Der für den heutigen Sonntag vorgeschlagene Predigttext steht im Buch des Propheten Jeremia 31:
Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, mein Bund, den sie gebrochen haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der HERR; sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein. Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: »Erkenne den HERRN«, denn sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß, spricht der HERR; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.
Der Prophet Jeremia spricht von einem neuen Bund. Wann spricht er das? In Zeiten der Krise. Alles ist in Israel durcheinander. Menschen verhalten sich nicht so, wie Gott es will. Das Volk hat die besten sozialem Gebote. Aber es hält sich nicht dran. Jeder Krise muss man neu begegnen. Auch Gott begegnet dieser Krise neu. Er verheißt durch den Propheten einen neuen Bund, einen neuen Vertrag. Einen neuen Bund schloss er, so glauben wir Christen, durch Jesus Christus. Wie geht es uns mit diesem neuen Bund? Ist in ihm alles vollkommen, ist alles gut? Ist mit unserem Glauben alles gut? Vielfach nicht.
Wir merken selbst in unserem Leben, ob es mit dem Glauben stimmt oder nicht. Wie gehen wir damit um? Welche Perspektiven Ideen entwickeln wir in unseren Glaubenskrisen, um im Glauben voranzukommen? Legen wir die Hände in den Schoß, resignieren, geben auf? Das ist ein schlechter Umgang mit jeder Krise auch mit der Krise des Glaubens. Krisen sind Herausforderung, um Neues zu wagen. Unermüdlich müssen wir uns auf den Weg machen – wollen wir uns denn auf den Weg machen? Wenn man neue Wege geht, können es Irrwege sein, es kann sein, dass sie sich nicht bewähren. Und so haben wir vielfach Angst, neue Wege zu gehen – und bleiben lieber in dem uns gewohnten Alltag stecken. Unzufrieden, aber gewohnt.
Im Neuen Testament finden wir einen bewährten Weg, den Weg des Glaubens. Jesus spricht dann von Glauben, wenn sich Menschen in unvorstellbaren persönlichen Krisen unermüdlich, ohne sich beirren zu lassen, auf den Weg zu Jesus machen. Menschen in der Krise: der Gelähmte, der zu Jesus gebracht wird – ihm und seinen Helfern wird Glauben zugesprochen; der Frau, die sich in ihrer Krankheit traut, verbotene Wege zu gehen, um von Jesus geheilt zu werden, ihr wird Glaube zugesprochen. Dem Geheilten, der sich anders als alle anderen Jesus zuwandte, ihm wird von Jesus Glauben zugesprochen. Glaube ist nichts Starres. Der neue Bund, den Gott mit uns in Jesus Christus schließt, ist nichts Lebloses, Steinernes – er ist lebendig. Glaube ist ein Weg in der Krise, ein Krisenweg zu Jesus Christus. Glaube ist ein vertrauender Weg zu Jesus – ein Weg, der in der Liebe zu Jesus Christus endet. Der neue Vertrag, der neue Bund bedeutet: In glaubender Liebe können wir unseren Krisenweg zu Jesus Christus gehen, denn die Freude an Gott ist unsre Stärke, die Freude an Christus ist unser Licht.
Und dieser neue Bund bringt, wie der Prophet angekündigt hat, etwas grundlegend Neues: Der Mensch will sich in seiner Lebens- und Glaubenskrise aus seinem tiefsten Inneren heraus auf den Weg zu Jesus machen, er will sich so verhalten, wie Gott es will. Er macht es nicht gezwungen. Er will, denn Gott ist seine Freude, Christus ist sein Licht. Auf unseren Krisen-Wegen öffnen wir uns Gott und Gott will uns einen neuen Geist geben, ein neues Herz, eines, das von sich aus gerne tut, was Gott will, der wirkt, was dem Menschen hilft. Wenn ein Mensch ganz aus Gott heraus lebt, dann tut er Gottes Willen, ohne dass es ihn anstrengt, einfach, weil es ihm Freude bereitet. Ja, oft denkt er gar nicht darüber nach – sondern handelt einfach im Einklang mit Gott. Dazu gehört auch, dass Glaubende einander nicht belehren über dies und jenes.
Und jetzt kommt das große Aber: Wie sehr das in der Kirche in allen politischen Farben beliebt ist, die Menschen zu belehren, hat sich vielleicht schon herumgesprochen. Da wird dies und das gefordert, dieses und jenes Verhalten, dieses und jenes Weltbild und politisch richtige Denken. Immer wieder wird dasselbe vorgekaut, nur mit anderen Worten. Warum? Aus bester Absicht: Man will die Welt verbessern – und das geht nur, wenn man die Menschen verbessert. Und wie macht man die Menschen aus seiner ganz eigenen privaten kleinen Sicht besser? Indem man sie belehrt. Hat das etwas mit Freude an Gott an Christus zu tun? Kaum.
Das ist der falsche Ansatz. Es ist der vorchristliche Ansatz. Der christliche Ansatz hat einen anderen Ausgangspunkt: Wenn ein Mensch an Gott gebunden ist, dann benötigt er keine Belehrung von außen mehr. Die Freude an Gott ist unsere Stärke, die Freude an Christus ist unser Licht. Wir selbst wollen ganz dicht mit Gott verknüpft sein. Wir wollen von Gott durchleuchtet und durchdrungen sein – und das ist unsere Bitte, unser Gebet.
Daran liegt uns Glaubenden:
Uns in Gott zu bergen und aus dieser Geborgenheit unser Leben im Sinne Gottes zu führen. Daran liegt uns Glaubenden:
In Gottes Frieden einzutauchen und aus diesem Bad in Gott ganz erfrischt und neu aufzutauchen.
Daran liegt uns Glaubenden:
Die Liebe Gottes uns ganz durchdringen zu lassen, damit unser Leben ganz von der Liebe durchglüht gelebt wird.
Daran liegt uns Glaubenden:
Der lebendige Gott möge uns mit seinem ganzen Leben durchdringen, damit wir in dieser Zeit und in Ewigkeit in Gottes Lebendigkeit und Freude verbringen.
Daran liegt uns in erster Linie. Darum öffnen wir uns Gott. Darum lesen wir in seinem Wort, damit wir seine Liebesbotschaft an uns hören, wir sprechen mit ihm, denken in ihm, ruhen in ihm gedankenlos, wir nehmen ihn im Brot und Wein zu uns, wie der Apostel Paulus sagt: Ich lebe in Christus – Christus lebt in mir. Wie Liebende die Nähe der Geliebten suchen, so suchen wir die Nähe Gottes, um in seiner Liebe zu leben. Wir haben einen Hunger nach Gott, weil Gott in uns diesen neuen Bund hineingelegt hat. Dieser Hunger wird irdisch nie gestillt werden – aber unsere Sehnsucht nach Gott ist eine nie heilende Wunde.
Leider versuchen Menschen diesen Hunger nach Gott mit allem möglichem Zeugs zu stillen, die Wunde mit allem möglichen – auch Gefährlichem – zu schließen. In gelassener Freude auf Gott warten, sein Herz und seine Seele in Ruhe Gott hinhalten, damit er sie zu seiner Zeit mit Frieden füllt, sein Leben geduldig in Gottes Hände legen, Tag für Tag, Stunde für Stunde, Minute für Minute. Das wollen wir, das ist unser Wunsch, unsere Sehnsucht. Vielleicht haben wir diese Sehnsucht im Laufe des Lebens eingekapselt, weil wir sie als störend empfunden haben. Vielleicht haben wir uns irgendwann einmal gedacht: Diese Sehnsucht nach Gott macht mich nur müde, treibt mich um, raubt mir die Kräfte. Ich lasse es, sie zu suchen. Habe ich resigniert – oder habe ich es in meinem Leben offen gelassen und gesagt: Gott, ich weiß nicht, wie diese Sehnsuchtswunde zu heilen ist – ich bin gespannt, wie du sie mir in meinem Leben heilst? In manchen von uns wird diese Sehnsucht nach Gott auch irgendwie durchs Leben bedingt, ganz klein. Sie spielt keine Rolle mehr – vom Leben ganz einfach überrollt. Aber irgendwann packt uns dann eine Unruhe, wir wissen nicht, was das ist, woher sie kommt, was so eine Gewalt in uns ausübt. Menschen versuchen ihr auf unterschiedlichster Art zu begegnen. Und keiner weist ihn den Glaubensweg und sagt ihm: Es ist Gott in dir, sein Vertrag der Liebe, den er dir anbietet. Unruhig und rastlos ist man, wenn man das nicht weiß. Aber es ist der ins Herz gelegte Bund, der uns umtreibt – damit wir uns auf den Glaubensweg machen – und erst dann kommen wir zur Ruhe, zum Frieden Gottes, wenn wir ihn wieder in uns groß werden lassen: Die Freude an Gott ist unsere Stärke, die Freude an Christus ist unser Licht.
Da muss uns keiner belehren.
Dass man einander nicht belehren muss, bedeutet aber nicht, dass man auch nicht aufeinander hört. Dass man Erfahrungen im Glauben austauscht. Denn auch als Glaubende kann man sich extrem verrennen. Andere sind auch Kinder Gottes, die mit dieser Sehnsucht, diesem Hunger nach Gott leben – wie gehen sie damit um?
Wir können dazu wunderbar viel lesen. In der Bibel, in der gesamten Kirchengeschichte haben viele, viele Menschen Wunderbares gesagt und getan. Das zu vertiefen würde zu weit führen. Naheliegend ist es, das Gesangbuch aufzuschlagen, in dem Lieder zu finden sind, deren Sprache und Melodie vielleicht veraltet klingen – aber der Glaubensinhalt ist hilfreich.
Sie tragen dazu bei:
Uns in Gott zu bergen und aus dieser Geborgenheit unser Leben im Sinne Gottes zu führen.
In Gottes Frieden einzutauchen und aus diesem Bad in Gott ganz erfrischt und neu aufzutauchen.
Die Liebe Gottes uns ganz durchdringen zu lassen, damit unser Leben ganz von der Liebe durchglüht gelebt wird.
Der lebendige Gott möge uns mit seinem ganzen Leben durchdringen, damit wir in dieser Zeit und in Ewigkeit in Gottes Lebendigkeit und Freude verbringen.
Amen