Der für den heutigen Sonntag vorgeschlagene Predigttext steht im Matthäusevangelium dem 4. Kapitel:
Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde. Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. Und der Versucher trat zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden. Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben (5.Mose 8,3): »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.« Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben (Psalm 91,11-12): »Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.« Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben (5.Mose 6,16): »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.« Darauf führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben (5.Mose 6,13): »Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.« Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel zu ihm und dienten ihm.
Soweit der Predigttext.
Jesus wird versucht. Der Gegner Gottes möchte Jesus auf seine Seite ziehen, das wäre ein Erfolg! Der Sohn Gottes – agiert gemeinsam mit dem Teufel! Und wenn wir uns einmal in die Lage Jesu versetzen, dann hätten wir zu allem „Ja“ gesagt, denn das, was der Gegner Gottes vorschlägt, klingt gut. Und dann hätte der Teufel gesagt: Klasse, das Kind Gottes handelt gemeinsam mit mir!
Was kann es besseres geben, als keinen Menschen mehr hungern zu lassen? Ist das nicht tausendmal besser, als Gottes Wort zu verbreiten? Vom Wort Gottes kann man nicht leben – aber von Brot. Also würden wir Brot in Hülle und Fülle herstellen – und würden es verkaufen und sehr reich werden.
Der Gegner Gottes hätte mit uns leichtes Spiel, denn was wollen wir mehr? Wir wollen Gewissheit, wir wollen Beweise dafür, dass Gott uns bewahrt und uns schützt – und wenn wir noch so halsbrecherische Dinge wagen: Gott wird uns beschützen – und das soll er uns beweisen! Und der Gegner Gottes ist raffiniert! In der ersten Antwort an den Satan hatte Jesus die Bibel zitiert – und nun zitiert der Gegner Gottes selbst die Bibel. Auch hier fragen wir uns: Hat er nicht Recht? Stimmt das nicht, was er sagt? »Gott wird seinen Engeln wegen Jesus Befehl geben; und sie werden Jesus auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.«? Das war ein guter Konter des Gegenspieler Gottes. Doch dann wird es noch schwerer für uns – denn Jesus argumentiert wieder mit der Bibel: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.« Wir armen Menschen kommen nun vollkommen durcheinander. Was gilt denn nun, wenn wir in der Bibel lesen? Gilt das, was der Satan sagte – oder das, was Jesus sagte?
Dieses Problem haben Menschen seit es Propheten gibt: Ein Prophet sagt dies – ein anderer jenes. Ein Prophet sagt im Namen Gottes dies – ein anderer im Namen Gottes das Gegenteil. Und die armen Menschen in der Mitte: Was ist denn nun das wahre Wort Gottes?
Gott macht es uns nicht einfach: Gott will, dass wir unseren Verstand einsetzen. Gott will, dass wir aus der Beziehung mit Gott heraus leben – und dann unsere Entscheidung treffen. Wenn ein Bibelzitat gegen ein Bibelzitat verwendet wird, wenn einer im Namen Gottes auftritt und etwas sagt und der andere auch im Namen Gottes auftritt und etwas anderes sagt: Dann müssen wir aus dem Glauben heraus, aus der Beziehung zu Gott heraus selbstständig handeln. Oh ja, das fällt uns schwer. Aber Gott will uns nicht als Marionetten, sondern als freie und selbstbewusste Menschen, als Menschen, die ihm als solche freien und selbstbewussten Menschen nachfolgen.
Wie schwer das ist, das haben wir vor kurzem wieder erleben dürfen. Da hat ein Pfarrer aus Bremen die Christen vom Islam und den Buddhismus abgegrenzt. Daraufhin haben sich viele Professoren und Pfarrer gegen diesen Pfarrer gewendet. (Wobei natürlich zu sagen ist, dass sich noch mehr Professoren und Pfarrer dazu gar nicht geäußert haben.) Hat der Pfarrer Recht? Haben die Professoren Recht? Für mich ist es klar gewesen, wer Recht hat. Nicht die Professoren. Aber, der Pfarrer hat seinerseits etwas gemacht, was nicht gut war: Er hat Worte verwendet, die erniedrigen, die andere nicht respektieren, auch Mitchristen diffamieren. Das heißt: Er hatte darin nicht Recht. Und das hat er dann auch angesichts der Kritik erkannt und sich entschuldigt – aber zu Recht hat er sich nicht in der Sache entschuldigt. Denn es stimmt ja inhaltlich, was er sagte. Für Christen ist Jesus der einzige Weg zu Gott. Und selbst wenn – was in der nachdiktatorischen Zeit Deutschlands einmalig ist – ein Parlament wie das in Bremen sich mit dieser Predigt beschäftigt und verurteilt – für Christen ist Jesus der einzige Weg zu Gott. Dann können noch so viele Parlamente sich mehrheitlich auf den Kopf stellen und mit den Füßen wackeln.
Gott ist nicht immer auf der Seite der öffentlichen medialen und politischen Mehrheit. Aber das ist nichts Neues, das haben sämtliche Propheten Gottes auch erfahren müssen. Gott hat uns den Verstand geschenkt, die Möglichkeit aus dem Glauben heraus verantwortlich zu handeln. Jesus hat – so sagt es der Predigttext – erkannt: Der Gegner Gottes verlangt von ihm einen Weg, ein Verhalten, das dem Willen Gottes nicht entspricht. Und somit lehnt er dieses Ansinnen ab. Der Sohn Gottes lehnt es ab, mit dem Teufel zu paktieren.
Die letzte Versuchung: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. – ist für uns sehr leicht zu durchschauen, und wir sagen: Na, da wäre ich nicht drauf reingefallen. Echt nicht? Echt nicht. Wir würden doch niemals den Satan anbeten. Christen sind seit 2000 Jahren in dieser Hinsicht normalerweise etwas vorsichtiger geworden mit der Behauptung: Darauf würden wir nie reinfallen! Natürlich würden wir nicht den Satan anbeten. Aber die Anbetung des Gegners Gottes ist ja auch nicht so plump. Sie ist diffiziler. Was beteten und beten Christen nicht alles an – seit 2000 Jahren! Es geht ihr häufig nicht um Gott – wie oft ging es um die Herrschaft – natürlich aus gutem Gewissen: Man will mit der Herrschaft etwas Gutes bewirken, man will den Willen Gottes durchsetzen! Aber dann auf einmal merkt man: Es ging mir gar nicht um Gott. Es geht um die eigene Macht, es geht um die eigenen Vorteile. Und so haben sich viele Christen nicht nur in den Jahren des Nationalsozialismus und des Kommunismus auf die Seiten der Gegner Gottes gestellt. Sie hatten immer ein gutes Motiv! Der Nationalsozialismus wird Deutschland zu einem guten und großen Land machen – wie Gott es will! Der Kommunismus wird die ganze Welt gerechter machen – wie Gott es will! Aber auch das Christentum selbst kann – wie der Islam – zur Ideologie werden, wenn man alle Menschen zu diesem Glauben zwingen will, damit die Welt besser wird. Der Kapitalismus, der Nationalismus – das sind alles solche modernen Versuchungen, denen sehr viele Christen erlegen sind. Und es waren nicht die letzten Ideologien, die sich breit gemacht haben – und aus den Köpfen der Christen Gott heraus gedrängt haben. Zudem zeigen sich schon weitere Ideologien, vor denen Christen aufpassen müssen, dass sie ihnen nicht hörig werden: Wir schaffen den besseren Menschen – und das mit wissenschaftlich-technischen Mitteln oder mit psychologisch-propagandistischen Mitteln oder mit weltwirtschaftlich-unterdrückerischen Mitteln! Oder: Im Namen der Toleranz und der Religionsfreiheit darf man die Intoleranz nicht mehr als solche kennzeichnen, denn damit erniedrigt man die Intoleranten.
Was stellt Jesus diesen Versuchungen entgegen? »Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.«
Das ist der Schlüssel zum Verstehen aller vorangegangenen Aussagen: Gott dienen – das ist das Zentrum, der Ausgangspunkt. Erst der Mensch, der sich Gott ausliefert, der Mensch, der Gott dient, der kann die vorangegangenen gefährlichen Aussagen überhaupt als solche verstehen und abwehren. Der ist nicht gefährdet, als Kind Gottes mit dem Gegner Gottes zu paktieren.
Brot für den Körper kann nie und nimmer das Wort Gottes, das Brot für die Seele ersetzen! Und so versucht Jesus ja beides zu tun: Menschen mit ihren körperlichen Schwierigkeiten zu helfen und Menschen das Brot für die Seele zu geben, damit sie, wie es modern heißt: ganzheitlich satt werden. Wie wenig Brot allein Menschen satt macht, das sehen wir in der Gegenwart. Menschen unseres Landes sind körperlich satt. Was tun sie nicht alles, damit ihre Seele auch satt wird? Sie wenden sich gefährlichen Ideologien zu, Nationalsozialismus – heute Nazis – genannt, Kommunismus – heute Antifa – genannt. Warum gehen junge Muslime aus unserem Land nach Syrien und in den Irak? Ihre Seele hungert. Man stopft sich voll mit Computerspielen und dem Ringen um die eigene Schönheit und sieht den Sinn des Lebens zumindest zeitweise im Ausleben der Sexualität. Darum wird ja auch zurzeit der Film Fifty Shades of Grey so gepuscht. Die Seele unserer Zeitgenossen ist am Verhungern – weil wir nur ihren Körper ernähren können, aber nicht die Seele ernähren wollen.
Ist es wirklich so schwer, herauszufinden, was Gottes Wille ist? Ist es so schwer herauszufinden, welcher Prophet der richtige oder der falsche ist?
Die Worte Jesu gegen den Gegner Gottes lehren uns in dieser Hinsicht sehr viel: Jesus führt zu Gott, während der Gegner Gottes von Gott wegführen will. Was uns von Gott wegführen will – ist natürlich nicht von Gott, was uns zu Gott führt, das ist von Gott. Die Faustregel klingt so einfach – und scheint für uns Menschen doch so schwer zu sein.
Auf Gottes Wort hören – nichts anderes für bedeutsamer halten. Auf Gottes Wort hören bedeutet dann letztendlich schon, dass man sich um das Wohl der anderen kümmert – aber eben aus dem Willen Gottes heraus.
Der zweite Satz weist uns daraufhin, dass man Gott nicht missbrauchen soll. Gott ist keine überirdische Art der Lebensversicherung. Es gibt falsches Vertrauen in Gott – und zwar eines, das der Gegner Gottes fordert: Gott herausfordern ist kein Vertrauen. Das tut vielleicht nur groß: Wow, was hast du für ein großes Vertrauen in Gott, wenn du als Sohn Gottes von der Mauer springst – aber es ist nur Schein, der der eigenen Bewunderung dienen soll und mit Gott rein gar nichts zu tun hat.
Und der dritte Satz zeigt eben, wie man richtig handelt: Sich Gott anbetend zuordnen.
Wir haben es mit diesen Versuchungen durch den Satan mit der Machtfrage zu tun. Aber der Gegner Gottes kann auch ganz, ganz anders vorgehen: Er suggeriert, man sei wertlos. Du taugst nichts. Andere sind besser, andere sind klüger, andere sind schöner, andere sind gewandter, andere können besser Fußball spielen, andere sind gesünder, andere sind größer, andere sind reicher… – jeder kann hier die Einflüsterungen des Gegners Gottes sicher selbst ergänzen: Er will uns klein machen. Er will, dass wir kein Selbstbewusstsein haben. Er will, dass wir unzufrieden sind mit unserem Leben, statt voller Dankbarkeit dem gegenüber, dem wir gehören. Und indem der Gegner Gottes uns ganz klein macht, verhindert er, dass wir als freie, selbstbewusste Menschen den Willen Gottes tun.
Und wie können wir damit umgehen? Genauso wie Jesus es lehrt: Wir sollen nicht auf uns schauen. Nicht auf unser Unvermögen, darauf wie wir sind oder nicht sind. Wir sollen auf Gott schauen, auf den, der uns unser Leben gegeben hat, damit wir es unter seiner Regie führen. Gott benötigt keine Einheitsmenschen, sonst hätte er uns alle als Klone geschaffen. Gott möchte uns so wie wir sind – und er selbst möchte an uns arbeiten, damit wir werden, wie er es will. Auf Gott hören – nicht auf die Einflüsterungen des Bösen hören.
Wir müssen auf Gott schauen, damit uns nichts, aber auch keine Stimme des Versuchers von Gott wegführt. Sein Ziel ist es, uns von Gott abzubringen. Unser Lebensziel sollte sein – mit Gott – die Nähe Gottes immer enger zu suchen, das Band, das Gott zwischen sich und uns geknüpft hat, nicht aufzufädeln, sondern immer enger zu knüpfen.