Gott bietet Zukunft (Jesaja 55)

Der für den heutigen Sonntag vorgeschlagene Predigttext steht im Buch des Propheten Jesaja im 55. Kapitel. Wir werden nicht nur die Verse 1-3 der Predigt zugrunde legen, da es sich mit ihnen nur um einleitende Worte handelt, sondern die ganze Rede des Propheten betrachten.

Wir müssen etwas über die Antike wissen. Es gab bekanntlich keine Zeitungen, kein Fernsehen, kein Radio. Wie konnte man Menschen dennoch erreichen, wenn man ihnen etwas sagen wollte? Diejenigen, die eine Botschaft zu verkünden hatten, über etwas informieren wollten, stellten sich auf Marktplätze, stellten sich an die Tempel und riefen laut den Menschen etwas zu. Der einzelne Rufer musste sich so manches an Werbung ausdenken, denn er war nicht der Einzige, der dieses Kommunikationsmittel nutzte. Sie mussten genau wissen, wie sie die Aufmerksamkeit von Menschen erlangen. Und so steht auch der Prophet Jesaja auf dem Markt, am Tempel und sucht die Aufmerksamkeit der Menschen zu erregen.

Der Prophet ist ein Marktschreier! Gott schreit durch ihn!

Alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser!
Und die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und esst!
Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst: Wein und Milch!

Gott ist ein Marktschreier – und was für einer: Es gibt alles umsonst! Er gibt alles umsonst: Wasser, Wein, Milch und zu essen! Und die Menschen kommen, sie wollen zuhören. Was? Es gibt was umsonst? Sie sammeln sich. Und dann stehen sie um den Propheten herum. Und der Prophet fährt fort und ruft:

Warum zahlt ihr Geld für das, was kein Brot ist,
und sauren Verdienst für das, was nicht satt macht?
Hört doch auf mich, so werdet ihr Gutes essen und euch am Köstlichen laben!

Oh weh – wie viel Geld geben wir aus für unnütze Dinge, Dinge, die uns sogar schaden. Süßigkeiten, salziges Knabberzeug, wir geben es aus für diesen und jenen Nippes und Zeitvertreib. Aber Gott will uns etwas verkaufen! – umsonst verkaufen!? – welch ein Widerspruch. Was will er uns denn verkaufen, rufen wir dem Propheten zu. Er ruft weiter:

Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir!
Hört, so werdet ihr leben!
Ich will mit euch einen ewigen Bund schließen,
um euch die beständigen Gnaden Davids zu geben.
Siehe, ich habe ihn den Völkern zu Zeugen bestellt,
zum Fürsten für sie und zum Gebieter.
Siehe, du wirst Heiden rufen, die du nicht kennst,
und Heiden, die dich nicht kennen, werden zu dir laufen
um des Herrn willen, deines Gottes,
und des Heiligen Israels, der dich herrlich gemacht hat.

Menschen geben für alles Mögliche ihr Geld aus – Gott möchte sein Volk beschenken. Und mit seinem Volk bekommen wir alles, alles Gute. Aber was ist das, was Gott uns schenken möchte? Er möchte seinem Volk einen Vertrag anbieten, einen Bund, der königlich ist. Das niedergedrückte Volk wird einen neuen Herrscher bekommen, einen Herrscher, zu dem die Völker kommen werden. Von aller Herren Länder kommen die Völker und werden diesen Herrscher loben. Wer ist der Herrscher? Der Prophet ist ein Revolutionär, der dem aktuellen König über Israel, einen wahren Herrscher entgegenstellt. Der Herrscher ist Gott, der den neuen Bund mit seinem Volk schließt. Wir Christen glauben, dass Gott diesen Herrscher mit Jesus Christus, dem Sohn Davids, geschenkt hat. Überall auf der Welt kommen Menschen zu ihm. Sie werden Christen, trotz Verfolgung, trotz Anfeindungen, weil sie in Jesus Christus erkennen: Jesus Christus ändert mein Leben. Er macht es sinnvoll. Er bringt Licht und Segen und Frieden in mein Haus, in mein Herz – auch wenn es immer wieder mal kracht, so weist er doch den Weg zu einem Neuanfang. Er weist den Weg zu einem sinnvollen Leben.

Aber noch ist es für den Propheten Jesaja nicht so weit. Bis dieser Herrscher kommen wird, bekommt das Volk Regeln. Zu einem Bund gehört, dass beide Parteien geben und nehmen. Was soll das Volk Israel geben?

Suchet den Herrn, solange er zu finden ist.
Rufet ihn an, solange er nahe ist.
Der Gottlose lasse ab von seinem Weg
Und der Übeltäter von seinen Gedanken
Und bekehre sich zum Herrn,
so wird er sich seiner erbarmen
und zu unserem Gott,
denn bei ihm ist viel Vergebung.

Was wir hier von Gott hören, das ist ein Trostwort. Wir mögen andere Trostworte hören, Trostworte, die zu Herzen gehen, die unser Gefühl ansprechen – aber sehen wir mal auf das Wort, das uns von Gott durch den Propheten Jesaja geschenkt wird.

Das erste Geschenk:

Wir sind Gott nicht gleichgültig: Er will mit uns einen Bund schließen – und wenn wir einstimmen, dann gehen wir auch neu miteinander um: ohne Zorn, Misstrauen, wir beschuldigen einander nicht mehr, wir können einander vergeben. Gott ist es nicht egal, wie wir miteinander umgehen, ob wir uns gegenseitig das Leben schwer machen oder es doch von Liebe beherrschen lassen.

Das zweite Geschenk:

Gott ist nahe, er will sich finden lassen. Er ist nicht weit weg. Gilt der Satz noch? Ist er nahe? Will er sich denn noch finden lassen? Habe ich die Chancen nicht längst vertan? Woran erkenne ich, dass Gott mir nahe ist? Ich habe Schmerzen, ich bin krank, Lebensziele werden nicht verwirklicht, Sehnsüchte nicht gestillt – und Gott ist mir nah? Ich habe ihn gesucht in der Zeit der Not, des Fragens, der Angst – wo war er da? Wo warst du, Gott, als ich dich gebraucht habe? Und Gott fragt zurück: Und wo warst du, als ich dich gebraucht habe? Du bist mein Mund in deiner Welt – und du hast mich verschwiegen. Du bist mein Arm in dieser Welt – und du hast nicht gehandelt. Du bist mein Fuß in dieser Welt – und du bist bequem sitzen geblieben. Wie kann ich Gott anklagen, dass er weghört, wenn ich rufe, wenn ich ihn selbst nicht höre, wenn er mich ruft? Denn wenn ich ihn höre, dann änderst sich alles für mich. Was mich bedrückt bekommt einen anderen Stellenwert. Gott fragt zurück – aber er lässt mich nicht im Stich. Er hat mich nie im Stich gelassen und er wird es auch nicht tun. 

Das dritte Geschenk:

Gott weist mich auf die Zukunft. Und diese Zukunft kann mein Leben jetzt bestimmen, wenn ich mich auf Gott einlasse und nicht wieder weghöre, wenn er ruft. Im Glauben, den der Heilige Geist wirkt, erblicken wir bereits die neue Welt, die unsere wahre Heimat ist.

Drei Geschenke haben wir von Gott angesprochen: Es gibt viele zu Herzen gehende Trostworte. Aber hier handelt es sich um Trostworte Gottes. Er tröstet nicht nur billig, leichthin, sondern mit dem Trost sind auch weiterführende Ermahnungen verbunden. Wer nicht die Zukunft im Blick hat, kann auch die Gegenwart nicht gestalten.

Das ist an allen Erfindungen sichtbar, an medizinischen und technischen, an Zielen im Weltraum, aber auch an sozial-politischen Zielen. Wer sich die Zukunft nicht besser vorstellen kann, verharrt, verstummt, erstarrt, hat verloren.

Gott vertröstet jedoch nicht mit der Zukunft. Er öffnet sie uns, damit sie gegenwärtig schon anbrechen kann. Dann bekommen meine Niederlagen, meine Zweifel und Fragen ein anderes Aussehen, eine andere Bedeutung. Jesus zum Beispiel: Er hat das kommende Reich Gottes verkündigt. Und: Er hat es auf der Erde schon zeichenhaft durchgesetzt, indem er sich Menschen zugewendet hat, sie geheilt, Menschen Zukunft und Heimat gegeben hat. Und so kann das Kommende der Lichtblick meiner dunklen, schweren Gegenwart sein. Schauen wir in die Zukunft und sehen schwarz – so wird auch die Gegenwart von Angst durchdrungen. Jesus blickt in die Zukunft und sieht Gottes Licht – so wird auch die Gegenwart bestimmt von dem Glauben, der mich dankbar leben lässt, auch wenn es immer wieder dunkel wird um mich her.

Gott verändert uns: Wir können sein Mund sein und Menschen in seinem Namen helfen; wir können sein Arm sein und Menschen in seinem Namen tragen. Das darum, weil wir selbst froher und dankbarer werden. Auch wenn wir Schweres, Niederdrückendes, gar Lähmendes erleben, so erfahren wir, wie sehr Gott uns durch diese dunkle Zeit hindurchträgt. Seine Zukunft erhellt unsere Gegenwart. Das schenkt er uns. Umsonst. Was für ein Geschenk!  Wer denkt ich bleibe immer einsam, krank usw., der lähmt sich selbst. Wir Menschen müssen uns mit Gott positive Ziele für die Zukunft suchen für die nahe oder vielleicht gar die ferne, damit wir nicht stagnieren, nicht in uns versauern, erstarren. Nichts schön reden, nicht billig über Schlimmes hinwegdenken. Das lernen wir zum Beispiel von Joni Eareckson Tada. Sie hatte mit 17 Jahren einen Badeunfall und wurde querschnittsgelähmt. Sie ließ sich nicht davon abschrecken, sie arbeitete durch viele, viele schlimme Tiefen mit Jesus Christus auf Zukunft hin. Und so hat sie eine Organisation gegründet, Wheels fort he World, die Gelder und Rollstühle sammelt für Menschen, die sich einen solchen nicht leisten können. Sie lernte mit dem Mund zu malen, schrieb etliche Bücher mit Hilfe von anderen Menschen. Sie schenkte damit anderen Menschen: Zukunft.

Mit Jesus haben wir immer Zukunft – selbst dann, wenn es die Zukunft nach menschlicher Sicht nicht mehr gibt, wenn das tätige Leben abgebrochen ist. Und wenn wir bettlägerig sind und kaum mehr Aktives planen können – wir können als Christen die Zukunft mit gestalten durch unser Gebet. Erinnern möchte ich an die Dichterin Caroline Maria Noel, die über 20 Jahre ans Bett gefesselt war, und wunderbare Gedichte geschrieben hat:

Die  Liebe Jesu überflutet all meine Bedürfnisse,
sie spült weg alle Bitterkeit und Traurigkeit.

Bitterkeit, die der Unglaube in mir hervorgerufen hat.
Aber kann meine Traurigkeit wirklich bitter sein,
wenn sie schon die kommende Freude bei Gott spürt?

Diese Freude sprengt sich schon jetzt ab von der Traurigkeit,
sie wächst in die Höhe zu dem Glück und zu der Schönheit der Welt Gottes.

Gott schenkt Zukunft. Er ist unsere Zukunft. Und das tröstet, wenn wir in dunkle Zukunft sehen. Wir wissen: Gottes Herrlichkeit ist unsere Zukunft, die alle irdische dunkle Zukunft überstrahlt, somit auch Licht in unsere irdische Zukunft ist.

Amen.