das Zeugnis, dass uns Gott das ewige Leben gegeben hat,
und dieses Leben ist in seinem Sohn. 

Wer den Sohn hat, der hat das Leben;
wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht. 

Soweit der Predigttext.

Der Text ist kunstvoll aufgebaut. Das ist der Schreibstil des Johannes. Ein Satz folgt aus dem anderen, indem Wörter aufgegriffen und neu weitergeführt werden. Im Grunde könnte jeder Satz ein Kalenderspruch sein, ein Motto, das uns durch den Tag tragen soll, das wir bedenken, uns aneignen sollen. Zum Beispiel gleich die ersten Verse:

Gottes Wort 1, das wir bedenken können:

Wer glaubt, dass Jesus der Christus ist, der ist aus Gott geboren.

Gottes Wort 2:
und wer den liebt, der ihn geboren hat, der liebt auch den, der aus ihm geboren ist.

Gottes Wort 3 – beide zusammengeführt:

Wer glaubt, dass Jesus der Christus ist, der ist aus Gott geboren;
und wer den liebt, der ihn geboren hat, der liebt auch den, der aus ihm geboren ist. 

Kurz gesagt: Jeder dieser Sätze hat sehr viele Aussagen, über die wir dann den Tag über nachdenken können:

„Glaube“ bedeutet anzuerkennen, dass Jesus der Christus, also der Messias, der Herr, der Schöpfer ist. Aber was bedeutet es: aus Gott geboren sein? Kurz gesagt, mit Hilfe des soeben gelesenen Textes: „Aus Gott geboren sein“ bedeutet, anzuerkennen, dass die Bezeugung durch das Wassers, das Blut und den Geist wahr ist: Jesus Christus ist aus Gott geboren. Damit spielt er einmal auf seinen Brief, aber auch auf das Johannesevangelium an.

Und dann kommt der nächste Satz, den wir uns merken und im Geiste bewegen können:

Wer den liebt, der ihn geboren hat, also wer Gott liebt, der liebt auch den, der aus ihm geboren wurde.

Und wer ist aus Gott geboren worden? Jesus Christus. Wer ist noch aus Gott geboren? Ich, der ich glaube. Und wer ist noch aus Gott geboren? Alle anderen Menschen, die an Jesus Christus glauben.

Und was folgt wiederum daraus?

Dass wir Gott lieben – somit auch die Glaubenden lieben. Und das ist auch, so schreibt uns Johannes im Brief, das Gebot Gottes: Liebe üben.

Und damit kommen wir zu dem Satz, den ich heute in der Predigt hervorheben möchte:

Denn alles, was aus Gott geboren ist, besiegt / überwindet die Welt;
und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt besiegt / überwunden hat.
Wer ist es aber, der die Welt besiegt / überwindet,
wenn nicht, der da glaubt, dass Jesus Gottes Sohn ist? 

4x kommt das Wort Sieg/besiegt in dem kurzen Text vor. Wodurch besiegt / überwindet der Glaube die Welt? Durch die Liebe zu Gott und den Mitmenschen.

*

Bevor ich den Satz in der Predigt vertiefe: Es wird deutlich: Johannes hat einen Schreibstil, der uns zwingt, nachzudenken. Das ist nicht wie bei Instagram, TikTok, Facebook oder dem Zappen im Fernsehen. Es geht nicht schnell, schnell. Wenn wir ihn verstehen wollen, zwingt er uns durch seinen Schreibstil, in dem Text zu verharren. Er zwingt uns, jeden Satz zu einem Tagesmotto des Nachdenkens zu machen. Damit greift er eine weitverbreitete Weisheit auf, die im alten Ägypten bekannt ist wie im Buddhismus, das alttestamentliche Texte genauso lehren wie neutestamentliche Texte: Durch nachdenken, durch auswendig lernen mehr zu verstehen. Der Evangelist Lukas sagt es wunderschön, wenn er schreibt: Maria bewegte die Worte, die zu ihr gesagt wurden, in ihrem Herzen. Erst dann, wenn wir die Worte Gottes im Herzen bewegen, können sie uns wertvoll werden.

Und nun bewegen wir ein wenig die Worte des Johannes in unserem Herzen, die ich gerne bewegen möchte. Vielleicht haben sie andere Worte – und bewegen sie dann zu Hause weiter in ihrem Herzen, oder jetzt, während der Predigt:

Denn alles, was aus Gott geboren ist, besiegt / überwindet die Welt;
und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt besiegt / überwunden hat.
Wer ist es aber, der die Welt besiegt / überwindet,
wenn nicht, der da glaubt, dass Jesus Gottes Sohn ist? 

Wer glaubt, dass Jesus Christus Gottes Sohn ist, verharrt nicht in dem Leiden dieser Welt, nicht in den Sorgen dieser Welt. Wer das glaubt, ist nicht verkrampft, gefesselt von dem, was Menschen einander antun, verkrampft in der eigenen Schuld. Es ist ein Licht in die Welt gekommen – von außen, von Gott, der jenseits der Menschenwelt ist. Glaubende sehen weiter, ihr Blick ist nicht gefesselt von dieser Welt, ihr Handeln wird nicht von der Welt gelähmt, sie erstarren nicht, angesichts all des Bösen, das Menschen einander antun können. Sie resignieren nicht angesichts all der Katastrophen, die mit dem Leben in der Natur verbunden sind.

Und damit ist beschrieben, worin die Überwindung, das Besiegen der Welt verbunden ist. Die Menschen in der Zeit des Johannes lebten in einer brutalen Zeit. Jeder musste zusehen, wie er sich und seine Familie schützt. Schützt davor, von irgendwelchen Menschen entführt und in die Sklaverei verkauft zu werden. Christen hatten die Schwierigkeit, dass sie von Menschen, die nicht glaubten, verleumdet wurden, auch als solche, die Menschenfleisch essen. Als Verführer der Menschen, damit sie nicht an die Götter glauben, sondern an einen Menschen: Gott in dem Menschen Jesus Christus.

Schutzlos waren sie allen möglichen ausgeliefert. Gerade in dieser Zeit der Schutzlosigkeit, der Ohnmacht, ausgeliefert der Willkür Mächtiger und mächtiger, gewalttätiger Gruppen – erkannte die Gemeinde: Gott bringt Neues! Gott bringt Licht! Wir müssen nicht wie ein Kaninchen erschreckt vor der Schlange verharren – wir besiegen die Schlange. Nicht, indem wir Schlange werden, wir besiegen sie durch ein neues Leben.

Und das ist das Spannende: Jesus Christus wurde hingerichtet. Die Schlange, das Böse hat ihn überwältigt. Aber: Jesus Christus ist auferstanden. Und so wurde die Schlange besiegt. Somit müssen auch die Glaubenden keine Angst mehr haben – auch nicht vor dem Sterben, auch nicht vor dem Tod. Die Schlange wurde besiegt – und nun können Glaubende diese Schlange des Bösen Schrittchen für Schrittchen besiegen.

Der christliche Glaube ist heute oft ein Schönwetterglaube geworden: Wenn Gott uns liebt, warum ändert er nicht alles zum Guten? Und weil er nicht alles zum Guten ändert, kann es keinen Gott geben.

Dieser Glaube ist ein moderner Wohlstandsglaube. Die frühen Christen waren vielfach Sklaven, ausgeliefert ihren Herren und Herrinnen. Ausgeliefert mit allem, was es mit sich bringt, wenn ein Mensch sich nichts selbst gehört, sondern anderen Menschen. Ausbeutungen, Vergewaltigungen, Auspeitschungen, Verkauf an neue Herren und Herrinnen, Trennung von Kindern, Verletzungen durch den Zorn der Herren und Herrinnen und auch durch Mitsklaven. Sie standen im Fokus der Spötter und Verächter. Das war die Welt der frühen Christen, in einer Welt, die keine Moral kannte, moralisch zu leben. Was nicht gelang, wenn man Sklave war, wenn man in einem feindlichen, lärmenden, gefährlichen Umfeld leben musste. Und gerade in dieser Zeit war der Glaube ein Anker, ein Maßstab, eine Ausblick in die wahre Welt, die Welt Gottes.

Und in diese dunkle Welt hinein ruft Johannes:

Denn alles, was aus Gott geboren ist, besiegt / überwindet die Welt;
und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt besiegt / überwunden hat.
Wer ist es aber, der die Welt besiegt / überwindet,
wenn nicht, der da glaubt, dass Jesus Gottes Sohn ist? 

Und dieser Ruf hallt durch die 2000 Jahre hindurch. In welchen Umständen du auch leben musst, was auch immer dich beunruhigt, gefährdet, ängstet: Halte ein, denke darüber nach, besinne dich, atme tief durch: Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt besiegt hat. Nicht die Welt mit all ihren Schrecknissen und auch falschen Freuden, ihrer Gewalt besiegt dich: Nein, der Glaube ist es, der sie schon längts besiegt hat. Du kannst in ihr im Licht Gottes leben, verbunden mit Gott im Gebet, verbunden mit Gott im Sakrament, verbunden mit Gottes Geist.

Und wenn du glaubst, dann sagt dir eben dieser Geist: Gott ist. Auch wenn du manchmal meinen solltest: Es gibt keinen Gott! Der Geist bezeugt dir: Doch, Gott ist. Wir Menschen erleben Herausforderungen, Schlangen noch und nöcher, die Frage ist: Lassen wir uns von den Schlangen von Gott abbringen oder wenden wir uns im Geist Gottes Gott zu? Wir Menschen haben die Wahl: Wir können uns durch Schicksalsschläge, durch Trauer, Traurigkeiten, Tod Geliebter Menschen von Gott abbringen lassen, dann haben die Schlangen gesiegt. Aber seit Jesus Christus unter uns lebte und lebt, haben wir die Möglichkeit, durch den Geist Gottes, der Gottes Zeuge ist, an Gott festzuhalten. Wir können uns besiegen lassen – oder wir können selbst mit Gott im Glauben siegen.

Denn alles, was aus Gott geboren ist, besiegt / überwindet die Welt;
und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt besiegt / überwunden hat.
Wer ist es aber, der die Welt besiegt / überwindet,
wenn nicht, der da glaubt, dass Jesus Gottes Sohn ist?