Den heutigen Predigttext habe ich für dieses Thema Weltgebetstag zur Verfolgung der Christen ausgesucht. Er steht im Markusevangelium im 13. Kapitel.
Jesus spricht mit seinen Jüngern über die Zukunft, über das, was sie erwarten wird.
Ihr aber seht euch vor!
Denn sie werden euch den Gerichten ausliefern,
und in den Synagogen werdet ihr ausgepeitscht werden,
und vor Statthaltern und Königen werdet ihr geführt werden.
Das alles, weil ihr zu mir gehört – und ihnen von mir erzählen sollt.
Und das Evangelium muss zuvor allen Völkern verkündigt werden.
Wenn sie euch nun hinführen und ausliefern werden,
so sorgt euch nicht um das, was ihr reden sollt.
Was euch in jener Stunde in den Mund gegeben wird, das redet.
Denn ihr seid es nicht, die da reden,
sondern der heilige Geist, der Geist Gottes redet durch euch.
Und es wird ein Bruder den anderen dem Tod ausliefern,
und ein Vater den Sohn, die Kinder werden sich empören gegen die Eltern,
und sie werden helfen, sie zu töten.
Und ihr werdet gehasst sein von jedermann um meines Namens willen.
Wer aber aushält, beharrt bis ans Ende, der wird selig.
Soweit der Predigttext.
Was hier geschildert wird, ist bittere Realität. In kommunistischen Staaten wie Laos, Nordkorea, China, Kuba. In allen islamischen Staaten – mal mehr mal weniger massiv – werden Menschen, die sich vom Islam abwenden, aus den Familien verstoßen, vom Staat verfolgt. In Algerien raten Mönche Moslems, die zum Christentum übertreten wollen, davon ab, da es zu gefährlich ist. Frauen, die Christen werden, werden von ihren Männern verstoßen, ihre Kinder werden ihnen weggenommen, auch die Großfamilie wendet sich ab. Was das in diesen Ländern bedeutet, kann man sich denken: Nicht wenige werden, falls sie es überhaupt überleben, als Prostituierte angesehen und auch verächtlich behandelt. Christinnen werden in Teilen von Nigeria und Indonesien gezwungen, den gesundheitsschädlichen Tschador, die Ganzkörperverhüllung zu tragen. Familien, die zum Glauben übertreten, werden aus ihrem Besitz vertrieben. In Pakistan leben Christen unter unmenschlichsten Bedingungen in Gefängnissen, weil ein Nachbar deren Haus oder deren Rind haben wollte. Was macht man als gieriger Mensch?: Man sagt, der christliche Nachbar habe den Koran zerrissen – und schon landet dieser im Gefängnis. Vergewaltigungen sind ein häufiges Mittel in diesen Ländern – auch durch extreme Hindus – um Menschen wieder der angestammten Religion zuzuführen. Was hier in diesem Text geschildert wird, ist für die Mehrzahl der Christen heute bittere Realität.
Aber warum das ganze? Warum diese Aggressionen gegen Christen? Von kommunistischen Staaten werden Christen vielfach als Menschen angesehen, die vom Westen gesteuert werden. Der kapitalistische Westen nutzt, so der Vorwurf, die Christen als Brückenkopf, um gegen den Kommunismus anzukämpfen. Außerdem stört der Glaube an Gott die Ideologen. Im Islam sieht die Begründung anders aus. Der Islam sieht sich als dominante Religion, der sich alle anderen unterordnen müssen. Zum Glück halten sich nicht alle Moslems an diese Regeln. Der normale Moslem möchte seinen Frieden haben wie wir, aber die soziale Kontrolle ist groß und es gibt einige, die die Gutwilligen einschüchtern und unter Druck setzen.
Aber die Ablehnung der Christen hat einen anderen Grund. Es liegt nicht am Kommunismus, nicht am Islam, nicht am Hinduismus. Der Text nennt uns den anderen Grund: Weil Christen zu Jesus gehören, weil sie seinen Namen tragen, darum werden sie verfolgt. Aber was bedeutet das?
Mit dem Namen „Jesus“ ist etwas Einzigartiges verbunden. Besonders ist nicht, dass wir Christen sagen, Gott kann man nur durch Jesus Christus erkennen, nur durch ihn kann man zu Gott kommen. Das sagen alle anderen Religionen und religiöse Philosophien von ihren Führern auch. Was Jesus so einzigartig macht, ist, dass alle spüren: der ist wirklich anders. Der ist anders als andere Menschen. Der geht einen ganz eigenen Weg. Nächstenliebe und Feindesliebe stehen auf seinem Programm. Nicht die Vernichtung der Sünder will er, sondern er bittet sie: Wendet euch von eurem falschen Weg ab. Er errichtet nicht eine heile Welt, indem er alles Gottlose ausrottet oder ausrotten möchte, sondern er geht den Weg ins Leiden, ans Kreuz. Es gibt bei ihm keine Gehirnwäsche. Er verkündigt keinen machtvollen Gott, der, wo er hintritt, kein Kräutlein mehr wachsen kann, sondern er lässt einen liebenden Gott, den er Vater nennt, in den Herzen aufblühen. Er sagt nicht: Tut diese und jene Gesetze, auch wenn ihr sie nicht versteht, auch wenn sie unmenschlich sind, sondern er sagt: alle Gesetze, die nicht mit der Liebe zu den Menschen übereinstimmen, die sind nicht von Gott. Er regelt nicht alles, nicht die Gebetsgesten, nicht Fastenregeln, nicht detailliert den Umgang mit anderen Menschen. Wer ihm nachfolgt, trägt selbst die Verantwortung.
An diesen Aussagen merken wir: der Mensch Jesus ist anders. Er zeigt uns einen anderen Gott, als wir ihn haben wollen. Wir würden gerne manchmal einen Gott haben, der auf den Tisch haut, der andere – natürlich nicht uns! – massiv zur Raison ruft. Wir wollen einen Gott, der Leid aus der Welt nimmt. Manchmal tut er es auch, wenn die Weltgeschichte zu sehr aus dem Ruder läuft, wenn er Menschen beisteht. Aber der normale Weg Gottes ist der: Gott öffnet den Seinen ihr Herz. Sie sollen liebend und helfend die Weltgeschichte in seinem Sinn ändern.
Das fordert heraus. Dieses Verhalten fordert Mächtige heraus. Dieses Verhalten fordert andere Religionen und religiöse Gruppen heraus. Jesus ist sehr attraktiv. So attraktiv, das manche Religiöse meinen, ihre Gläubigen nur mit Gewalt vom Weg Jesu abhalten zu können. Warum? Wer sich Jesus Christus zuwendet, der entzieht sich dem Machtbereich der Götter und ihrer mächtigen Handlanger. Menschen, die sich Jesus Christus zuwenden, sind frei. Viele wollen Jesus Christus nicht. Auch scheinbar neutrale Atheisten schlagen härtere Töne gegen uns Christen an. Warum? Sie kleben am Innerweltlichen. Christen haben einen weiten, freien Blick. Wer nur glaubt, was er sieht, was er errechnen kann, was er meint, verstehen zu können, der klebt an sich und seinem Weltbild. Wir Christen haben, wie unser Text sagt, den Geist Gottes. Wir haben eine neue, weite Perspektive, wir sind nicht Sklaven der vermeintlichen Wirklichkeit.
Sicher, sehen wir Christen uns nicht unbedingt so. Dietrich Bonhoeffer, der während des Dritten Reiches ermordet worden ist, hat folgenden Text geschrieben:
Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich träte aus meiner Zelle
gelassen und heiter und fest
wie ein Gutsherr aus seinem Schloß.
Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich spräche mit meinen Bewachern
frei und freundlich und klar,
als hätte ich zu gebieten.
Wer bin ich? Sie sagen mir auch,
ich trüge die Tage des Unglücks
gleichmütig, lächelnd und stolz,
wie einer, der Siegen gewohnt ist.
Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen?
Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß?
Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig,
ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle,
hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen,
dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe,
zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung,
umgetrieben vom Warten auf große Dinge,
ohnmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne,
müde und zu leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen,
matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen?
Wer bin ich? Der oder jener?
Bin ich denn heute dieser und morgen ein anderer?
Bin ich beides zugleich? Vor Menschen ein Heuchler
und vor mir selbst ein verächtlich wehleidiger Schwächling?
Oder gleicht, was in mir noch ist, dem geschlagenen Heer,
das in Unordnung weicht vor schon gewonnenem Sieg?
Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott.
Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!
Wir Christen meinen, wir sind schwach, wir verhalten uns nicht so, wie Jesus es haben will, wir schweigen, wenn wir reden sollten. Doch auch dann sehen uns die anderen als das an, was wir sind: als Kinder Gottes, die ihr Leben im Namen Jesu leben. Wie der Predigttext sagt: Wenn ihr nicht wisst, was ihr sagen sollt, der Heilige Geist füllt euch den Mund. Die angeklagten Jünger fühlen sich schwach, gedemütigt, verstummen angesichts der Gewalttaten, der behördlichen Willkür, der ungerechten Könige und deren lächerlichen Helfershelfern. Auch wenn sie schwach sind, so sind sie doch in diesem Augenblick Gottes Kinder. Gott selbst spricht durch sie.
In seinem Roman: Die Kraft und die Herrlichkeit schildert Graham Green einen trunksüchtigen Priester in der Zeit, in der alle Christen in Mexiko grausamst verfolgt worden sind. Er ist der letzte noch lebende Priester. Er versucht nicht mehr, Alkohol zu trinken, verfällt aber immer wieder seiner Sucht. Er muss sich verstecken, fliehen, er fühlt sich elend, dreckig und Gottes nicht würdig. Aber die Menschen, die nicht der Herrscherclique angehören, warten auf ihn, warten auf ein tröstendes Wort, warten darauf, dass er die Sakramente austeilt. Er ist für die Menschen der letzte Vertreter Gottes in diesem gottlosen, gewalttätigen Land.
Es kommt nicht darauf an, wie sich die Christen in diesen Ländern fühlen. Sie werden als Fußmatte getreten. Sie werden verfolgt und können oft nicht stark sein, weil die Schmerzen und die Grausamkeiten zu groß sind. Aber sie sind wie Jesus am Kreuz. Jesus hing blutend am Kreuz, ausgepeitscht und verachtet – aber gerade in Jesu Leiden am Kreuz erkannte der Offizier, der ihn hinrichtete: dieser ist Gottes Sohn. Gott ist in diesen verachteten Kreaturen. Gott selbst.
Uns geht es in diesem Land gut. Aber dennoch: Lasst nicht nach, die frohe Botschaft von Jesus Christus zu leben und auszusprechen. Wir haben höchstens spöttische Blicke oder Worte zu erleben – oder den Rausschmiss aus einer Fernsehsendung, aus Parteien oder aus Zeitschriften oder keifende Menschenkinder. Was uns trifft, trifft Gott, weil wir seine Kinder sind.
Wer aushält bis ans Ende, der wird selig. Amen.