Ich werde als Predigttext den Text zugrunde legen, der für den Beginn der Friedensdekade vorgeschlagen wurde. Er steht im Matthäusevangelium im 5. Kapitel – die so genannten Seligpreisungen:
Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.
Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.
Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.
Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.
Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.
Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.
Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.
Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übles gegen euch, wenn sie damit lügen.
Seid fröhlich und getrost; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden. Denn ebenso haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind.
Soweit der Predigttext.
Diese Seligpreisungen werden seit jeher weltweit da bewundert, wo sie bekannt geworden sind. Warum? Sie stellen unsere Welt auf den Kopf! Selig sind nicht die Schlauen, Gerissenen, die andere übers Ohr hauen, selig sind nicht die, denen es immer gut geht, sind nicht die Mächtigen, die glauben, über andere und die Welt herrschen zu können. Selig sind nicht diejenigen, die die Kultur des Todes verbreiten, nicht die Gewalttätigen und die, die Unrecht und Ungerechtigkeit verbreiten und andere unter die Füße treten. Selig sind nicht die Unbarmherzigen, diejenigen, die für Geld und Ruhm über Leichen gehen, die ihr Herz, ihre Liebe, ihr Gewissen abtöten, die Unfrieden verbreiten und Menschen verfolgen.
Diese Menschen, die werden in unserer Welt eher bewundert – und das in der gesamten Menschengeschichte, wie wir sie kennen – bis in die Gegenwart. Und wenn man sie nicht bewundert, dann hat man sich doch zumindest der Realität angepasst und sagt: Sie waren und sind grausam – aber so sind wir Menschen halt.
Die Seligpreisungen stellen die Welt auf den Kopf – sie zeigen aller Welt: Gott will andere Menschen. Diese gewalttätigen Menschen können sich nicht auf Gott berufen, sie gehen ihre eigenen Wege – und alle Menschen, die Gott folgen, die werden sich diesen Menschen, die der Kultur des Todes dienen, nicht unterwerfen, werden nicht auf sie aufsehen, werden sie nicht bewundern, ihnen nicht die Füße küssen.
Dieser Text ist kunstvoll aufgebaut. Wir haben acht Seligpreisungen, die neutral von anderen Menschen sprechen: Selig sind die Traurigen – es heißt nicht: selig seid ihr Traurigen. Dann, erst in der 9. Seligpreisung spricht Jesus die Jünger an: Ihr seid es, die selig sind, denn ihr werdet verfolgt, ihr leidet, ihr sehnt euch nach Gerechtigkeit, ihr seid friedvoll und barmherzig. Ihr. Und weil ihr es seid, werdet ihr verfolgt, man schmäht euch, man verbreitet Lügen über euch – weil ihr zu mir gehört, weil ihr mit Gott eine andere Welt schaffen wollt, eine Welt, in der Menschen sie gestalten, die barmherzig sind, friedvoll, gerecht.
Und das finden wir durch die gesamte Kirchengeschichte hindurch – überall, wo Menschen wirklich im Sinne Gottes handeln, werden sie bedrängt. Auch in Zeiten, in denen die Kirche herrschte – denn wir müssen immer wieder mit Traurigkeit feststellen, dass sich auch die Kirche im Laufe der Kirchengeschichte auf die Seite der Unbarmherzigkeit und Gewalt gestellt hat. Dass sie sich abgewandt hat von Gott. Und auch in diesen Zeiten der Macht und der Unmenschlichkeit der Kirche wurden Menschen Jesu verfolgt und bedrängt und geschmäht.
Weltweite Verfolgungen von Christen sind nichts Neues – aber darum nicht weniger erschreckend. Denn es ist schlimm, zu sehen, wie Menschen um ihres Glaubens willen ermordet werden, wehrlose Menschen, Menschen, die nichts ahnend in ihrem Haus sitzen, in Schulen oder am Arbeitsplatz sind, in Bussen fahren – überall müssen sie damit rechnen, einem feigen Terroranschlag zum Opfer zu fallen. Gefährdet sind vielfach christliche Mädchen, die entführt werden, vergewaltigt oder zur Heirat mit irgendeinem Mann der anderen Religion gezwungen werden. In Pakistan werden Menschen beschuldigt, von irgendeinem Konkurrenten vielleicht, einem, der gerne das Haus des Christen besitzen möchte, er hätte den Propheten Mohammed beleidigt – und schon ist er alles los. Zwar kann es hin und wieder vorkommen, dass er durch ein Gericht vom Vorwurf frei gesprochen wird, wie das geistig behinderte Mädchen in diesem Jahr – doch sie sind dennoch alles los, weil sie und ihre gesamte Familie vor dem Lynchmord fliehen müssen. In Nordnigeria wurden im letzten halben Jahr ca. 1100 Menschen durch eine islamistische Gruppe in die Luft gesprengt. In Ägypten lassen die Muslimbrüder, die von der Militärregierung abgesetzt wurden, ihren Zorn an wehrlosen Christen aus – neulich starben einige Menschen, darunter ein 8 jähriges Mädchen, weil irgendwelche Leute auf die Idee gekommen sind, auf eine christliche Hochzeitsgesellschaft zu schießen. Nicht nur Christen müssen all das erleiden, sondern vielfach auch freiere Muslime oder andere Minderheiten, wie die Ahmadiyya oder Atheisten in diesen Ländern, Journalisten, Menschen, die für Hilfsorganisationen unterwegs sind und und und – man kann das alles gar nicht aufzählen.
Und das sah in der Zeit Jesu kaum anders aus. Nur die Mächtigen hießen damals anders. Es war die römische Besatzungsmacht, die den Juden das Leben zur Hölle machte, es war die jüdische Elite, die unter der Fuchtel der römischen Besatzungsmacht stand, die Christen das Leben zur Hölle machte. Und zur Zeit der Propheten waren es die machtlüsternen Könige, die sich von den Boten Gottes nichts sagen lassen wollten. Und diesen Kulturen des Todes damals und den Kulturen des Todes heute wird in den Seligpreisungen etwas ganz Neues entgegengestellt: Lasst Euch von ihnen nicht unterkriegen, lasst eure Hoffnung nicht sinken, Leute, die ihr Sehnsucht habt nach Gerechtigkeit, nach Barmherzigkeit, nach Frieden, nach Sanftmütigkeit und reinen Herzen – lasst Euch nicht unterkriegen, sondern lebt als solche, die Sehnsucht haben nach Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Frieden, Sanftmut – lebt mit reinem Herzen. Der große Martin Luther King, hat dem Hass der Rassisten einen Satz entgegengesetzt, der es in all diesen Situationen in sich hat:
Lasst euch von niemandem so tief herabziehen, dass ihr ihn hasst.
Denn Hass, Zorn, Wut – das alles stellt uns auf die gleiche Ebene wie die Hasser – sie haben ihr Ziel erreicht, wenn man selbst zu hassen beginnt. Sie haben uns mit ihrer verfluchten Hass-Krankheit angesteckt – und darum setzen Christen diesem Hass anderes entgegen: ein reines Herz.
Doch wie geht das? Muss ich mein irdisches Leben nicht mit Gewalt verteidigen, da ich nur dieses Leben habe? Nein, Menschen, die Jesus Christus folgen, haben nicht nur dieses eine Leben. Auch wenn sie durch hassende Menschen getötet werden – Jesus spricht ihnen in den Seligpreisungen das Reich Gottes zu. Sie werden teilhaben an der Gottesherrschaft in Ewigkeit. Wir haben einen anderen Mittelpunkt für unser Leben: Jesus Christus – und nicht allein unser irdisches Leben.
Wir hüten unser Leben, wir verachten es nicht, wir gehen damit nicht leichtfertig um, denn Gott hat es uns geschenkt. Aber wir stellen unser Leben nicht an die Stelle Gottes, sondern Christen legen ihr Leben in Gottes Hand und leben munter und fröhlich – auch unter äußerster Bedrängnis ihren Glauben.
Und das lernen wir von unseren verfolgten Glaubensbrüdern und Glaubensschwestern. Man kann sich nur wundern: Warum werden sie nicht Kommunisten, warum treten sie nicht zum Islam über oder werden Buddhisten oder Hindus? Dann wären sie doch sicher, sie könnten ihr Leben relativ gut leben. Sie tun es nicht, weil sie wissen: Gott spricht durch Jesus Christus. Unser Gott ist eine Wirklichkeit. Warum sollten Christen die Sonne leugnen und den kleinen Lichtern der Religionen und Weltanschauungen folgen? Warum sollten Christen das ewige Leben eintauschen gegen Verderben, Vergänglichkeit und Tod? Warum sollten sie das Liebesgebot eintauschen gegen ein Leben in Hass gegen alle anderen Menschen, die nicht so sind wie sie selbst? Warum sollten Christen die Liebe Gottes eintauschen gegen Hirngespinste? Und dieser Gott, den wir Christen Vater nennen dürfen, der stärkt sie und uns mit den Seligpreisungen in allen Widerwärtigkeiten des Lebens:
Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.
Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.
Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.
Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.
Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.
Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.
Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.
Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übles gegen euch, wenn sie damit lügen.
Seid fröhlich und getrost; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden. Denn ebenso haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind.
Ja, selig sind wir.