Apostelgeschichte 17: Christlicher Glaube – staunende Philosophie

Der für den heutigen Sonntag vorgeschlagene Predigttext steht in der Apostelgeschichte des Lukas im 17. Kapitel:

Als aber Paulus in Athen auf sie wartete, ergrimmte sein Geist in ihm, als er die Stadt voller Götzenbilder sah. Und er redete zu den Juden und den Gottesfürchtigen in der Synagoge und täglich auf dem Markt zu denen, die sich einfanden. Einige Philosophen aber, Epikureer und Stoiker, stritten mit ihm. Und einige von ihnen sprachen: Was will dieser Schwätzer sagen? Andere aber: Es sieht so aus, als wolle er fremde Götter verkündigen. Er hatte ihnen nämlich das Evangelium von Jesus und von der Auferstehung verkündigt. Sie nahmen ihn aber mit und führten ihn auf den Areopag und sprachen: Können wir erfahren, was das für eine neue Lehre ist, die du lehrst? Denn du bringst etwas Neues vor unsere Ohren; nun wollen wir gerne wissen, was das ist. Alle Athener nämlich, auch die Fremden, die bei ihnen wohnten, hatten nichts anderes im Sinn, als etwas Neues zu sagen oder zu hören.

Paulus aber stand mitten auf dem Areopag und sprach: Ihr Männer von Athen, ich sehe, dass ihr die Götter in allen Stücken sehr verehrt. Ich bin umhergegangen und habe eure Heiligtümer angesehen und fand einen Altar, auf dem stand geschrieben: Dem unbekannten Gott. Nun verkündige ich euch, was ihr unwissend verehrt.

Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist, er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind. Auch lässt er sich nicht von Menschenhänden dienen wie einer, der etwas nötig hätte, da er doch selber jedermann Leben und Odem und alles gibt. Und er hat aus einem Menschen das ganze Menschengeschlecht gemacht, damit sie auf dem ganzen Erdboden wohnen, und er hat festgesetzt, wie lange sie bestehen und in welchen Grenzen sie wohnen sollen, damit sie Gott suchen sollen, ob sie ihn wohl fühlen und finden könnten; und fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeden unter uns.Denn in ihm leben, weben und sind wir;wie auch einige Dichter bei euch gesagt haben: Wir sind seines Geschlechts. Da wir nun göttlichen Geschlechts sind, sollen wir nicht meinen, die Gottheit sei gleich den goldenen, silbernen und steinernen Bildern, durch menschliche Kunst und Gedanken gemacht.

Zwar hat Gott über die Zeit der Unwissenheit hinweggesehen; nun aber gebietet er den Menschen, dass alle an allen Enden Buße tun. Denn er hat einen Tag festgesetzt, an dem er den Erdkreis richten will mit Gerechtigkeit durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat, und hat jedermann den Glauben angeboten, indem er ihn von den Toten auferweckt hat.

Als sie von der Auferstehung der Toten hörten, begannen die einen zu spotten; die andern aber sprachen: Wir wollen dich darüber ein andermal weiterhören. So ging Paulus von ihnen. Einige Männer schlossen sich ihm an und wurden gläubig.

Soweit der Predigttext.

An diesem Text sehen wir, dass auch unter frühen Christen Menschen wie Paulus wirkten, die philosophisch gebildet waren. Sie kannten die Literatur und die Philosophen der Zeit. Und dennoch: Sie glaubten an Jesus Christus. Das gibt es auch noch heute: Menschen freuen sich ihres Glaubens und gehen mit dem Unglauben gelassen um. So gibt es einen alten Kalauer über einen der großen Religionskritiker, über Friedrich Nietzsche, der den Tod Gottes zum Thema machte. Der Kalauer sagt:

Gott ist tot – sagte Nietzsche.
Nietzsche ist jetzt tot – sagt Gott.
Sagt Gott auch: Nietzsche darf dennoch leben?

Die Botschaft von der Auferstehung der Toten hat schon immer Spott hervorgerufen – und ist ja, wenn wir sie recht bedenken, auch eine komische Sache. Alles ist vergänglich – und der Mensch soll auferstehen?

Heute liebt so mancher Mensch die Botschaft der Reinkarnation. Das heißt im landläufigen Sinn, dass der Mensch nach seinem Sterben immer wieder auf die Erde kommt. Man verbindet das mit dem Buddhismus. Aber die europäische Vorstellung hat kaum mehr etwas mit dem Buddhismus zu tun. Im Buddhismus und Hinduismus geht man davon aus, dass der Verstorbene wieder auf die Erde kommt – aber nicht zwangsläufig als Mensch, sondern auch als ein Tier. Doch der Europäer möchte nicht als Tier auf die Erde kommen, sondern als Mensch; er möchte auch nicht in einer niederen, verachteten Kaste das Licht der Welt erblicken. Und so wird dann die ursprüngliche Frömmigkeit des Hinduismus und Buddhismus den eigenen europäischen Wünschen angepasst. Wenn man sich sehr gut verhalten hat, dann geht man, so sagt der Buddhismus, irgendwann ins Nirwana ein. Und der Europäer hofft natürlich – dass es möglichst bald sei. Es handelt sich also in der europäischen Version eindeutig um eine Wunschvorstellung, die die grausamen Aspekte der indischen Version hinter sich lassen möchte. Grausam ist die indische Frömmigkeit darum, weil man Menschen, die Leiden, nicht beachten muss: Sie haben ihr schlimmes Schicksal selbst heraufbeschworen. Wie sehr dieses Denken das gesellschaftliche Leben Indiens bestimmt, haben wir sicherlich schon gehört. Dann möchte man doch eigentlich lieber mit den Menschen, die nichts glauben, annehmen, dass man in die Erde gelegt wird und vergeht. Das scheint wenigstens realistisch, hat aber auch traurige Konsequenzen für die Gesellschaft, wenn man das zu Ende denkt.

Jeglicher Glaube an irgendeinem Weiterleben nach dem Tod ist unrealistisch. Und so zweifelt auch unser Verstand die Botschaft von der Auferstehung an. Da geht es uns wie den Hörern von Paulus. Doch als Paulus diese Botschaft ausgesprochen hatte, geschah etwas Eigenartiges: Einige spotteten, einige wollten später weiteres darüber hören – aber einige wurden gläubig.

Wir haben hier drei Gruppen von Menschen vor uns – vielleicht sind alle drei Typen auch ein Teil von uns?

Die erste Gruppe spottet. Sie hat ein festes Weltbild: Der Mensch stirbt, er vergeht. Aus ists. Können Menschen die ein solch festes Weltbild haben eigentlich erklären, warum es überhaupt Leben gibt? Leben ist eigentlich unmöglich. Es ist unmöglich, dass aus Materie Seele, Geist, Verstand entstehen. Wer kommendes Leben, wer Auferstehung ablehnt, ist in einem festen Weltbild gefangen – und darf gar nicht weiter nachdenken, denn dann würde er nicht verstehen, warum es überhaupt Leben auf der Erde gibt. Und Paulus sagt diesen Menschen: Gott hat die Welt geschaffen. Erst dann, wenn wir Gott in unser Weltbild hereinkommen lassen, dann verstehen wir auch, warum es Leben gibt, warum wir selbst leben, warum Pflanzen  und Tiere leben. Wie Gott das Leben ermöglicht, es geschaffen hat, so zeigt er auch durch die Auferweckung Jesu, dass er am toten Menschen als Schöpfer wirksam ist. Auferstehung der Toten ist: Neuschöpfung. Gott der Schöpfer macht aus uns toten Menschen einen lebenden Menschen.

Die zweite Gruppe findet das alles ja sehr interessant. Sie hört gerne solche Lehren. Sie muss aber mehr darüber hören, sie muss darüber diskutieren, muss das Für und Wider sorgfältig abwägen. Hat Gott die Welt wirklich geschaffen? Das ist für die griechischen Zuhörer des Paulus schon einmal eine wichtige Frage. Zeus als Schöpfer? Mal darüber nachdenken, wie das Leben gekommen ist, aber Zeus als Schöpfer? Von welchem Gott spricht Paulus da? Er spricht nicht von Zeus, sondern von dem Gott, zu dem wir Menschen von uns aus gar nicht hinkommen können, den wir uns gar nicht denken und ausdenken können. Wir können denkerisch nur zu den kleinen Göttern kommen, die wir uns selbst gemacht haben. Aber den wahren Gott, den Gott, der in all seiner Schöpfung am Wirken ist, den können wir nicht erkennen. Wir können ihn höchstens ahnen. Darum nennen ihn die Griechen „unbekannter Gott“ und die Hindus nennen diese Macht Brahma. Doch wie können wir Gott erkennen? Woher wissen wir, wie er ist, wie er es mit uns Menschen meint? Das können wir nicht wissen. Doch, sagt Paulus: Wir wissen, wie Gott zu uns Menschen steht. Er zeigt uns seine Liebe in Jesus Christus. Indem Gott, der Schöpfer der Welt, Jesus Christus auferweckt hat, zeigt er, dass er uns Menschen sehr wichtig nimmt, und uns nicht vergehen lässt. Das ist ein Gott! Es gibt soviel Menschen – und jeden einzelnen nimmt er wichtig: Du bist wichtig, du – genauso wie der Mensch der höchsten indischen Kaste wie der der niedrigsten Kaste. Der ausgebeutete kleine Bergarbeiterjunge im Kongo und die verachtete Frau in vielen Ländern dieser Erde genauso wie der reichste und einflussreichste Krösus. Jeder und jede einzelne sind dem Schöpfer so wichtig, dass er nicht möchte, dass wir ewig sterben. Also: Er will, dass auch du lebst in Ewigkeit. Nun, darüber lässt sich viel diskutieren, mögen unsere Diskussionen liebenden Menschen aus Athen sagen. Diskutieren wir später weiter darüber.

Und einige wurden gläubig. Es gibt Menschen, die nicht verlernen zu staunen. Sie sehen das pulsierende Leben der Natur, sie sehen den Sternenhimmel, hören die vielen verschiedenen Vogelstimmen singen und die Blumen in so vielen Formen und Farben blühen. Sie sehen den Menschen in seinem Leben, seinen Versuchen, diesem Leben Sinn und Glück und Freude zu geben, sie sehen den Menschen, der leidet, enttäuscht ist und Angst hat. Es gibt so viel zu staunen über diese Schöpfung, dieses eigenartige Etwas, diese Vielfalt, den Wind, die Wolken, das Meer, die Jahreszeiten mit ihrem wechselnden Blätterkleid. Es gibt Menschen, die staunen – und sie staunen und ahnen einen Schöpfer hinter all dem Wunderbaren oder auch dem Rätselhaften. Dann hören diese staunenden Menschen die Botschaft von der Liebe Gottes, davon, dass dieser Gott nicht möchte, dass seine Schöpfung, dass jedes einzelne Geschöpf zerstört wird. Und sie halten ihre Seele, ihren Geist und ihren Verstand dieser Botschaft hin und sie berührt ihre Seele, ihren Geist und ihren Verstand. Da können sie auch diskussionsfreudig sein, alles hinterfragen, allen Rätseln nachgehen, denn Gott möchte ja, dass wir es versuchen – aber mit seiner Hilfe versuchen. Und auch der Verstand wird von Gott angerührt.

Das ist wie mit dem Sonnenlicht: Wir verstehen alles was mit Sonne und Sonnenstrahlen zu tun hat nicht – aber wir können uns von ihr wärmen lassen, wir können uns anleuchten lassen, wir können daraus Kraft bekommen – auch wenn wir das alles nicht verstehen. Wenn wir all das, was mit der Sonne zu tun hat, nicht verstehen – heißt es dann, dass es sie nicht gibt? Nein. Die Sonne wärmt und strahlt auf uns, ob wir es verstehen oder nicht. Genauso ist es mit Gott: Er umfängt uns, ob wir es verstehen oder nicht. Und da unterscheiden sich die Menschen, die gläubig geworden sind von den Menschen, die es nicht sind. Die es nicht sind, sagen: Wir verstehen das mit Gott nicht – also gibt es ihn nicht. Umgesetzt auf die Sonne: Die Sonne verstehen wir nicht – also gibt es sie nicht. Ist das klug? Halten wir unsere staunende Seele der Botschaft von der Auferstehung Jesu hin – und sie wird anfangen zu leuchten. Dann wird sie auch den Menschen um uns herum ein kleines Licht sein. Gottes Neuschöpfung beginnt mit denen, die sich von ihm berühren lassen und vollendet sich in seiner Ewigkeit. Beginnt mit uns die Neuschöpfung Gottes, dann gehen wir auch mit den Mitgeschöpfen anders um, liebevoller um, staunender um. Gebe es uns Gott.    

Du starker Gott, der diese Welt
Im Innersten zusammenhält,
du Angelpunkt, der unentwegt
den Wandel aller Zeiten trägt.
Geht unser Erdentag zu End´,
schenk Leben, das kein Ende kennt;
Führ uns, dank Jesu Todesleid,
ins Licht der ew´gen Herrlichkeit.
Vollenden wir den Lebenslauf,
nimm uns in deine Liebe auf,
dass unser Herz dich ewig preist,
Gott Vater, Sohn und Heil´ger Geist.

(Ambrosius + 397 zugeschrieben)